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Erstes Buch - Verfeindung von Freunden
Hier beginnt das erste Buch „Verfeindung von Freunden“ genannt, dessen erste Strophe ist folgende:
Im Wald wird durch den heimtückischen habgierigen Schakal des Löwen und des Stiers Liebe zerstört, die große immer wachsende.
Es wird nämlich erzählt: In einer Provinz des Südens liegt eine Stadt Mahilaropya mit Namen.
In dieser lebte ein Kaufmannssohn namens Vardhamanaka („der Gedeihende oder Gesegnete“), der sich auf rechtlichem Wege seinen Lebensunterhalt erwarb.
Als dieser einst nachts auf seinem Lager lag, entstand in ihm der Gedanke, daß man selbst bei großem Vermögen Mittel des Erwerbs ersinnen und ausführen müsse.
Denn man sagt ja:
``Gibt’s doch in aller Welt gar nichts, was nicht mit Geld sich machen läßt.´´
Drum soll auch der Kluge voller Eifer einzig nach Besitz streben.
Wer Geld besitzt, besitzt Freunde; wer Geld besitzt, Verwandte auch; wer Geld besitzt, der ist ein Mann; wer Geld besitzt, ein Weiser selbst.
Kein Wissen gibt es, kein Handwerk, keine Gabe und keine Kunst, keinen Mut der von Bedürftigen den Reichen nicht nachgerühmt wird.
In dieser Welt wird selbst der Blutsfeind ein Freund, wenn er nur Geld besitzt.
Ein Blutsfreund aber, der arm wird, ist auch sogleich ein schlechter Mensch.
Denn aus den vollen Reichtümern entquellen jegliche Werke, wie aus den turmhohen Bergen jedweder Fluß.
Geehrt wird, wer der Ehre unwert, gesucht, wer nicht des Suchens wert, gerühmt, wer nicht des Rühmens wert: So gewaltig ist die Macht des Geldes.
Wie durch Nahrung des Leibes Sinne wachsen, so alle Taten auch durch Geld!
Darum nennt man Reichtum auch das allesbewirkende Mittel.
Wer Geld bedarf, sucht bei lebendigem Leibe Friedhöfe auf; verläßt den Vater, wenn er arm ist, und wandert in die weite Welt.
Und von allen Erwerbsmitteln wird das Geschäft des Handelsmanns zum Gelderwerb anempfohlen; jedes andere ist zweifelhaft.
Selbst Grauköpfe, wenn sie nur reich sind, gelten trotzdem für Jünglinge.
Aber ohne Geld werden sogar Jüngling als Grauköpfe angesehen.
Vermögen aber wird den Menschen durch sechs Mittel zuteil, nämlich durch Betteln, Königsdienst, Ackerbau, Erwerb mittels Gelehrtheit, Wucher und Handel.
Doch das Beste unter ihnen ist sicherlich der Gelderwerb durch Handel.
Denn man sagt auch:
``Nur Gemeine lassen sich aufs Betteln ein; ein König - Ach! - schenkt nicht nach Verdienst; mühselig ist der Ackerbau; das Lernen durch die Demut sehr erschwert, die man dem Lehrer erweisen muß; und das Ende des Wuchers ist Armut, weil man sein Vermögen anderen anvertraut: So kenne ich kein Erwerbsmittel, das besser ist als der Handelsstand.´´
Und dieser Handel dient auf siebenfache Art zum Erwerb von Reichtum, nämlich durch betrügerisches Maß und Gewicht, durch Angabe falscher Preise, durch Annahme von Pfändern, durch Ankunft eines reichen Käufers, durch Maklergeschäfte, durch Handel mit Düften und durch Warentransport in fremdes Land.
Aber man sagt auch:
``Bald voll, bald aber falsch messen, die reichen Leute hintergehen oder falsche Preise angeben, sei der Barbaren Eigenheit.´´
Der Kaufmann, dem ein Maklergeschäft vertraut ist, denkt voller Freude in seiner Brust:
„Die schatzgefüllte Erde ward mir zuteil; was will ich mehr?“
Sieht der Kaufmann einen reichen Käufer voller Eifer nahn, dann freut er sich im eignen Herzen, gierig nach dessen Geld, wie über einen neugeborenen Sohn.
Und auch so:
Kommt ein Unterpfand ins Haus, so fleht der Kaufherr zu seinem Hausgott:
„Laß rasch den Eigentümer sterben! Ich bring ein Opfer dir dafür.“
Und vor allem steht der Handel mit Düften!
Wozu mit anderem wie Gold und so handeln?
Denn was immer für eins gekauft ist, das wird für hundert abgesetzt.
Doch dieses paßt vor allem für arme Händler, über die reichen sagt man auch:
``Die großen Reichtum haben, holen mit großen Schätzen selbst Schätze aus der Ferne, wie man große Elefanten mit kleineren Elefanten fängt. ´´
Zweifach, dreifach mehren den Reichtum die des Großhandels Kundigen durch ihre Mühe, indem sie in entferntes fremdes Land ziehen.
Und ferner: Die vor der Fremde sich sehr fürchten, sehr träge oder lässig sind, die sterben im eigenen Land.
Es sind gemeine Menschen wie Hirsche und Krähen.
Denn ein Spruch der Lebensweisheit lautet:
``Wer nicht aus der Heimat wandert und sich die ganze Welt besieht, die voll von tausendfachen Wundern ist, der gleicht einem Brunnenfrosch.´´
Was ist zu schwer für hinlänglich Starke?
Was ist fern den Beharrlichen?
Wo ist eine Fremde für den Weisen?
Und wer ist Feind dem freundlich Redenden?
Nachdem er so in seinem Herzen überlegt hatte, nahm er Warenballen, welche nach Mathura bestimmt waren, verabschiedete sich von seinen Eltern und Freunden, bestieg seinen Wagen und machte sich an einem glücksverheißenden Tag auf den Weg.
Er hatte zwei gute Stiere, die in seinem Hause geboren waren, Nandaka und Sanjivaka mit Namen (der „Erfreuende“ und der „vereint Lebende“), welche sich als Zugtiere an einer trefflichen Deichsel befanden.
Von diesen glitt der eine, nämlich Sanjivaka, am Ufer der Yamuna in einem Sumpf aus und brach das Bein, so daß er niedersank.
Als ihn nun Vardhamanaka in diesem Zustand sah, versank er in tiefste Betrübnis und unterbrach aus Mitleid drei Nächte lang seine Reise.
Als sie ihn so bekümmert sahen, sprachen die Gefährten der Karawane zu ihm:
„Ach, Kaufherr! Warum bringst du so um eines Stieres willen die ganze Karawane in diesem von Löwen und Tigern angefüllten und gefahrenreichen Walde in Unsicherheit?
Man sagt auch:
``Um einer Kleinigkeit willen bringt sich der Kluge nicht um Großes, sondern klug ist, wer sich Großes durch Verlust von Kleinem wahrt.´´“
Indem er dies nun beherzigte, befahl er einigen Leuten auf Sanjivaka zu achten und zog weiter, um die übrige Karawane zu sichern.
Die Wächter aber, welche wußten, wie gefährlich der Wald war, ließen Sanjivaka im Stich, gingen der Karawane nach und sagten am folgenden Tag fälschlicherweise zu dem Kaufmann:
„Oh Herr! Sanjivaka ist gestorben und wir haben ihn im Feuer bestattet.“
Der Kaufherr, nachdem er dies gehört, verrichtete aus Dankbarkeit voll Mitleid alle gewöhnlichen Totenriten.
Dem Sanjivaka aber, da er am Leben geblieben war, wurde sein Körper von dem Wasser der Yamuna, dem Walde und den kühlen Winden gestärkt.
Er erhob sich allmählich und ging zum Ufer der Yamuna.
Hier genoß er die trefflichsten smaragdgleichen Gräser, erhielt dadurch in wenigen Tagen einen starken Buckel, wurde so kräftig wie Shivas Stier und brachte nun Tag für Tag damit zu, daß er brüllend mit seinen Hörnern die Ameisenhaufen durchwühlte.
Richtig sagt man auch:
``Wer unbeschützt ist, findet sich vom Geschick beschützt; was wohl beschützt ist, kommt vom Geschick geschlagen um. Am Leben bleibt, der im Walde hilflos lag; trotz aller Mühe stirbt der im Haus Verpflegte. ´´
Da hörte einst ein Löwe namens Pingalaka („der Dunkelgelbe“), welcher von Durst gequält, umgeben von sämtlichem Wild, zum Ufer der Yamuna herabstieg, um Wasser zu trinken, schon aus weiter Ferne das sehr tiefe Gebrüll des Sanjivaka.
Dieser Ton versetzte sein Herz in große Angst; doch verbarg er seine Furcht und blieb unter einem Feigenbaume stehen, wo er sein Gefolge in vier Kreisen (als Schutzwall) aufstellte.
Zugleich sagte er:
„Die Aufstellung in vier Kreisen ist die des Löwen! Des Löwen Gefolge ist furchtsam und feig!“
Aber auch:
„Weder gesalbt noch geweiht wird der Löwe vom Wild des Waldes: Durch Tapferkeit erwirbt er Macht und wird von selbst des Wildes Herr.“
Diesem folgten nun immer zwei Schakale nach: Karataka und Damanaka mit Namen, Söhne von Ministern, welche aber ihr Amt verloren hatten.
Diese berieten sich miteinander.
Da sagte Damanaka:
„Lieber Karataka! Unser Gebieter Pingalaka hat sich ja auf den Weg zum Ufer der Yamuna gemacht, um Wasser zu trinken.
Weswegen ist er nun, obgleich von Durst gequält, umgekehrt, hat eine Schlachtordnung eingenommen und ist von Mutlosigkeit überfallen, hier unter dem Feigenbaum stehen geblieben?“
Karataka antwortete:
„Wozu sich um Dinge bekümmern, die uns nichts angehen?
Denn man sagt auch:
``Der Mann, der sich in Dinge einläßt, welche nicht seines Amtes sind, der geht zugrunde, gleichwie der Affe, der den Keil aus dem Baumstamm zog´´.“
Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und jener erzählte:
Die Geschichte vom Affen, der den Keil aus dem Baumstamm zog
An einem Orte in der Nähe einer Stadt hatte ein Kaufmannssohn in der Mitte einer Baumgruppe den Bau eines Göttertempels begonnen.
Da gingen nun die Werkleute, der Baumeister und die übrigen, als es Mittag wurde in die Stadt, um zu essen.
Einstmals aber kam eine Affenherde, welche in der Nähe hauste und sich hier und da herumtrieb.
Es befand sich da ein von einem Handwerksmann halb gespaltener Baumstamm von Andschanaholz mit einem Keil von Khadiraholz mitten darin.
Da fingen nun die Affen an, nach Herzenslust auf den Wipfeln der Bäume, den Spitzen des Tempels und den Baumstämmen herumzuspielen, und einer von ihnen, welchem ein naher Tod beschieden war, setzte sich, seiner beweglichen Natur folgend, auf diesen halbgespaltenen Baumstamm, warf den Bindestrick weg und sprach: „Ah! da hat einer einen Keil an einer unrechten Stelle eingetrieben!“
Dann ergriff er diesen mit beiden Pfoten und fing an, ihn herauszuziehen.
Es waren aber seine Hoden in die Öffnung des Baumstamms geraten, und sobald er den Keil aus seiner Stelle herausgezogen hatte, geschah ihm, was ich dir schon vorher gesagt habe.
Darum sage ich: ``Der Mann, der sich in Dinge einläßt, welche nicht seines Amtes sind, der geht zugrunde, gleichwie der Affe, der den Keil aus dem Baumstamm zog.''

Außerdem haben wir auf vierundzwanzig Stunden zu essen übrig.
Was geht uns also diese Sache an?“
Damanaka sagte: „Steht dein Sinn denn auf weiter nichts als Essen?
Das ziemt sich nicht.
Denn es heißt auch:
``Um seinen Freunden Nutzen zu schaffen und seinen Feinden zu schaden, begehrt der Weise des Königs Nähe; den Bauch allein füllt jedermann.´´
Und ferner:
``Durch wessen Leben viele leben, der lebt wahrhaftig in der Welt!´´
Füllen nicht mit ihrem Schnabel auch die Vögel ihre Bäuche?
Und so: Das rühmen die Kundigen als des Lebens wahrhaftige Frucht, wenn man - sei's auch einen Augenblick nur - von den Menschen gelobt lebt, mit der Erkenntnis herrlichen Gaben, der Tapferkeit und hohen Macht.
Denn nur lang lebt auch die Krähe und frißt, was ihr vorgeworfen wird.
Wer sich selbst nicht seinen Eltern, Verwandten, Armen oder seinen Dienern spendet, von welcher Frucht ist dessen Leben auf Erden?
Denn nur lang lebt auch die Krähe und frißt, was ihr vorgeworfen wird.
Leicht zu füllen sind kleine Flüßchen und leicht des Mäuschens Pfötchen auch; leicht zufrieden gemeine Menschen; mit kleinen Bißchen freuen sie sich.
Und ferner: Was nützt es, wenn ein solcher geboren wird und der Mutter die Jugend raubt, der nicht, wie eine Standarte, an seines Geschlechtes Spitze steht?
Welcher Mensch wird in der Wesen Kreisläufe nicht zur Welt gebracht?
Doch wahrhaft geboren ist einzig, wer an Segen reich hervorstrahlt.
Selbst des Schilfes Geburt am Ufer des Flusses ist glücklich zu preisen, wenn es dem Mann, dessen Sinne schwinden, im Untergehen zur Stütze dient.
Und so:
``Brave Männer, die standhaft und edel der Menschen Not lindern, sind so selten wie Wolken, die hoch und feucht und schattig sind.´´
Dann auch:
Der Mutter allerhöchste Ehre ist nach der Weisen Urteil, wenn sie eine Frucht trug, die selbst von Großen geehrt wird.
Und ein anderes: ``Der Starke, der seine Kraft nicht zeigt, der wird verachtet in der Welt. Denn das Feuer, so lange es im Holze wohnt, wird übersehen, wenn es nicht brennt.´´“
Karataka sagte:
„Wir sind jetzt beide ohne Amt.
Was geht uns also die Sache an?
Man sagt auch:
``Wer ohne Amt vor dem König unaufgefordert redet, der ist ein Tor: Nicht nur gewinnt er keine Ehre, sondern zieht sich Verachtung zu.´´
Und so:
Dort ist das Wort an seiner Stelle, wo das Gesagte Nutzen bringt, und für alle Zeiten haftet, gleichwie Farbe auf weißem Stoff.“
Damanaka sagte: „Bruder! sprich nicht so!
Man sagt auch: ``Wer ohne Ansehen ist, der gewinnt Ansehen, wenn er eifrig dem König dient. Wer aber angesehen ist und lässig im Dienst, der verliert sein Ansehen.´´
Und so:
``Wer in der Nähe weilt, an den hängt sich der König, sei er auch unwissend, niederen Stamms und unbekannt.´´
Denn Könige, Frauen und Schlinggewächse umschlingen, was ihnen zur Seite steht.
Und so: ``Die Diener, welche Mittel suchen, den Zorn zu beschwichtigen, besteigen mit der Zeit den König (wie ein Roß), schlüge er auch hinten und vorne aus.´´
Wissensbegabten, Hochherzigen, geschmückt mit Kunst und Tapferkeit und des Fürstendienstes Kundigen ist bei Fürsten die einzige Statt.
Wer sich an Fürsten nicht anschließt, die mächtig sind durch Geburt und sonst, dem ist Dürftigkeit zur Reue zugemessen bis zu seinem Tod.
Die Toren, welche angeben, daß Fürsten nicht zu lenken sind, verkünden ihre eigene Schwäche, Dummheit und Schwerfälligkeit.
Gibt's doch Mittel, wie man Elefanten, Schlangen, Tiger und Löwen zähmt!
Und ein König?! - Oh Kleinigkeit für einen Weisen, versäumt er nichts.
Der Weise, der sich auf einen König stützt, steigt zum höchsten Ort, denn außer auf des Malaya Gipfel wächst nirgendwo der Sandelbaum.
Weiße Sonnenschirme gibt es, Rosse, welche das Herz erfreuen, und muterfüllte Elefanten, sobald der König gnädig ist.“
Karataka sagte:
„Was beabsichtigst du denn nun zu tun?“
Jener antwortete:
„Unser Gebieter hier, Pingalaka mit Namen, ist samt seinem Gefolge in Angst.
Ich werde also, sobald ich zu ihm gegangen bin, den Grund der Angst erforschen und ihn durch Frieden oder Krieg, Abzug, Abwarten, Schutzbündnis oder Zweizüngigkeit wegräumen.“
Karataka fragte:
„Woher weißt du, daß unser Herr von Angst erfüllt ist?“
Jener antwortete:
„Was ist da zu fragen?
Sagt man doch:
``Was ausgesprochen wird, das begreift sogar ein Vieh; denn wenn sie angespornt wurden, ziehen Roß und Elefant. Der weise Mann versteht selbst Unausgesprochenes; denn des anderen Mienen zu erkennen ist der Weisheit Frucht. ´´
Durch Mienen und durch Andeutung, durch Stimme, Bewegung und Gang, durch des Auges und des Gesichts Wechsel wird erkannt, was im Herzen liegt.
So will ich ihm denn, nachdem ich ihn von Furcht erfüllt gesehen habe, seine Furcht nehmen, ihn dann durch die Macht meines Verstandes unterwerfen und so zu der mir gebührenden Ministerstelle gelangen.“
Karataka sagte:
„Du kennst ja die Natur des Fürstendienstes nicht.
Wie willst du ihn also dir unterwerfen können?“
Jener antwortete:
„Wie sollte ich des Fürstendienstes unkundig sein?
Habe ich doch in meines Großvaters Schoß spielend, dessen treffliche Gäste das Werk über Lebensweisheit deklamieren gehört und mir die Quintessenz des Fürstendienstes daraus ins Herz geschrieben.
Höre nur das Folgende: Drei Männer sind es, die gewinnen der Erde goldenen Blütenkranz: der Kriegsheld, der weise Mann und wer den Fürstendienst versteht.
- Dienst heißt, daß man des Fürsten Wohl will, besonders wohl zu reden weiß.
Durch diese Mittel gewinnt der Weise den König, nicht auf andere Art.
Wer Gaben nicht zu würdigen weiß, den bedient der Weise nicht; denn diesem entsprießt keine Frucht, wie schlechtem Land, selbst gut bebaut.
Hat einer ehrenwerte Gaben, dann diene ihm, fehlt ihm auch Gut und Macht; denn mit der Zeit wird von jenem dir der Unterhalt als Frucht zuteil.
Der Weise sitzt wie ein Baumstumpf, lieber verdorrend und notgequält, als daß er Unterhalt suchte, der ihm nicht angemessen ist.
Der Diener tadelt seinen Herrn, wenn er sich geizig oder grob beträgt.
Warum also nicht sich selbst, da er nicht weiß, wes Dienst man sucht und wessen nicht?
Ein Fürst, der seinem Gefolge gegen die Not keinen Schutz gewährt, den soll man meiden wie Arka (eine giftige Pflanze), auch wenn sie Blüten und Früchte trägt.
Des Königs Mutter und Gattin, den Kronprinzen, den ersten Rat, den Hauspriester und Türhüter behandle, wie den König selbst.
Wer bei Befehlen „Lebe hoch!“ ruft und trotz Wissen, was zu tun ist und was nicht, sie unbedenklich ausführt, der wird des Königs Liebling sein.
Wer von des Königs Gunst entstammte Schätze auf Würdiges verwendet, Kleider und Schmuck dem Leib anlegt, der wird des Königs Liebling sein.
Wer sich nicht mit des Harems Dienern, noch mit des eignen Königs Gemahlinnen in Rat einläßt, der wird des Königs Liebling sein.
Wem Spiel gleichwie des Todes Bote, Wein wie stärkstes Gift und des Königs Frauen wie Trugformen erscheinen, der wird des Königs Liebling sein.
Wer in den Schlachten stets vor ihm schreitet, zu Hause hinter ihm, im Harem an des Herren Tür steht, der wird des Königs Liebling sein.
Wer auf des Königs Wort keine widersprechende Antwort gibt und in seiner Nähe nicht laut lacht, der wird des Königs Liebling sein.
Wer nicht vom rechten Pfad weicht, selbst in der Not, und dabei denkt „Ich bin stets vom Könige geehrt worden!“, der wird des Königs Liebling sein.
Wer, was den König anwidert, immer im höchsten Grade haßt, und begünstigt, was ihm lieb ist, der wird des Königs Liebling sein.
Wer, frei von Furcht, das Schlachtfeld wie seine Wohnung, die Fremde wie die eigne Vaterstadt ansieht, der wird des Königs Liebling sein.
Wer mit des Königs Frauenzimmern nicht verkehrt und sich sowohl vor Tadel als Gezänk hütet, der wird des Königs Liebling sein.“
Karataka sprach:
„Aber, wenn du hinkommst, was wirst du denn zuerst sagen?
Laß doch einmal hören!“
Jener antwortete:
„Man sagt auch:
``Aus der Rede erwächst Rede, wenn einer mit dem andern spricht, gleichwie aus trefflich durchnäßtem Samen neuer Samen entsteht.´´
Und ferner: ``Die Weisen zeigen, wie die Lehren mit der Lebensweisheit verknüpft sind und gleichsam aus ihr hervorstrahlen, wie sich Mißgeschick durch Wahl des Schädlichen erzeugt, dagegen Glück durch Wahl des Nützlichen.´´
Bei einigen (zeigt sich die Weisheit) im Wort wie bei Papageien, bei anderen (ruht sie) im Herzen den Fischen gleich, bei andern (erscheint sie) im Wort und im Herzen; die Weisen bewegen sich anmutsvoll.“
Karataka sagte:
„Zu aller Zeit sind Könige so schwer zu erreichen wie die Berge.
In diesen sind Schlangen und bei jenen Schurken, uneben sind diese und jene ungerecht; aber beide sind hart und werden von Übelgesinnten aufgesucht.
Könige sind wie Schlangen bepanzert und voll Gier nach Lust, krumm und grausam, Freundesmörder, die man durch Sprüche bemeistert.
Und so: Doppelzüngig, Grausamkeit liebend, nach verderbenden Blößen spähend und aus weitester Ferne schon sehend, sind Könige den Schlangen gleich.
Diejenigen von des Herrn Freunden, die sich nur ein wenig vergehen, verbrennen sich selbst im Feuer, gleichwie törichte Lichtmotten.
Schwer zu erklimmen ist die von den Königen aller Welt verehrte Stätte; gleich dem Brahmanentum wird sie selbst durch kleinste Schuld befleckt.
Dafür bleibt des Königs schwer gewinnbare, erreichbare und haltbare Gunst lang bei dem, der vollkommen ist, wie das Wasser in einem befestigten Brunnen.“
Damanaka sagte:
„Das ist wahr! Aber auch: ``Man soll sich stets danach richten, wie die Natur von Jemand ist.´´
Denn wenn der Weise nachgiebig ist, gewinnt er rasch die Oberhand.
Des Herrn Gedanken willfahren, das ist der Untergebenen Tun.
Selbst der Geister wird man Meister, willfahrt man stets ihren Wünschen.
Beschwichtigung, wenn der Herr im Zorn ist!
Dem Liebe geben, der bei ihm beliebt!
Haß, wer ihm Feind!
Preis, seinen Gaben!
So folgt er ohne Zauberspruch.“
Karataka sagte:
„Wenn das dein Bestreben ist, so mögen deine Wege glücklich sein!
Möge geschehen, wie du es begehrst!“
Jener verneigte sich alsdann vor ihm und machte sich auf den Weg zu Pingalaka.
Als Pingalaka den Damanaka kommen sah, sagte er zum Türhüter:
„Entferne den Bambusstab!
Unserem alten Ministersohn Damanaka soll der Eintritt hier nicht verwehrt sein!
Er möge eingeführt werden und sich dem zweiten Kreise anschließen!“
Dieser antwortete:
„Wie der Herr befiehlt!“
Darauf schritt Damanaka herein, verbeugte sich vor Pingalaka und setzte sich auf den ihm angewiesenen Platz.
Pingalaka aber reichte ihm seine, mit Nägeln wie mit Donnerkeilen geschmückte rechte Hand, begrüßte ihn ehrenvoll und sprach:
„Du befindest dich doch Wohl?
Warum hast du dich so lange nicht sehen lassen?“
Und Damanaka antwortete:
„Königliche Majestät bedarf meiner ganz und gar nicht.
Du hast nur zu befehlen, sobald dir die Zeit angemessen scheint; denn Könige wissen Höchste, Mittlere und selbst Niedere stets zu verwenden.
Denn man sagt auch: ``Kann doch ein Fürst Hölzchen zum Zähnereinigen immer auch zum Ohrenkitzeln gebrauchen, geschweige denn Menschen mit Leib und Seele, mit Hand und Fuß, Rede und Rates kundig.´´
Auch sind wir Eurer Majestät angeerbte Diener.
Selbst im Mißgeschick werden wir Euch nachfolgen, sogar wenn wir unser Amt nicht besitzen.
- Dennoch ist dies für Eure Majestät nicht angemessen.
Man sagt auch: ``Diener und auch Schmuckstücke soll man an ihren passenden Platz stellen; kein Kronjuwel wird, weil es herrlich erstrahlt, an den Fuß gesteckt.´´
Wer Tugend nicht zu schätzen weiß, diesem König folgt kein Diener nach, auch wenn er an Schätzen reich ist, von hohem Haus und angestammt.
Und so: ``Aus drei Gründen verläßt der Dienstmann seinen Dienstherrn: wenn er mit Schlechten Umgang pflegt, von Guten nicht geachtet wird oder seine Stellung nicht erfüllen kann.´´
Und wenn der König aus Mangel an Unterscheidungsvermögen Diener, welche zu der höchsten Stellung passen, an die allerniedrigste Stelle setzt und diese da bleiben, so ist das kein Schimpf für diese, sondern für den König.
Man sagt auch:
``Wird ein Juwel, das in Goldschmuck zu strahlen verdient, in Zinn eingefaßt, dann jammert es nicht und verliert nicht an Glanz; doch der es eingefaßt hat, ist tadelnswert.´´
Und wenn der Herr sagt ‚Du hast dich lange nicht sehen lassen!‘, so höre auch dies.
Denn man sagt auch:
``Wo man keinen Unterschied kennt zwischen rechter und linker Hand, welcher würdige Verständige weilt da nur einen Augenblick?´´
Bei Leuten, welche nicht Glas und Diamant zu unterscheiden wissen, in deren Nähe bleibt niemand Diener auch nur dem Namen nach.
Wo keine Kenner sich im Lande finden, da gelten selbst die meergezeugten Perlen nichts: Verkaufen doch die Hirten im Lande der wilden Abhiras selbst den Mondstein nur für drei Muscheln.
Wo man nicht rotes Glas und Rubine zu unterscheiden weiß, wie wäre an solchem Ort jemals ein Handel mit Juwelen möglich?
Wenn der Herr ohne Unterschied alle Diener auf gleiche Art behandelt, dann erschlafft sicher die Lust der Tatbefähigten. Kein König ohne Dienstleute!
Ohne König kein Dienender!
Dieses gegenseitige Bedürfnis ist das Band, welches sie verknüpft.
So wenig die herrliche Sonne ohne lichtreiche Strahlen erglänzt, so wenig erglänzen die herrlichen Fürsten ohne ihr Gesinde, das der Welt dient.
Wie die Speichen die Nabe tragen und die Nabe die Speichen hält, so bewegt sich, einem Rad gleich, des Dieners und des Herren Tun.
Wie man die Haare auf dem Kopf stets mit Öl pflegt, damit sie nicht vorzeitig ergrauen, so pflegt man auch die Diener mit dem Öl der Liebe, damit sie ihrer Farbe nicht untreu werden.
Ein Fürst, der mit den Dienern zufrieden ist, gibt ihnen vor allem Ehre zum Lohn, und sie bringen für die bloße Ehre selbst ihr Leben zum Dank dar.
Dies beherzigend muß ein König zu seinem Dienst Kluge wählen, aus guter Familie, Heldenmütige, Starke und Treue, die ihm vererbt.
Wer etwas schwer zu Tuendes, dem König liebstes, gut vollbringt, und aus Demut doch kein Wort sagt, den hat der König gern zum Freund.
Wer ungerufen herbeieilt, stets an der Tür steht und befragt, mit wenig Worten die Wahrheit sagt, der ist Königen zu dienen wert.
Wer selbst ohne Königs Geheiß, wenn er eine Gefahr erblickt, sich um ihre Abwendung bemüht, der ist Königen zu dienen wert.
Wer geschlagen, hart angefahren, selbst bestraft von seinem Herrn, dennoch nicht auf Verrat sinnt, der ist Königen zu dienen wert.
Wer durch Ehre nicht aufgebläht wird, durch Vernachlässigung nicht gekränkt, sondern immer sich treu bleibt, der ist Königen zu dienen wert.
Wer nie durch Hunger gequält wird, nie durch Schlaflosigkeit, Kälte, Hitze und sonst etwas, der ist Königen zu dienen wert.
Wem, so wie er nur ein Wort von einem Krieg gegen den Feind seines Herrn hört, gleich das Antlitz sich aufheitert, der ist Königen zu dienen wert.
Der, unter dessen Amtsführung des Landes Umfang wie der Mond in seiner hellen Hälfte zunimmt, der ist Königen zu dienen wert.
Doch unter wessen Amtsführung, wie ein in Feuer gehaltenes Fell, der Umfang schrumpft, den Diener entlasse, wer nach Herrschaft strebt.
Aber nach wessen Amtsantritt man furchtlosen Sinnes ruhen kann, solch ein Diener sei dir gleich als wäre er deine zweite Frau!
Und wenn der Herr mich verachtet, indem er denkt ‚Er ist ein Schakal!‘, so ist auch das nicht angemessen.
Denn man sagt auch:
``Aus dem Wurme entsteht Seide, Gold aus Stein, Kusha-Gras aus den Haaren der Kühe, der Lotus aus dem Schlamm, der Mond aus dem Meer, aus Kuhmist das Nelumbium, Feuer aus Holz, aus der Schlange Haube der Edelstein, Rotschana-Salbe aus der Galle des Stiers: So erleuchten die Guten durch ihrer Tugend Aufgang auch trotz ihrer niederen Geburt.´´
Wie Arka-, Nala - und Erandasplitter, wenn auch in großer Zahl, nicht Holz ersetzen, so grade nützen niemals Unwissende.
Die Maus - obgleich im Haus geboren - wird getötet als schädlich Tier, doch die Katze wird als nützlich selbst von woanders her angekauft.
Was nützt ein Treuer, der nicht stark ist, was ein Starker, der bösgesinnt?
Mich, der ich treu und auch stark bin, mögest du, oh König! nicht verschmähen.“
Pingalaka sagte:
„Laß gut sein! Stark oder schwach, bist du doch unser alter Ministersohn.
Drum sprich unverzagt, was du irgend zu sagen wünschst!“
Darauf antworte Damanaka:
„Majestät! ich habe etwas vorzutragen.“
Und Pingalaka sprach:
„Tue kund, was du auf dem Herzen hast!“
Worauf jener antwortete:
„Man soll sogar Kleinigkeiten, beziehen sie sich auf den König, nicht vor dem ganzen Hof melden, das ist ein Satz von Vrihaspati (dem Lehrer der Götter).
Deshalb möge Majestät meinen Vortrag unter vier Augen hören.
Denn: ``Was sechs Ohren gehört haben, verrät sich, doch was nur vier, das bleibt geheim.´´
Drum halte ein Weiser sechs Ohren mit aller Sorgfalt fern vom Rat!
Man erzählt: Wenn der Bucklige dabei ist, dann wird der Bucklige zum König, und der König zum Bettler und Vagabund.“
Da fragte Pingalaka: „Wie war das?“, und Damanaka erzählte:
Der König, der durch unbedachte Rede seinen Leib verliert
Im nördlichen Gebiet gibt es eine Stadt namens Lilavati („an Vergnügung reich“).
Dort regierte ein König namens Mukunda („Edelstein“).
Da dieser einst vom Besuch seines Lusthains zurückkam, sah er mitten in der Stadt einen buckligen Possenreißer, welcher von einer Menge von Menschen umringt war und seine Possen zum Besten gab.
Er nahm ihn mit sich, behielt ihn bei sich, um sich über ihn lustig zu machen, und ließ ihn nie von seiner Seite.
Als nun der Minister den Buckligen beim König sitzen sah, während er ihm vertrauten Rat mitteilen wollte, sagte er:
„Oh König! Von den Weisen ist ausgesprochen: Was sechs Ohren gehört haben, verrät sich.“
Der König aber antwortete:
„Nicht, wenn der Bucklige dabei ist.“
Eines Tages trat ein Büßer in das königliche Gemach und setzte sich neben den König.
Der König, welcher wußte, daß er vieler Dinge kundig war, nahm ihn unter vier Augen und fragte ihn nach seinen Kenntnissen.
Er aber lehrte den König das Geheimnis, wie man in einen toten Körper fahren könne, und verschwand alsdann.
Indem der König sich die Formel dieser Totenbeschwörung einübte, lernte sie auch der Bucklige.
Einst war nun der König mit dem Buckligen auf die Jagd gegangen.
Da sah er in einem großen Dickicht einen Brahmanen liegen, welcher vor Durst gestorben war.
Da er nun den Versuch machen wollte, ob die Formel der Totenbeschwörung richtig wäre, so fragte er:
„Erinnerst du dich, Buckliger! der Totenbeschwörungsformel?“
Dieser aber, Böses im Sinn führend, antwortete trügerisch:
„Ich weiß nichts davon, oh König!“
Darauf ließ der König vom Buckligen sein Pferd halten, versenkte seinen Geist in tiefe Meditation und indem er den Zauberspruch geheimnisvoll hermurmelte, ließ er den eigenen Körper fahren und versetzte seine Seele in den Leichnam des Brahmanen.
In demselben Augenblicke wiederholte aber auch der Bucklige den Zauberspruch, fuhr mit seiner Seele in den leblos beiliegenden Körper des Königs, bestieg rasch dessen Pferd und sagte zu dem König:
„Jetzt werde ich die Königsherrschaft haben; du aber gehe, wohin du willst auf Erden!“
Nachdem er so gesprochen, spornte er sein Pferd zur Stadt, und im Palast angekommen ergriff er die Zügel der Herrschaft.
Der König aber, im Leibe des Brahmanen steckend, erinnerte sich der Worte seines greisen Ministers und klagte sich selbst an, indem er dachte:
„Oh weh! Was habe ich Unsinniger getan? Soll ich in die Stadt gehen und der Königin und dem greisen Minister sagen, was mir zugestoßen ist?
Doch nein! Das ist unangemessen, denn ich werde keinen Glauben bei ihnen finden. Sie werden sagen: Wer ist das? Oder: Was ist das für eine Gestalt?“
Indem er derartiges einander Widersprechendes überdachte, wandte er sich zu einem andern Weg.
Als aber der Bucklige, welcher des Königs Körper trug, unzutreffende Reden führte, rief die Königin nach einigen Tagen den greisen Minister und sprach:
„Oh Vater! Dies ist auf keinen Fall der König, denn er spricht unzutreffende Reden, die gar nicht zu den Fragen passen.“
Er verstand ihre Worte und sagte, daß er ein Mittel versuchen wolle, wodurch der König wiedergefunden werden würde.
Nachdem er sich von dem falschen König, dem früheren Buckligen nämlich, die Erlaubnis hatte geben lassen, begann er, an die bedürftigen Fremdlinge Speisen zu verteilen, wusch einem jeden derselben die Füße und rezitierte dabei diesen Halbvers:
„Was sechs Ohren gehört haben, verrät sich; aber nicht, wenn der Bucklige dabei ist.“ und fragte einen jeden nach dem andern Halbvers.
Als sich nun dieses Gerücht verbreitete und der König, welcher den Leib des Brahmanen trug, es hörte und alles sorglich überlegte, verließ er den Ort, wo er sich befand, und wanderte betrübt nach seiner eigenen Stadt, indem er dachte:
„Sicherlich hat dies meine Frau veranstaltet, um mich wiederzufinden.“
Nach einigen Tagen kam er am späten Abend in die Stadt zum Haus, wo die Speisen verteilt wurden.
Dort sagte er zu dem Minister, welcher anwesend war:
„Lieber! Ich bin ein Brahmane, der aus fernem Lande kommt. Da ich hungrig bin, so bin ich überzeugt, daß ich sogleich ein Mahl erhalten werde, obgleich es zur Unzeit ist.“
Der Minister, obwohl er schon nach Hause gehen wollte, blieb, da er sah, daß es ein Brahmane war, der von Hunger gequält ward, wusch ihm die Füße und rezitierte, wie gewöhnlich jenen Halbvers.
Der König aber, welcher in des Brahmanen Leib steckte, antwortete das Nachfolgende, nämlich den zweiten Halbvers:
„Der Bucklige wird zum König, und der König zum Bettler und Vagabund.“
Nachdem der Minister ihn weiter befragt und alles ihn Betreffende erfahren hatte, nahm er ihn voller Freude mit sich nach Hause, ehrte ihn, wie es sich geziemt, und sprach:
„Sieh nun, oh Herr! die Stärke meiner Weisheit! Ich werde dich wieder zum König machen, nachdem du deinen Körper wieder in Besitz genommen hast.“
Nachdem er so geredet, ging er sogleich zu der Königin.
Diese fand er, einen toten Papagei in den Armen haltend und darüber jammernd.
Darauf sprach er zu ihr:
„Das ist eine schöne Vorbedeutung, oh Herrin! Denn dieser Papagei wird uns als Mittel dienen, unseren Zweck zu erreichen. Rufe den falschen König und sage ihm:
"Gibt es einen Zauberer in dieser Stadt, welcher bewirken kann, daß dieser Papagei ein einziges Wort nur spricht?"
Wenn du dieses sagst, so wird jener, stolz auf seine Wissenschaft der Totenbeschwörung, sich damit brüsten wollen und aus dem königlichen Leib in den des Papageien fahren.
In demselben Augenblicke wird der König, hinter mir stehend, sich in seinen eignen Körper versetzen und seine königliche Herrschaft wieder erlangen.“
Und nachdem so geschehen war, brachte der Minister den Papagei, welchen der Bucklige belebt hatte, um.
- Darum habe ich früher gesagt:
„Was sechs Ohren gehört haben, verrät sich. Wenn der Bucklige dabei ist, dann wird der Bucklige zum König, und der König zum Bettler und Vagabund.“

Darauf zogen sich sämtliche Tiere, den Tiger, Leoparden und Wolf an der Spitze, nachdem sie in der Versammlung diese Worte gehört und Pingalakas Absicht erkannt hatten, sogleich zurück.
Alsdann fragte Damanaka:
„Warum hat der Herr, nachdem er sich aufgemacht hatte, um Wasser zu trinken, sich umgewandt und ist hier stehen geblieben?“
Pingalaka antwortete mit einem verschämten Lächeln:
„Es ist gar nichts!“
Doch jener sagte:
„Majestät, wenn du es nicht sagen willst, so möge es ruhen! Man sagt auch:
``Der Frau ist manches, manches ist auch den Freunden oder den eigenen Söhnen zu verbergen, und nach reiflicher Überlegung, ob es passend ist oder nicht, sagt es der Weise nur, wo er großes Vertrauen hegt.´´“
Als er dieses hörte, dachte Pingalaka:
„Er scheint Vertrauen zu verdienen, drum will ich ihm sagen, was ich vorhabe. Man sagt auch: ``Wer einem unzweideutigen Freund, einem tugendhaften Knecht, einer treuergebenen Gattin oder einem wohlgesinnten Herrn seinen Kummer klagt, wird froh.´´“
Und so sprach er:
„Ach, Damanaka! hörst du das starke Gebrüll aus der Ferne?“
Dieser antwortete:
„Ja, Herr! Was weiter?“
Pingalaka sagte:
„Lieber! ich will weg aus diesem Wald.“
Damanaka fragte:
„Aus welchem Grund?“
Pingalaka antwortete:
„Weil jetzt irgendein ungeheures Tier in unseren Wald gekommen ist. Da seine Stimme so gewaltig ist, so muß es notwendig eine Kraft haben, die dieser Stimme entspricht.“
Damanaka sagte:
„Es ziemt sich nicht, daß der Herr vor einem bloßen Ton in Furcht gerät. Denn es heißt auch: ``Die Brücke wird vom Wasser gebrochen, ein Zauber bricht, bleibt er nicht geheim, Liebe aber bricht durch Heimtücke und der Ängstliche durch Töne.´´
Drum schickt es sich nicht für den Herrn, den von seinen Vorgängern eroberten Wald aufzugeben.
Dieweil es mancherlei Töne gibt, wie die der Pauke, des Rohrs, der Laute, der Trommel, der Zimbel, der Kesselpauke, der Muschel, der dicken Trommel und anderer, so darf man sich nicht vor einem bloßen Ton fürchten.
Man sagt auch: ``Wer nicht den Mut verliert, wenn sich als Feind selbst ein äußerst mächtiger und furchtbarer König naht, der geht nimmermehr zugrunde.´´
Selbst wenn der Schöpfer Schrecknisse zeigt, entsinkt dem Helden nicht der Mut; wenn vor Hitze die Teiche trocknen, dann lernt man erst den Ozean kennen.
Und so:
``Der im Unglück nicht betrübt wird, nicht stolz im Glück oder mutlos im Kampf, solch einen Sohn, der Welt Zierde, bringt selten eine Frau zur Welt. Menschen, die ohne Ehrgefühl sind, teilen das gleiche Los wie Grashalme: Sie beugen sich aus Mangel an Kraft und innerer Stärke.´´
Und auch:
``Was in der Feuerprüfung sich nicht als echt erweist, was nützt das schöngoldene Aussehen, einem lackierten Armband gleich?´´
Dieses möge der Herr beherzigen und seinen Mut zusammennehmen.
Man darf sich nicht vor einem bloßen Ton fürchten.
Denn man erzählt auch:
Erst habe ich gedacht, dieses wäre ganz von Fleisch angefüllt, doch eingedrungen sehe ich nun, daß es nichts als Fell und Holz ist.“
Da fragte Pingalaka:
„Wie war das?“, und jener erzählte:
Der Schakal und die Pauke
In einem gewissen Lande irrte ein Schakal namens Gomayu („Schakal“) mit vor Hunger abgezehrter Kehle hier und dort im Wald umher und sah das Schlachtfeld zweier Heere.
Dort hörte er den Ton einer Pauke, welche dort lag und von den Spitzen einiger vom Winde bewegter Baumzweige geschlagen ward.
Da dachte er mit Schrecken im Herzen „Oh weh! ich bin verloren! Ich will anderswohin gehen, ehe ich noch in den Gesichtskreis dieses brüllenden Tieres gerate.
Doch nein! Es ziemt sich nicht den von den Vätern ererbten Wald urplötzlich aufzugeben.
Man sagt auch: ``Wer bei Schrecken und bei Freude zuerst sorgfältig untersucht und nimmer übereilt handelt, der hat später nichts zu bereuen.´´
Darum will ich erst sehen, von wem dieser Ton ausgeht!“
So faßte er Mut und untersuchte.
Wie er sich nun Schritt für Schritt näherte, sah er die Pauke.
Wenn sie vermittelst des Windes von den Spitzen der Zweige bewegt wurde, dann tönte sie, sonst war sie still.
Nachdem er sie genau betrachtet hatte, ging er nah und schlug selbst vergnügt darauf.
Doch weiter dachte er voller Freude: „Es ist lange her, daß mir ein so großes Fressen zugefallen ist!
Das (tote Tier) wird sicherlich voll von Fleisch, Mark und Blut sein!“
Nachdem er darauf die aus hartem Fell bestehende Decke mit Mühe zerbissen, an einer Stelle ein Loch gemacht und sich sogar eine Zahn abgebrochen hatte, drang er hinein.
Da er nun sah, daß es nur aus Holz und Fell bestand, verlor er alle Hoffnung und sagte jene Strophe her:
„Erst habe ich gedacht, dieses wäre ganz von Fleisch angefüllt, doch eingedrungen sehe ich nun, daß es nichts als Fell und Holz ist. Daher darf man sich nicht vor einem bloßen Ton fürchten.“

Pingalaka sagte: „Ach! sieh doch! Mein ganzes Gefolge ist ganz außer sich vor Furcht und will auf und davon laufen. Wie soll ich da festen Mut fassen?“
Und jener antwortete:
„Herr! das ist nicht ihre Schuld. Diener werden ihrem Herrn ähnlich.
Man sagt auch: ``Roß und Waffen, Lehre und Rede, Zither, Männer und auch Weiber werden je nach ihrem Meister brauchbar oder auch unbrauchbar.´´
Fasse also Mut und bleib hier so lange, bis ich das Wesen dieses Tones erkannt habe und wieder zurück bin.
Nachher alsdann möge den Umständen gemäß gehandelt werden.“
Da fragte Pingalaka:
„Hast du Mut genug, dahin zu gehen?“
Und jener antwortete:
„Was gibt‘s, was nicht ein braver Dienstmann auf seines Herrn Befehl tun oder lassen müßte?
Man sagt auch: ``Ein guter Diener kennt keine Furcht, sobald ihm sein Herr befiehlt.´´
Er stürzt sich sogar ins Feuer oder in das grenzenlose Meer.
Und so: ``Ein Diener, der wenn sein König befiehlt, erst überlegt, ob das Gebot leicht oder schwer ist, den verschmähe ein Herrscher, der nach Größe strebt.´´“
Pingalaka sagte:
„Lieber! Wenn dem so ist, so gehe.
Deine Wege mögen glücklich sein!“
Damanaka dagegen, nachdem er sich vor ihm verbeugt hatte, machte sich auf den Weg, indem er dem Gebrüll des Sanjivaka nachging.
Nachdem sich Damanaka aber entfernt hatte, dachte Pingalaka von Furcht bewegt:
„Ach! ich habe nicht gut daran getan, daß ich zu ihm Zutrauen faßte und ihm meine Gedanken kundgab.
Dieser Damanaka nimmt vielleicht von beiden Parteien Sold und führt gegen mich Schlechtes im Sinn, weil er sein Amt verloren hat.
Man sagt auch: ``Diejenigen, die der Herr schmäht, nachdem er sie zuerst geehrt hatte, die trachten stets danach, ihn zu stürzen, selbst wenn sie von edlem Hause sind.
Drum will ich, bis ich seine Absichten kenne, mich nach einem andern Ort verfügen und ihn da erwarten.
Vielleicht kehrt Damanaka mit jenem zurück, um mich umzubringen.
Denn man sagt auch:
``Selbst Schwache, wenn sie nicht vertrauen, werden von Starken nicht besiegt, aber Starke, wenn sie vertrauen, werden von Schwachen selbst besiegt.´´
Nicht einmal auf Vrihaspatis Treue (dem Lehrer der Götter) setzt ein weiser Mann Vertrauen, welcher Gedeihen für sich wünschet und langes Leben und Genuß.
Auf einen Feind ist kein Verlaß, gelobt er Frieden eidlich auch; denn als Vritra nach dem Reich strebte, schlug ihn Indra mit einem Schwur.
Ohne Vertrauen erliegt wahrlich sogar der Feind der Götter nicht; und weil er vertraute, ward Ditis Sohn (Vritra) vom Götterherrn zerschmettert.“
Nachdem er so überlegt hatte, ging er nach einem andern Ort und blieb da allein, indem er Damanakas Weg beobachtete.
Damanaka dagegen ging in die Nähe des Sanjivaka, und als er sah, daß es ein Stier war, dachte er mit erfreutem Herzen:
„Aha, das hat sich gut getroffen! Denn dadurch, daß ich jenen mit diesem befreunde oder verfeinde, wird Pingalaka unter meine Herrschaft geraten.
Denn man sagt auch:
``Trotz ihrer Freundschaft und Tugend folgt ein König der Räte Wort nicht eher, als er in Leiden versinkt und in Mißgeschick.
´´ Ein König der in Unglück fiel, ist ein Fressen für seinen Rat; darum wünschen auch Staatsräte, daß den König ein Unfall trifft.
Wie ein Gesunder niemals, auch selbst nach dem besten Arzt begehrt, so verlanget auch nie ein König nach seinen Räten, welcher frei von Not ist.“
Unter diesen Gedanken machte er sich auf den Weg zu Pingalaka.
Pingalaka aber, da er ihn herankommen sah, verzog keine Miene und veränderte seine Stellung nicht.
Damanaka, nachdem er sich ihm genähert hatte, verbeugte sich vor ihm und setzte sich nieder.
Pingalaka sprach:
„Lieber, hast du das Geschöpf gesehen?“
Damanaka antwortete:
„Mit des Herrn gnädiger Erlaubnis: ja!“
Pingalaka sagte:
„Ist das auch wahr?“
Damanaka antwortete:
„Ist es möglich, vor Eurer Majestät eine Unwahrheit zu sagen?
Man sagt auch: ``Wer auch nur eine ganz kleine Unwahrheit vor den Königen und Göttern spricht, dem droht rasches Verderben, wäre er auch noch so groß.´´
Und so:
``Sämtlicher Götter Abbild ist der Gebieter, wie Manu lehrt. Drum soll man vor ihm zu jeder Zeit ohne Betrug wie vor Gott selbst stehen. Der Fürst, der Götter Abbild zwar, ist darin doch unterschiedlich: Von ihm kommt Glück und Unglück sogleich, von den Göttern erst in der kommenden Welt.´´“
Pingalaka sagte:
„So wirst du es denn also wirklich gesehen haben! Es dachte wohl «Ein Großer zürnt einem Kleinen nicht.» und hat dich deshalb verschont.
Man sagt ja: ``Den schwachen Halm, welcher sich aller Orten beugt, entwurzelt nie des Sturms Gewalt. Sie schmettert nur den hohen Baum nieder, denn der Gewaltige begehrt Kampf einzig mit dem Gewaltigen.´´
Und so:
``Selbst der gewaltige Elefant gerät nicht in Zorn, wenn die Biene, trunken umherirrend, begierig nach dem Saft, der aus seinen Schläfen trieft, ihn mit ihren Füßchen tritt. Aber gegen gleiche Stärke erzürnt sich der Starke gewaltig.´´“
Damanaka sagte:
„So ist es: Jenes ist mächtig, ich bin schwach. Trotzdem bin ich bereit, wenn der Herr befiehlt, es zu deinem Diener zu machen.“
Da sprach Pingalaka seufzend:
„Vermagst du das zu tun?“
Und Damanaka antwortete:
„Was ist für den Verstand unmöglich?
Man sagt ja:
``Nicht durch Waffen, Elefanten, Rosse oder Heere wird etwas so zu Stand gebracht, wie es der Verstand zustande bringt.´´“
Pingalaka sagte:
„Wenn dem so ist, so erhebe ich dich zum Amt des Ministers. Von jetzt an ist beschlossen, daß ich weder Gunst noch Strafe oder Ähnliches ohne dich verhänge. Deswegen gehe rasch und bewirke, daß er sich mir unterwirft!“
Damanaka antwortete
„So sei es, gut!“, verbeugte sich, ging wieder zu Sanjivaka und sagte verächtlich:
„Komm, komm! du schlechter Stier, Pingalaka fordert dich vor sich! Warum brüllst du in einem fort für nichts und wider nichts, da dir doch keine Gefahr droht?“
Sanjivaka, nachdem er dies gehört, sprach:
„Lieber! wer ist dieser Pingalaka?“
Da antwortete Damanaka voll Erstaunen:
„Wie? Kennst du gar den König Pingalaka nicht? Warte nur, du wirst ihn augenblicklich durch die Folgen kennenlernen!
Steht er nicht da, der gewaltige Löwe, Pingalaka mit Namen, von allem Wild umgeben, im Kreise, in der Nähe des Feigenbaums, das Herz von Stolz gehoben, der Gebieter, reich an den höchsten Tugenden?!“
Nachdem er dies gehört, hielt Sanjivaka sein Leben für verloren und sank in tiefe Betrübnis.
Dann sprach er:
„Lieber! du scheinst ein gutes Herz zu haben und der Rede kundig zu sein. Wenn du mich notwendig hinführen mußt, so erwirke mir von seiten des Königs die Gnade, daß er mir mein Leben verbürgt.“
Damanaka sprach:
„Was du sagst, ist wahr. Es ist eine Regel der Lebensweisheit.
Es heißt ja:
``Der Erde Ende ist erreichbar, auch das Ende des Meeres und der Berge, doch die Gedanken eines Königs nimmer und nirgends von keinem je.´´
Drum bleib du hier, bis ich ihn durch einen Eid verpflichtet habe. Nachher werde ich dich dorthin führen.“
Nachdem dies geschehen, ging Damanaka zu Pingalaka und sagte:
„Oh Herr, dies ist kein gewöhnliches Tier! Es ist der Stier, welcher den erhabenen Shiva trägt.
Und als ich ihn fragte, sagte er Folgendes: «Der hohe Herr hat mich, um mir seine vollständige Zufriedenheit zu bezeigen, angewiesen, die trefflichen Kräuter am Ufer der Yamuna zu fressen. Mit einem Wort: Dieser Wald ist mir vom Erhabenen zum Spielen geschenkt.»“
Da sprach Pingalaka:
„Jetzt erkenne ich den wahren Sachverhalt: Nicht ohne Gottes Gnade irren Grasfresser in einem solchen von Raubtieren angefüllten Walde furchtlos brüllend umher! Was hast du alsdann erwidert?“
Damanaka sagte:
„Herr! ich habe Folgendes erwidert:
Dieser Wald ist das Eigentum meines Gebieters, des Löwen Pingalaka mit Namen, welcher der Träger der Chandika (der Frau von Shiva) ist.
Du, der du hierhergekommen, bist ihm ein lieber Gast. Darum geh zu ihm hin!
Ihr sollt in brüderlicher Liebe zusammen essen, trinken und euch am selben Ort vergnügend die Zeit vertreiben.
Darauf war er dies alles zufrieden und sagte:
«Bewirke, daß der König mir durch einen Handschlag Sicherheit verbürgt!»
Jetzt hat nun der Herr zu befehlen.“
Nachdem er dies gehört, sprach Pingalaka voll Freude:
„Schön, du Verständiger! Schön, du Muster von einem Minister! Trefflich, du hast mir ganz aus dem Herzen gesprochen.
Hier hast du meine Hand als Bürge für seine Sicherheit! Aber verlange dieselbe Versicherung auch für mich von ihm und führe ihn dann so schnell als möglich hierher.
Mit Recht sagt man aber auch:
``Nähte (bzw. Bündnisse) von vortrefflichem Mark, gerade, feste und wohlgeprüfte, die sind des Königtums Stützen, wie solche Pfeiler des Palasts. Wo Zwieträchtiges zu versöhnen ist, da zeigt sich des Politikers Kunst, wie des Arztes Kunst bei Lebensgefahr: Steht alles gut ist jeder klug.´´“
Damanaka verbeugte sich nun, machte sich auf den Weg zu Sanjivaka und dachte voller Freude:
„Aha, der Herr zeigt uns ein gnädiges Gesicht und handelt ganz nach unserm Willen. So ist denn keiner glücklicher als ich.
Man sagt auch:
``Nektar ist die Wärme in der Kälte, Nektar ist des Geliebten Blick, Nektar die Gunst des Erdherrschers und Nektar ist die Freundschaft des Redlichen.´´“
Nachdem er darauf zu Sanjivaka gekommen war, sagte er freundlich:
„Lieber Freund! Ich habe den Herrn zu deinen Gunsten gnädig gestimmt und bewirkt, daß er dir Sicherheit verspricht.
Drum gehe ohne Zagen! Nachdem du aber des Königs Gunst erlangt hast, mußt du in Übereinstimmung mit mir handeln: Du darfst nicht stolz werden und nicht eigenmächtig verfahren.
Auch ich werde, sobald ich mein Ministeramt angetreten habe, in Übereinstimmung mit dir die ganze Last der Regierung tragen.
Wenn wir so verfahren, werden wir alle beide das Glück der Herrschaft genießen.
Denn: ``Der Erde Fülle fällt Männern nach Jägerrecht in die Hände: Der eine hetzt das Wild, der andere schlägt es tot.´´
Und so: ``Wer aus Übermut nicht Hohe, Niedere und Mittlere ehrt - und genoß er auch fürstliche Ehren - der fällt wie Dantila.´´“
Da fragte Sanjivaka:
„Wie war das?“, und jener erzählte:
Dantila und der Schloßfeger
Hier auf dem Erdboden liegt eine große Stadt mit Namen Vardhamana.
Da wohnte ein reicher Kaufherr, Vorsteher der ganzen Stadt, namens Dantila.
Während dieser die Geschäfte der Stadt und des Königs besorgte, waren sämtliche Einwohner dieser Stadt und der König überaus zufrieden. Wozu viele Worte?
Ein Mensch, so geschickt wie dieser, ward nie wieder gesehen noch gehört.
Sagt man doch mit Recht:
``Wer des Königs Vorteil dient, zieht sich des Volkes Haß zu; doch wer des Landes Vorteil dient, der verliert des Königs Gunst.´´
Da ein solcher unvereinbar großer Widerspruch hier herrscht, ist ein Mann, der Fürst und Land gleichmäßig dient, ein seltener Schatz.
Indem er sich nun in dieser Lage befand, fand einst in seinem Hause eine Hochzeit statt.
Da wurden von ihm alle Bewohner der Stadt und die Leute aus des Königs Umgebung ehrenvoll eingeladen, gespeist und mit Kleidern und ähnlichem beehrt.
Nach der Hochzeit wurde der König samt seines nächsten Gefolges in das Haus geführt und hochgeehrt.
Dieser König hatte aber einen Palastreiniger, namens Gorambha („wie ein Stier brüllend“).
Der war mit ihm ins Haus gekommen und hatte sich über des Königs Hauspriester auf einem für ihn unangemessenen Platz niedergelassen.
Da wurde er verächtlich am Hals gepackt und hinausgeworfen.
Seit dieser Zeit seufzte er über diesen Schimpf und fand selbst in der Nacht keinen Schlaf mehr.
Er überlegte:
„Wie kann ich diesen Kaufmann um des Königs Gunst bringen? Und wenn nicht? Warum lasse ich meinen Körper umsonst so abmagern, wenn ich es ihn gar nicht entgelten lassen kann?
Sagt man ja doch mit Recht:
``Wozu ereifert sich ein Mann übermäßig, der sich doch nicht rächen kann? Die Erbse, springt sie auch noch so hoch, bricht doch die Pfanne nicht entzwei.´´“
Als nun der König um Tagesanbruch in tiefe Meditation (Andacht) versunken war und jener neben dem Bette reinigte, sprach er:
„Ha, diese entsetzliche Frechheit des Dantila, daß er des Königs Gemahlin umarmt!“
Der König hörte es, sprang eilig auf und sagte:
„He, he, Gorambha! Ist das wahr, was du gesagt hast? Hat Dantila die Königin umarmt?“
Gorambha antwortete:
„Ich habe die ganze Nacht beim Spiel durchwacht, und so hat mich, obgleich mit Reinigen beschäftigt, wider Willen der Schlaf beschlichen.
Daher weiß ich nicht, was ich gesagt habe.“
Da sprach der König voll Eifersucht für sich:
„Dieser hat ja ungehinderten Zutritt in mein Haus und so auch Dantila.
Daher kann er vielleicht einmal gesehen haben, wie der die Königin umarmte und hat deswegen dies gesprochen.
Denn man sagt auch:
``Was die Menschen bei Tag wünschen, was sie sehen oder was sie tun, so sprechen und handeln sie aus Gewohnheit auch im Schlaf. Und so: Was Gutes oder was Böses in den Herzen der Menschen ruht, und wäre es auch noch so heimlich, in Rausch und Traum wird's ausgeschwatzt.´´
Was aber die Frauen anbetrifft, wie kann da auch nur ein Zweifel bestehen?
Man sagt ja:
``Mit einem unterhalten sie sich, dem andern werfen sie Blicke zu, den dritten tragen sie im Herzen: Wer in aller Welt ist von Frauen wirklich geliebt?´´
Und auch:
``Mit einem sprechen sie reich an Worten, die roten Lippen von Lächeln erfüllt, den andern blicken sie mit Augen an, wie ein aufblühender Lotus strahlend und weit, den dritten denken sie im Herzen, vielfach bewegt, von Sitte fern: Wodurch steckt so die Schönäugige voll Liebe im höchsten und weitesten Sinn?
Feuer wird nicht satt der Späne, alle Flüsse sättigen nicht den Ozean, alle Wesen nicht den Todesgott und die Männer nicht die Schönäugige. Nur wenn Heimlichkeit, Gelegenheit und ein Mann fehlt, der sie begehrt, dann, oh Narada! wird Keuschheit auch in der Weiber Brust wohnen.´´
Und so:
``Welcher Narr sich betört einspricht „Meine Geliebte liebt mich!“, der muß stets wie ein Spielvogel im Käfig, nach ihrem Willen tun.´´
Wer ihre Worte und Werke - wenn noch so wenig oder viel - ausführt, der zieht durch sein Treiben sich in der Welt Verachtung zu.
Wer Verlangen dem Weib kundgibt, sich ihm nähert und ihm auch nur die kleinste Höflichkeit zeigt, nach dem begehrt auch das Weib.
Nur die Furcht vor der Umgebung und Mangel an Begehrenden ist der zuchtlosen Weiber einzige Zucht zu aller Zeit.
Keinen gibt's, den sie verschmähen, selbst das Alter hält sie nicht ab.
Einerlei, ob schön ob häßlich, ist es nur ein Mann, dann lieben sie ihn.
Den Liebhaber verbrauchen die Weiber gleichwie einen Unterrock, um die Hüfte geschlungen zerreiben sich beide, der hängend an Schönheit, der andre am Band.
Ein Verliebter sowie rote Schildläuse (woraus rote Farbe gewonnen wurde), die werden gleich weggeworfen, sobald das zarte Weib sie kräftig ausgepreßt hat.“
Nachdem der König in dieser Weise vielfache Klagen ausgestoßen hatte, entzog er von dieser Zeit an dem Dantila seine Gunst.
Um es kurz zu machen: Es wurde ihm sogar der Eintritt in des Königs Tor versagt.
Dantila aber, da er sah, daß er ohne alle Veranlassung die Gunst des Königs der Erde eingebüßt hatte, dachte:
„Ach! mit Recht heißt es auch:
``Welcher Reiche bläht sich nicht auf? Wes Sinnlichen Leiden enden je? Wem ist auf Erden von Weibern nicht das Herz gebrochen? Wen liebt ein Fürst? Wer fällt nicht in des Todes Gewalt? Welcher Dürftige kam zu Ansehen? Und wer, in die Netze des Bösen gefallen, kam je mit heiler Haut davon?´´
Und so:
``Ehrlichkeit bei Krähen, Wahrheit bei Spielern, Sanftmut in Schlangen, Liebessättigung bei Weibern, Mut beim Eunuchen, Überlegung beim Trunkenbold oder einen Fürst, der zugleich ein Freund ist: Wer hat das je gesehen noch gehört?´´
Übrigens habe ich weder diesem Fürsten noch sonst irgend jemand auch nur im Schlaf etwas zuleide getan.
Was bedeutet das nun, daß der König sich von mir abgewendet hat?“
Als nun der Schloßfeger einst sah, wie Dantila auf diese Weise von des Königs Tor abgewiesen ward, sagte er spottend zu den königlichen Torhütern:
„He, he, ihr Torhüter! Dieser Dantila steht hoch in des Königs Gunst und verhängt aus eigner Machtvollkommenheit Strafe und Belohnung.
Wie ich, so werdet auch ihr von ihm, weil ihr ihn abweist, am Hals gepackt werden.“
Da Dantila dieses hörte, dachte er:
„Das ist sicher das Werk von diesem! Sagt man ja doch mit Recht:
``Ein Gemeiner, ja selbst ein Tor, wird aller Orten hochgeehrt, sobald er in des Königs Dienst steht, auch wenn nicht in hohen Würden. Ein Mensch, der in des Fürsten Dienst steht, auch wenn er unwürdig und feige ist, wird doch trotzdem von Niemanden mit Verächtlichkeit behandelt.´´“
Nachdem er so geklagt, ging er mit beschämtem Herzen voller Angst nach Hause, ließ gegen Nachtwerden Gorambha rufen, beehrte ihn mit einem Paar Gewändern und sagte ihm Folgendes:
„Lieber! Nicht aus Feindschaft habe ich dich damals aus dem Hause bringen lassen.
Weil du dich über den Brahmanen an einem unpassenden Platz niederließt, bist du beleidigt worden. Verzeih es mir!“
Dieser aber, dem das Paar Kleider vorkam, als wäre es das Himmelreich, wurde überaus erfreut und sagte:
„Oh Kaufherr! dir ist verziehen. Zum Dank für diese Ehre sollst du die Macht meines Verstandes und des Königs Gunst kennenlernen.“
Nachdem er dies gesagt, ging er voller Freude weg.
Mit Recht sagt man:
``Durch eine Kleinigkeit steigt es und durch eine Kleinigkeit sinkt es: Ach! wie sehr ist des Gemeinen Denken dem Waagebalken gleich.´´
Nachdem Gorambha am folgenden Tag darauf zu Hofe gegangen war, besorgte er das Reinigen, während der König in tiefe Meditation versunken war und sprach dabei Folgendes:
„Ach! welcher Unverstand von unserem König, daß er, während er seine Notdurft verrichtet, Gurken ißt!“
Der König hörte dies, stand voll Erstaunen auf und sagte:
„He, he, Gorambha! was für ungebührliche Dinge sprichst du da?
Nur weil ich denke, daß du ein Hausdiener bist, laß ich dich am Leben. Hast du mich jemals etwas Derartiges tun sehen?“
Jener antwortete:
„Ich habe beim Spiel die ganze Nacht durchwacht und so hat mich, obgleich ich mit Reinigen beschäftigt bin, wider Willen der Schlaf beschlichen.
Von diesem überwältigt weiß ich nicht, was ich gesagt habe.
Drum möge der Herr mir Gnade schenken, da ich in der Gewalt des Schlafes war.“
Nachdem er dies gehört, dachte der König:
„Ich habe doch in meinem ganzen Leben während ich meine Notdurft verrichtete noch nie das kleinste Gürkchen gegessen!
So wie nun diese Handlung, die mir jener Narr nachgesagt, nicht wahr ist, so ist es sicher auch mit der von Dantila!
Darum habe ich nicht recht getan, daß ich dem Armen meine Gunst entzog.
Solchen Leuten darf man solche Dinge niemals glauben! Wenn er irrt, dann gehen alle Angelegenheiten sowohl des Königs als der Stadtbewohner aus den Fugen.“
Nachdem er in dieser Weise mehrfach überlegt hatte, ließ er den Dantila rufen, ihm seines eigenen Leibes Schmucksachen und Gewänder anlegen und übergab ihm die oberste Aufsicht.
Daher sage ich:
„Wer aus Übermut nicht Hohe, Niedere und Mittlere ehrt - und genösse er auch fürstliche Ehren - der fällt wie Dantila.“
Sanjivaka sagte:
„Lieber, was du gesagt hast, ist wahr! So möge es denn gerade so gehalten werden!“
Nach diesen Worten ging Damanaka mit ihm zu Pingalaka und sagte:
„Oh Herr! Hier ist Sanjivaka, von mir hierher geführt. Majestät haben nun zu befehlen!“
Sanjivaka seinerseits verbeugte sich ehrfurchtsvoll und stellte sich voll Bescheidenheit ihm gegenüber.
Pingalaka aber reichte seine mit Nägeln wie Donnerkeilen geschmückte rechte Hand dem mit fettem und großem Buckel versehenen Stier und sprach, indem er ihn ehrenvoll begrüßte:
„Befindest du dich wohl? Woher bist du in diesen menschenleeren Wald gekommen?“
Jener erzählte ihm seine ganze Geschichte, die Art und Weise wie er vom Händler Vardhamanaka getrennt ward.
Nachdem Pingalaka dies gehört, sagte er:
„Freund, fürchte dich nicht! Wohne nach Belieben in diesem von meinem Arm geschützten Wald!
Im übrigen mußt du dich stets in meiner Nähe vergnügen, denn dieser Wald ist voll von vielen Gefahren, von vielen schrecklichen Tieren bewohnt und bietet selbst großen Tieren, die sich von Kräutern ernähren, keinen sichern Aufenthalt.“
Nachdem er so gesprochen, ging der König des Wildes zum Ufer der Yamuna herab, trank und badete nach Lust, und ging dann wieder in den Wald, nach Gutdünken umherwandelnd.
Und nachdem er darauf die Last der Regierung dem Karataka und Damanaka anvertraut hatte, gab er sich dem Genuß der schönen Unterhaltung und Gesellschaft mit Sanjivaka hin.
Durch Sanjivaka aber, welcher sich durch mancherlei Wissenschaften eine hohe Verstandesbildung erworben hatte, wurde schon in wenigen Tagen sogar der stumpfsinnige Pingalaka verständig gemacht.
So ließ er ab vom wilden Leben und gewöhnte sich an gesittete Lebensweisen.
Um es kurz zu machen: Tag für Tag pflegten Pingalaka und Sanjivaka allein im Geheimen miteinander Rat, und sämtliches übrige Gefolge stand in der Ferne; selbst die beiden Schakale konnten keinen Zutritt mehr erlangen.
Und da nun außerdem der Löwe seine Stärke nicht gebrauchte, so wurden das gesamte Volk des Wildes und diese beiden Schakale von Hunger und Leid geplagt.
Sie zogen sich daher nach einer und derselben Gegend zurück und blieben da.
Denn man sagt auch:
``Einen König, der keine Ehrfurcht hervorruft - wenn er auch hohen Geschlechts und edel ist - verläßt der Diener, gleichwie Vögel dürre Bäume, und geht davon. Und so: Auch Diener, die der Herr ehrte, die guten Hauses sind und treu, verlassen einen Erdenherrscher, wenn er sie Mangel leiden läßt.´´
Ferner: ``Wenn ein König nie in Rückstand mit seiner Diener Unterhalt ist, dann verlassen sie ihn niemals, selbst wenn er sie beleidigt.´´
Und so verhält es sich nicht bloß mit den Dienern, vielmehr steht sogar die ganze Welt um der Nahrung willen durch Freundlichkeit und die übrigen Mittel (der königlichen Regierung, nämlich Versöhnung, Belobigung, Trennung und Strenge) in gegenseitiger Verbindung.
Denn: Die Fürsten gegen Länder, die Ärzte gegen Kranke, Verkäufer gegen Käufer, die Klugen gegen Törichte, die Diebe gegen Sorglose, Durstige gegen Besitzende, die Dirnen gegen Liebhaber oder die Handwerker gegen alle Welt, sie spannen bei Tag und Nacht ihre Schmeichelnetze und ähnliches, gleichwie die Fischer nach Kräften von Fischen ihre Nahrung ziehen.
Sagt man doch mit Recht auch Folgendes:
``Die Pläne der Schlangen, der Nichtsnutzigen und der Räuber von fremdem Gut werden nicht vollendet; dadurch besteht diese Welt.´´
Des Ganesha Maus zu fressen begehrt die hungrige Schlange Shivas, diese aber begehrt der Pfau des Skanda und diesen begehrt der Löwe der Durga.
Wenn aber dies sogar der Familie Treiben in Shivas Haus ist, wie sollte es nicht auch sonst so in der Welt sein? Von ihm hat diese ja ihre Gestalt.
Karataka und Damanaka, der Gunst ihres Herrn beraubt und die Kehle von Hunger abgezehrt, berieten sich darauf miteinander.
Da sagte Damanaka:
„Ehrwürdiger Karataka! So ist es denn mit unserem Ministerium schon zu Ende! Dieser Pingalaka, ganz verliebt in Sanjivakas Worte, hat einen Widerwillen gegen seine eigene Beschäftigung gefaßt.
All sein Gefolge ist auf und davongegangen. Was ist nun zu tun?“
Karataka sagte:
„Du mußt ihn ermahnen, sollte er auch nicht tun, was du sagst, damit auf dich keine Schuld fällt.
Denn man sagt auch:
``Den Fürsten soll sein Rat mahnen, selbst wenn er nicht der Mahnung folgt, wie Vidura den Dhritarashtra beriet, damit ihn keine Sünde trifft.´´
Wenn ein König und Elefant aus Übermut auf falschem Weg wandeln, dann verdient der Führer den Tadel, der in ihrer Nähe ist.
Das ist die Folge davon, daß du diesen Grasfresser zu dem Herrn gebracht hast.
Du hast die brennenden Kohlen mit eigener Hand herbeigeschafft.“
Damanaka sagte:
„Das ist wahr! Es ist meine Schuld, nicht die des Königs.
Denn man erzählt auch: Der Schakal durch ein Widderfechten, ich durch Ashadhabhuti (unwiderstehliche Macht) und die Kupplerin durch Stellvertretung: drei Mißgeschicke aus eigener Schuld.“
Da fragte Karataka:
„Wie war das?“, und jener erzählte:
Drei Mißgeschicke aus eigner Schuld
An einem gewissen Ort ist ein Kloster, da wohnte ein Bettelmönch mit Namen Devasarman (von den Göttern geliebt), der hatte sich durch den Verkauf vieler feiner Gewänder, welche ihm die Opferherren geschenkt hatten, mit der Zeit eine große Summe Geld erworben.
Da traute er nun keinem Menschen mehr. Tag und Nacht trug er es unter dem Arm, ohne es abzulegen.
Sagt man ja doch mit Recht: ``Schwer ist es, Vermögen zu erwerben, und schwer ist auch dessen Bewahrung: Leid beim Gewinn! Leid beim Verlust! Wie voll von Pein ist doch der Reichtum!´´
Da erblickte ihn ein verschmitzter Räuber, Ashadhabhuti mit Namen, mit der Geldsumme unter dem Arm und überlegte:
„Wie mach ich es, daß ich ihm dieses Geld abnehme?
Ein Loch durch die Mauer zu brechen ist doch nicht möglich, dazu sind die Steine des Gebäudes zu hart; ebensowenig kann man durch die Fenster einsteigen, weil sie zu hoch sind.
Deshalb will ich ihm durch gleisnerische Reden Vertrauen einflößen und mich zu seinem Schüler machen, so daß er Zutrauen zu mir faßt.
Denn man sagt ja:
``Wer ohne Habsucht ist, sucht keine Ämter; wer nicht verliebt ist, liebt keinen Putz; wer nicht gebildet ist, kann nicht reden, und wer nicht lügt, betrügt auch nicht.´´“
Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, ging er zu ihm und sagte:
„OM, Verehrung dem Shiva!“
Dann warf er sich auf alle acht (Glieder, die den Boden berühren) vor ihm nieder und sprach demütig:
„Oh Erhabener, eitel ist die Welt! Die Jugend gleicht der Schnelle eines Bergstroms, und das Leben einem Strohfeuer! Freuden sind wie der Schatten einer Wolke!
Einem Traum gleicht die Verbindung mit Weib und Kind, mit Freund und Dienern! Das habe ich durch und durch kennengelernt.
Was muß ich nun tun, damit ich diesen Weltozean durchschiffe?“
Nachdem er dies gehört hatte, sagte Devasarman mit Wohlwollen:
„Mein Kind! du bist glücklich, daß du schon in frühester Jugend das Sinnliche so verachtest, denn man sagt auch:
``Wer seiner Leidenschaft Herr in früher Jugend wird, der ist ganz Herr: Sobald des Körpers Kraft schwindet, wem wird dann Ruhe nicht zuteil?´´
Den Guten wird zuerst die Vernunft alt und der Körper erst hinterher, den Bösen aber zuerst der Körper und die Vernunft zu keiner Zeit.
Und da du nach einem Mittel fragst, den Weltozean zu durchschiffen, so höre:
Ein Diener oder anderer, selbst ein zopfgeschmückter Ausgestoßener, wird mit Shivas Mantra geweiht und Asche auf seinem Leib zum Brahmanen.
Wer mit dem Spruch von sechs Silben („Om Namah Shivaya“) auch nur eine einzige Blume dem Linga auf das Haupt legt, erleidet keine Wiedergeburt mehr.“
Nachdem er dies gehört, umfaßte Ashadhabhuti dessen Füße und sagte demütig:
„Oh Ehrwürdiger! dann erweise mir die Gunst, mich in den Gelübden zu unterrichten!“ Devasarman sagte:
„Kind! ich werde dir diese Gewogenheit erweisen. Du darfst jedoch bei Nacht nicht ins Kloster treten.
Denn die Büßer wie du und ich müssen ohne Umgang leben.
Denn man sagt auch:
``Durch schlechten Rat verdirbt ein König, ein Büßer durch Umgang, ein Sohn, wenn er verzogen wird, ein Brahmane, wenn er nicht studiert, eine Familie durch schlechte Kinder, gute Anlagen durch schlechte Gesellschaft, Freundschaft durch Lieblosigkeit, Reichtum durch Schwelgerei, Liebe durch Entfremdung, Scham durch Trunkenheit, Landbau durch Mangel an Aufsicht, und Geld durch Verschwendung und Sorglosigkeit.´´
Darum mußt du nach Übernahme des Gelübdes vor der Tür des Klosters in einer Laubhütte schlafen.“
Jener antwortete:
„Oh Erhabener! dein Befehl ist meine Richtschnur! Denn ich tue dieses für die kommende Welt.“
Nachdem er die Bedingung in Betreff des Lagers eingegangen war, schenkte ihm Devasarman seine Gunst und unterrichtete ihn nach der in den heiligen Büchern beschriebenen Vorschrift.
Jener aber bereitete diesem das größte Vergnügen durch Waschen der Hände und Füße, Herbeibringung von Sandelschminke und ähnliche Dienstleistungen.
Aber trotz alledem hielt der Mönch das Geld stets unter seinem Arm fest.
Indem nun die Zeit so hinging, dachte Ashadhabhuti:
„Oh je! der faßt auch nicht das geringste Zutrauen zu mir! Wie wäre es, wenn ich ihn nun am hellen lichten Tag mit dem Messer umbrächte?
Oder ihm Gift gäbe? Oder ihn wie ein Vieh abschlachtete?“
Indem er so überlegte, kam zu Devasarman ein Schüler aus einem Dorf, der ihm wie ein Sohn war, um ihn zu sich einzuladen und sagte:
„Oh Ehrwürdiger! Mögest du zu meinem Hause kommen, um eine freundliche Bewirtung entgegenzunehmen.“
Nachdem er dies gehört, machte sich Devasarman vergnügten Herzens mit Ashadhabhuti auf den Weg. Indem er nun so ging, kam er an einen Fluß.
Nachdem er diesen erblickt, nahm er das Geld unter dem Arm weg, wickelte es sorglich in ein Kleid, badete sich, verrichtete seine Andacht und sprach dann zu Ashadhabhuti:
„He, Ashadhabhuti! bewache, während ich meine Notdurft verrichte und bis ich zurückkehre sorgfältig dieses Kleid deines Heiligen!“
Nachdem er dies gesagt, ging er weg. Sowie er aber aus dem Gesichtskreis war, ergriff Ashadhabhuti das Geld und machte sich eilig davon.
Während nun Devasarman, dessen Herz von den Eigenschaften seines Schülers ganz eingenommen war, niederhockte, sah er in der Mitte einer Herde von Goldwolligen (Schafen) einen Widderkampf.
Da liefen die beiden Widder voll Wut weit auseinander, stürzten dann wieder aufeinander, und indem sie sich mit den Hörnern ihrer Stirn stießen, strömte viel Blut herab.
Dieses leckte ein Schakal mit gieriger Zunge auf, indem er auf den Fechtboden trat.
Devasarman aber, indem er dieses sah, dachte bei sich:
„Oh, wie dumm ist dieser Schakal! Ich bin überzeugt, wenn er auch nur ein klein wenig zwischen sie gerät, wenn sie aufeinander stürzen, so ist er sicher des Todes.“
Und einen Augenblick darauf geriet der Schakal aus Begierde nach dem Blut zwischen ihre zusammenstoßenden Köpfe und war tot.
Devasarman aber bemitleidete ihn, und nachdem er sich gereinigt hatte, machte er sich auf den Weg nach seinem Geld.
Wie er nun so allmählich ankommt, sieht er Ashadhabhuti nicht, und wie er voll Unruhe das Kleid untersucht, so ist das Geld nicht darin.
Darauf fiel er mit dem Ausruf „Weh, weh, ich bin bestohlen!“ ohnmächtig auf den Erdboden.
Alsbald aber kam er wieder zur Besinnung, sprang wieder vom Boden auf und fing an zu wüten:
„Oh, oh, Ashadhabhuti! wohin bist du gegangen, nachdem du mich betrogen hast? Gib mir doch Antwort!“
Nachdem er in dieser Art vielfach geklagt hatte, machte er sich langsam auf den Weg, indem er dessen Fußspuren aufsuchte.
So gehend kam er gegen Abend zu einem Dorf.
Aus diesem Dorf aber hatte sich ein Weber samt seinem Weibe nach einer benachbarten Stadt auf den Weg gemacht, um berauschende Getränke zu genießen.
Wie er sie erblickte, sagte Devasarman:
„Oh Lieber! ich komme als abendlicher Gast zu dir, denn ich kenne keinen Menschen in diesem Dorf. Drum erfülle die Pflicht der Gastfreundschaft!
Denn man sagt auch:
``Am Abend soll kein Hausvater den Gast abweisen, den ihm die Sonne bringt, denn durch seine Pflege werden Hausväter Göttern gleich.´´
Und so: Laub und Wasser sowie Erde und als viertes ein freundlich Wort, die gehen in eines braven Mannes Behausung nimmermehr zu Ende.
Das Willkommen erfreut Agni, das Niedersitzen Indra, der Füße Reinigung die Ahnen, Speise und Trank den Großen Vater.“
Der Weber aber, nachdem er dies gehört, sagte zu seiner Frau:
„Liebe, gehe du mit diesem Gast nach Hause! Besorge ihm die Fußreinigung, Speise, Lager und ähnliches, und bleibe dort. Ich werde dir einen tüchtigen Schluck mitbringen.“
Nachdem er dies gesagt, ging er weiter. Seine Frau aber, welche eine Buhlerin war, nahm ihn mit freudigem Antlitz nach Hause mit, im Herzen jedoch dachte sie an ihren Liebhaber Devadatta („von den Göttern gegeben“).
Sagt man ja doch mit Recht:
``An verregnetem Tage, in wolkiger Nacht, in einsamen Straßen oder wenn der Mann in der Fremde ist, da freut sich das geile untüchtige Weib.´´
Und so:
``In der Sänfte sich auszustrecken, ein liebevoller Mann, ein herzerfreuendes Lager - das ist dem verliebten Weibe, das nach verstohlener Lust begehrt, nur soviel wie ein Grashalm wert.´´
Und so:
``Wollust verzehrt ihr das Mark, Liebe die Knochen, leidenschaftliches Liebesgeschwätz ist der Buhlerin Lust, aber vom Gatten ist ihr nichts genehm.´´
Und so:
``Des Hauses Fall, der Menschen Tadel, Gefängnis selbst und Lebensgefahr läßt sich die Buhlerin gefallen und läßt nicht los vom fremden Mann.´´
Des Webers Frau ging darauf nach Hause, wies dem Devasarman eine zerbrochene Bettstelle ohne Betten an und sagte:
„Oh Ehrwürdiger! bleib hier in unserem Hause und gib Acht, bis ich mit einer Freundin, die aus dem Dorf gekommen ist, gesprochen habe und so schnell wie möglich wieder zurück bin.“
Nachdem sie so gesprochen und ihren schönsten Putz angelegt hatte, ging sie zu Devadatta.
Da kommt grade ihr Mann auf sie los mit vor Trunkenheit schlotterndem Körper, mit fliegendem Haar, bei jedem Schritt stolpernd und die Schnapsbuttel in der Hand.
So wie sie ihn erblickte, kehrte sie schleunig um, ging ins Haus, legte den Schmuck ab und war wie vorher.
Der Weber, da er sie fliehen und so überaus geschmückt sah, außerdem schon früher durch das Gerede der Leute üble Gerüchte von ihr gehört hatte und dadurch im Herzen aufgebracht war, aber seine Empfindungen verborgen hatte, hielt sich, wie er dies so gestaltige Treiben erblickte, von der Wahrheit überzeugt und geriet in heftigen Zorn.
Er trat ins Haus und sagte zu ihr:
„Ah, du gemeine Buhlerin! Wohin wolltest du gehen?“
Sie antwortete:
„Seitdem ich von dir weg bin, bin ich nirgends hin zur Tür herausgetreten. Wie kannst du also von Schnaps berauscht so Ungebührliches von mir reden?
Sagt man nicht mit Recht: Geistesverwirrung, Umsinken, Sprechen von Ungebührlichem und alle Zeichen des Wahnsinnes zeigt der Zustand eines Trunkenbolds.
Wie dem Trunkenbold die Hände, so zittert der Sonne Strahlenkranz; wie der Trunkenbold sein Kleid läßt, so die Sonne den Himmelskreis; wie der Trunkenbold die Stärke, so verliert die Sonne ihre Kraft; wie der Trunkenbold von Zorn erglüht, so wird von Glut die Sonne rot: So widerfährt selbst der Sonne Ähnliches, wie dem Trunkenbold.“
Er aber, da er diese widerspenstige Rede vernahm und sah, daß sie den Schmuck abgelegt hatte, sagte zu ihr:
„Du Ehebrecherin! Schon lange habe ich von deinem schlechten Ruf gehört. Darum will ich, nachdem ich mich jetzt mit meinen eigenen Augen davon überzeugt habe, dich bestrafen, wie du es verdienst.“
Nachdem er so gesprochen, schlug er ihr den Leib mit Stockprügeln mürbe, band sie dann mit einem tüchtigen Strick an einen Pfosten und verfiel alsdann, von Trunkenheit überwältigt, in Schlaf.
Mittlerweile kam die Freundin des Weibes, die Frau eines Barbiers herbei, und da sie den Weber schlafen sah, sagte sie:
„Freundin, Devadatta wartet an dem bewußten Ort, komm also schnell hin!“
Jene antwortete:
„Sieh doch in welchem Zustand ich bin, wie kann ich kommen?! Geh du also und sage dem Geliebten, daß ich jetzt nicht mit ihm dort zusammenkommen kann.“
Die Barbiersfrau aber sagte:
„Freundin, sprich nicht so! Das kommt einer Buhlerin nicht zu. Man sagt ja:
``Die fest und ausdauernd süße Früchte erstreben, selbst von gefährlichem Ort, die scheinen mir Kamelen gleichsam, und hoch zu preisen ist ihre Geburt.´´
Und so: ``Da eine zukünftige Welt zweifelhaft ist und der Leute üble Nachrede mannigfach, so sind diejenigen glücklich, die der Jugend Frucht in den Armen eines ihnen gehörigen Galans genießen.´´
Und ferner: ``Wenn durch des Schicksals Fügung selbst ein mißgestalteter Mann der Buhlerin heimlich verbunden ist, dann liebt sie selbst den schönsten eigenen Gatten nicht, auch wenn es ihr größtes Mißgeschick brächte.´´“
Jene sagte:
„Wenn du so meinst, so sprich, wie kann ich wegkommen, da ich mit starkem Strick festgebunden bin und mein Mann in der Nähe ist!“
Die Barbiersfrau antwortete:
„Freundin! der ist vom Rausch überbewältigt und wird nicht eher aufwachen, als bis ihn die Strahlen der Sonne berühren. Drum will ich dich losmachen. Binde du mich statt deiner an und komm zurück, sobald du dich mit Devadatta unterhalten hast.“
Jene antwortete:
„So sei es!“
Nachdem so geschehen war, stand nach einiger Zeit der Weber auf. Sein Zorn hatte sich ein wenig gelegt, der Rausch war verflogen und er sagte zu ihr:
„He, du! die du dich an andere Männer machst! Wenn du von jetzt an nicht mehr aus dem Hause gehst und dich nicht mit anderen Männern abgibst, dann will ich dich losbinden.“
Aber die Barbiersfrau gab aus Furcht, sich durch ihre Stimme zu verraten, keine Antwort darauf.
So wiederholte er dieselben Worte mehrere Male. Da sie aber auch nicht das Geringste zur Antwort gab, geriet er von neuem in Zorn, nahm ein scharfes Messer und schnitt ihr die Nase ab.
Dann sagte er:
„He, du Ehebrecherin! bleib du nur stumm! Ich werde dir kein gutes Wort mehr geben.“
So sprechend fiel er wieder in Schlaf.
Devasarman aber, der wegen des Verlustes seines Geldes und weil seine Kehle von Hunger abgezehrt war, nicht einschlafen konnte, beobachtete dieses ganze Treiben der Frau.
Die Webersfrau ihrerseits, nachdem sie nach Herzenswunsch der Liebe Lust mit Devadatta genossen hatte, kam nach einiger Zeit nach Hause zurück und fragte die Barbiersfrau:
„Geht es dir gut? Ist dieser Bösewicht nicht aufgestanden, seitdem ich weg bin?“
Die Barbiersfrau sagte:
„Von der Nase abgesehen, befindet sich mein übriger Körper wohl. Nun mach mich rasch vom Strick los, ehe er mich sieht, damit ich nach meinem Hause gehe!“
Nachdem dies so geschehen war, stand der Weber wieder auf und sagte zu ihr:
„Du Ehebrecherin! sprichst du auch jetzt noch nicht? Soll ich dir noch eine andere stärkere Strafe zufügen und dir die Ohren abschneiden?“
Da aber sagte sie zornerfüllt folgende vorwurfsvollen Worte:
„Pfui und nochmals Pfui über dich, du großer Tor! Wer wäre fähig, mich, ein so keusches und gattenergebenes Weib zu verletzen oder zu verstümmeln?
Alle Welthüter zusammen mögen es hören!
Man sagt ja:
``Sonne und Mond, Erde, Feuer, Wind und Raum, das Herz, Tag und Nacht, die beiden Dämmerungen sowie auch Yama und Dharma (der Gott der Toten und der Gerechtigkeit) kennen der Menschen Taten.´´
Wenn ich also keusch bin, dann mögen diese Götter meine Nase so unversehrt machen, wie sie früher war. Wenn ich aber auch nur in Gedanken nach einem anderen Mann verlangt habe, dann mögen sie mich in Asche verwandeln!“
Nachdem sie dies gesagt, sprach sie weiter:
„Siehe, du Bösewicht! Kraft der Macht meiner Keuschheit ist meine Nase wieder ganz ebenso geworden.“
Wie er nun ein Licht nimmt und zusieht, so hatte sie dieselbe Nase wie früher, und auf der Erde war ein großer Blutstrom.
Voll Verwunderung löste er sie vom Strick, hob sie auf, legte sie aufs Bett und suchte sie durch hundert Liebkosungen zufrieden zu stellen.
Devasarman aber sah den ganzen Vorgang mit an und sagte mit Erstaunen im Herzen Folgendes:
„Alles was Usanas gewußt hat und alles was Vrihaspati weiß (die Lehrer der Dämonen und Götter), reicht nicht an des Weibes Klugheit: Gegen diese gibt es keinen Schutz! Lüge verwandeln sie in Wahrheit, und Wahrheit wiederum in Lüge.
Wie können sich ihrer selbst Weise in dieser Welt erwehren? An einem andern Ort wird auch gesagt:
``Nicht allzusehr soll man an Weibern hängen; unmäßig sonst wird die Gewalt des Weibes, und wie mit Krähen, denen die Flügel gestutzt sind, so spielt sie mit allzu ergebenen Männern.´´
Sie reden mit freundlichem und schönem Mund, und greifen mit eisigem Herzen an. Honig liegt auf der Frauen Lippen, aber im Herzen nichts als Gift.
Betört durch die kurze Freude, saugen die Männer an ihren Lippen; deren Herz aber schlagen sie nur mit Fäusten - wie es Bienen mit dem Lotus machen, wenn sie nach Nektar gieren.
Und ferner: Der Gefahren Strudel, der Unverschämtheit Wohnung, der Waghalsigkeiten Residenz, der Sünden Niederlage, die Behausung von hundert Listen, der Unzuverlässigkeiten Gefilde - dieser selbst den großen Meistern unter den geschicktesten Männern unbegreifliche Korb aller Gaukeleien - dies als Frau gestaltete und mit Ambrosia gemischte Gift, von wem ist es zum Untergang des Rechts in der Welt geschaffen worden?
Die Gazellenäugigen, an denen gerühmt wird: Härte des Busens (kein Mitleid), der Augen Lebhaftigkeit (Flatterhaftigkeit), des Mundes Kleinheit (Trug), der Lockenfülle Gekräusel (Falschheit), der Rede Schmachten (Torheit), der Hüften Fülle (Dummheit), denen stets nachgesagt wird des Herzens Ängstlichkeit (Grausamkeit), die klug (trügerisch) sich gegen den Liebenden benehmen und deren Charakter eine Legion von Sünden ist - warum sind diese den Männern so lieb?
Ihr Weinen und ihr Lachen geschieht mit Absicht; sie wissen den Mann zutraulich zu machen und trauen selber niemals:
Drum soll der Mann, dem Haus und Tugend lieb ist, die Weiber meiden wie Krüge von einem Friedhof (die rituell unrein sind).
Die Könige der Tiere mit grauenerregender Mähne, Elefanten erglühend im Strome des reichen Brunstsaftes, verständige Männer, Helden im Schlachtgewühl: sie werden alle in der Frauen Nähe zu schwachen Geschöpfen.
So lange handeln sie zuerst zum Gefallen, als sie den Mann noch nicht gefesselt wissen. Doch sehen sie ihn fest in der Liebe Band, dann heraus mit ihm gleichwie der Fisch am Köder.
Und: Es gleicht des Meers Gewoge in seinem Schwanken, nur einen Moment glühend wie die Abendröte, und gleich wirft das Weib den Mann weg, wie eine ausgepreßte Masse, die sie ausgesaugt hat.
Sie betören, sie berauschen, sie betrügen, sie bedrohen, sie entzücken und sie betrüben.
Was gibt es, was nicht die lieblich Blickende treibt, sobald sie liebend des Mannes Herz verstrickt?
Denn von innen sind die Frauen voll Gift, von außen lieblich anzuschauen, gleichwie rote giftige Beeren, wie aller Welt bekannt.“
Indem der Bettelmönch so dachte, ging ihm die Nacht unter großem Leid hin.
Die Kupplerin mit der abgeschnittenen Nase ging nach ihrem Hause und überlegte:
„Was soll ich nun tun? Wie läßt sich dieser große Riß schließen (die Gefahr überwinden).“
Nun hatte der Mann dieser Frau, welche so überlegte, seines Geschäfts wegen die Nacht im königlichen Palast zugebracht.
In der Frühe war er nach Hause zurückgekehrt und noch in der Nähe der Tür rief er, wegen des Drangs seiner vielen Geschäfte in der Stadt, seiner Frau zu:
„Liebe! bringe mir rasch das Kästchen mit den Rasiermessern, damit ich gehe, um meine Geschäfte in der Stadt zu besorgen!“
Sie aber mit der abgeschnittenen Nase blieb in der Mitte des Zimmers stehen, und indem sie mit einem Trick ihren Zweck zu erreichen versuchte, nahm sie nur ein Messer aus dem Kästchen und warf es ihm entgegen.
Der Barbier, da er nur dies eine Messer sah, geriet vor Eifer in Zorn und schleuderte es zurück.
Während dies hin und herging, hob diese Bösewichtin ihre Arme in die Höhe und stürzte zum Hause heraus, um wütend zu schreien:
„Weh, weh, seht! Dieser Bösewicht hat mir, die ich mich stets brav betragen habe, die Nase abgeschnitten! Helft mir, helft mir!“
Sogleich kamen Polizeidiener herbei, schlugen den Barbier mit Stockprügeln windelweich, banden ihn mit starken Fesseln und führten ihn samt seiner Frau mit der abgeschnittenen Nase in das Obergerichtsgebäude und sprachen zu den Richtern:
„Hört, ihr Herren Richter! Von diesem Barbier ist diese Perle von einer Frau, ohne daß sie etwas getan hat, verstümmelt worden. Drum möge ihm geschehen, was er verdient!“
Nach diesen Worten sagten die Richter:
„He, Barbier! Warum hast du deine Frau verstümmelt? Hat sie etwa ein Begehren nach einem andern Mann gezeigt? Oder hat sie irgendwie deinem Leben nachgestellt? Oder hat sie sich eines Diebstahls schuldig gemacht? Sag an! Worin hat sie sich vergangen?“
Der Barbier aber, dessen Körper von Schlägen windelweich war, war unfähig eine Antwort zu geben.
Da sagten die Richter:
„Oje! Was die Polizeidiener gesagt haben, ist wahr.
Er hört nicht! Er ist ein Bösewicht. Die Arme ist von ihm ohne ihr Verschulden mißhandelt worden! Man sagt ja:
``Lautlos, farblos, furchtsam blickend, mit zusammengesunkener Kraft wird der Mann, der Böses getan hat, durch seine eigene Tat erschreckt.´´
Und so: ``Schwankenden Schrittes schreitet er mit entfärbtem Gesicht heran, auf der Stirn stehen ihm Schweißtropfen und stotternd kommt sein Wort heraus. Zitternd und zu Boden blickend ist stets der Mann, der Böses tat. Drum mögen ihn Kundige durch diese Zeichen sorglich erkennen.´´
Und andererseits: ``Mit heiterem Antlitz und freudig, mit deutlichem Wort und kühnem Blick spricht angemessen im Gerichtssaal voll Zuversicht der Redliche. Somit trägt dieser alle Zeichen eines Verbrechers.´´
Auf Mißhandlung einer Frau steht der Tod. Deshalb soll er auf einen Pfahl gespießt werden!“
Als darauf Devasarman ihn zum Richtplatz geführt sah, ging er zu den Richtern und sagte:
„Ach! dieser Arme wird mit Unrecht hingerichtet. Der Barbier ist ein ehrlicher Mann. Hört, was ich sage! Der Schakal durch ein Widderfechten und ich durch Ashadhabhuti, die Kupplerin durch Stellvertretung - drei Mißgeschicke aus eigener Schuld.“
Darauf sagten die Richter zu ihm:
„Oh Ehrwürdiger! wie war das?“
Alsdann erzählte Devasarman die Geschichte von allen drein ausführlich. Nachdem die Richter alles gehört hatten, waren sie sehr erstaunt, ließen den Barbier los und sagten zueinander:
„Ach! Nicht töten darf man Brahmanen, Kinder, Weiber, Kranke und Büßer: Selbst bei schwersten Verbrechen sollten diese nur Verstümmlung erleiden.
Den Verlust der Nase hat sie sich durch ihre eigene Handlung zugezogen. Als Strafe im Namen des Königs müssen ihr also die Ohren abgeschnitten werden.“
Nachdem dies geschehen, ließ auch Devasarman den Kummer über den Verlust seines Geldes fahren, und ging zu seinem Kloster zurück.
Daher sage ich: Der Schakal durch ein Widderfechten, ich durch Ashadhabhuti, die Kupplerin durch Stellvertretung - drei Mißgeschicke aus eigener Schuld.“
Darauf sprach Karataka:
„Aber da die Dinge in dieser Lage sind, was sollen wir beide nun tun?“
Und Damanaka antwortete:
„Selbst in dieser Lage wird mein Verstand solch eine Tätigkeit entfalten, daß ich damit Sanjivaka von dem Herrn trennen werde.
Denn man sagt auch:
``Den einen ja, den andern nicht tötet des Bogenschützen Pfeil. Des Verständigen Verstand aber schießt Fürst und Fürstentum gleichzeitig nieder.´´
Drum werde ich Betrug verbunden mit versteckter Heuchelei entfalten und ihn zerschmettern.“
Karataka sagte:
„Lieber! wenn Pingalaka oder Sanjivaka deinen Betrug auch nur ein klein wenig merken, dann ist dein Verderben gewiß.“
Doch jener antwortete:
„Väterchen, sprich nicht so! Männer von tiefem Verstand müssen zur Zeit des Unglücks, selbst wenn das Schicksal stürmisch ist, von ihrem Verstand Gebrauch machen.
Man darf es zu keiner Zeit an Anstrengung fehlen lassen! Der Verstand erhält die Gesamtherrschaft nach Art wie der Holzwurm einmal einen Buchstaben hervorbringt (d.h. durch stetes unausgesetztes Bohren).
Denn man sagt auch:
``Laß nie den Mut sinken, wenn auch das Schicksal stürmt: Durch Mut gewinnt man öfters festen Boden. Denn selbst im Meer, kaum daß vorbei der Sturm ist, begehrt der Seefahrer nach seinem Werke.´´
Und so: ``Dem Mutigen bringt das Glück Hilfe. Denn „Schicksal, Schicksal!“ ist der Feigen Ausruf. Laß das Geschick! Wende nach Kräften Mut auf! Wenn trotz Kampf du nicht gewinnst, ist es nicht deine Schuld.´´
Dies beherzigend werde ich sie durch die Macht tief verborgener Klugheit auf solche Weise voneinander trennen, daß sie alle beide nichts merken sollen.
Man erzählt auch: Eines wohlverborgenen Truges Ende findet selbst Brahman nicht: Ein Weber in Gestalt Vishnus gewinnt des Königs Töchterlein.“
Da fragte Karataka
„Wie war das?“, und jener erzählte:
Der Weber als Vishnu
An einem gewissen Ort wohnten zwei Freunde: ein Weber und ein Zimmermann.
Diese hatten sich von ihrer Kindheit an sehr lieb und ihre Zeit verging ihnen, indem sie sich stets an demselben Ort miteinander vergnügten.
Einst war nun an diesem Ort bei einem Göttertempel ein großes mit einem Aufzug verbundenes Fest.
Es war ein Gewirr von Schauspielern, Tänzern und Sängern, und Menschen aus den verschiedensten Ländern waren zusammengeströmt.
Indem nun die beiden Freunde dazwischen miteinander herumschweiften, erblickten sie eine Königstochter, auf einem jungen Elefanten sitzend, die mit allen Reizen geschmückt, von Haremsdienern und Eunuchen umgeben, herbeigekommen war, um das Götterbild (von Vishnu) zu sehen.
Der Weber stürzte sogleich, nachdem er sie erblickt hatte, von den Pfeilen des Liebesgottes getroffen zu Boden, als ob er Gift getrunken hätte oder von einem bösen Geist gepackt wäre.
Der Zimmermann aber, als er ihn in diesem Zustand sah, fühlte Mitleid über dessen Schmerz und ließ ihn von starken Männern aufheben und in sein Haus bringen.
Da wurde er denn durch Anwendung von mancherlei kühlenden Mitteln, welche vom Arzt vorgeschrieben waren, und durch den Gebrauch von Beschwörungen nach langer Zeit mit Mühe zum Bewußtsein gebracht.
Darauf fragte ihn der Zimmermann:
„Oh Freund! Warum bist du so ganz ohne Veranlassung in Ohnmacht gefallen? Erzähle es mir der Wahrheit gemäß!“
Dieser antwortete:
„Wenn du es willst, so höre es von mir, wenn wir ganz allein sind, damit ich es dir ohne etwas zu verbergen sage.“
Nachdem so geschehen, sagte er zu ihm:
„Lieber! wenn du mich wirklich wie einen Freund liebst, so erweise mir die Gunst, Holz zu meinem Scheiterhaufen zu tragen! Gewähre mir meine Bitte! Denn was selbst bei geringer Zuneigung geschieht, das ist infolge deiner großen Zuneigung für dich nicht unangemessen.“
Jener aber, als er dieses hörte, sagte mit tränenerfüllten Augen und gebrochener Stimme:
„Was auch der Grund deines Leides sei, sprich es aus, damit Hilfe angewendet werde, wenn sie möglich ist.
Denn man sagt ja:
``In dieser Welt gibt es nichts, was sich irgend in Brahmans Ei befindet, was nicht durch Kräuter, Geld, Rat und weiser Klugheit zu richten wäre.´´
Wenn es also durch diese vier zum Ziel geführt werden kann, so werde ich es zum Ziel führen.“
Der Weber sagte:
„Gegen mein Leid helfen weder diese noch tausend andere Mittel. Deswegen verzögere meinen Tod nicht!“
Der Zimmermann aber antwortete:
„Lieber Freund! Trotzdem tu es mir kund, damit auch ich, wenn ich finde, daß hier nicht zu helfen ist, mich mit dir ins Feuer stürze.
Die Trennung von dir werde ich auch nicht einen Augenblick ertragen. Das ist mein fester Entschluß.“
Da sprach der Weber:
„Mein Jugendfreund! so höre denn! Unmittelbar, nachdem ich die Königstochter auf dem Elefanten bei dem Feste erblickt hatte, wurde ich durch den erhabenen Liebesgott, der den Fisch in der Fahne führt, in diesen Zustand versetzt.
Nun kann ich diesen Schmerz nicht mehr ertragen. Es heißt ja auch so:
``Wann werde ich schlafen, müde vom Liebeskampfe, die Brust in das safran-feuchte runde Milchhügelpaar gesenkt, ruhend im Käfig der Arme, nur ein Moment genießend ihre Umarmung?´´
Und so: Die kirschrote Lippe, das kelch-gleiche im Stolz der Jugend blühende Busenpaar, der tiefgesenkte Nabel, die gebogene Lotusblume der Scham und des Leibes zierlich schmale Mitte: die freilich mögen, leidenschaftlich gedacht im Herzen, wohl Schmerz erregen; doch daß mich ihre klaren Wangen fort und fort verzehren, das ziemt sich nicht.“
Der Zimmermann aber, nachdem er diese verliebte Rede gehört hatte, sagte lächelnd:
„Mein Jugendfreund! Wenn das der Grund ist, so ist glücklicherweise unser Ziel erreicht! Noch am heutigen Tage sollst du eine Zusammenkunft mit ihr haben.“
Der Weber sagte:
„Lieber Freund! Während nichts außer dem Winde in des Mädchens Gemach gelangen kann, wie sollte da, zumal es von Wächtern beschützt ist, eine Zusammenkunft mit ihr möglich sein? Warum täuschst du mich nun mit trügerischer Rede?“
Doch der Zimmermann bestätigte:
„Freund! Du sollst die Macht meines Verstandes sehen!“
Nachdem er dies gesagt, verfertigte er sogleich aus dem Holz eines windgezeugten Baumes einen auf einem Stift sich bewegenden Garuda-Vogel, sowie auch ein mit der Muschel, der Scheibe, der Keule und dem Lotus versehenes Paar Arme samt dem Diadem und dem Brustjuwel (alle äußerlichen Merkmale der Vishnu-Ikonographie).
Dann ließ er den Weber sich darauf setzen, und nachdem er ihn mit den Abzeichen des Vishnu versehen hatte, zeigte er ihm die Maschinerie des Stifts und sagte:
„Mein Jugendfreund! Um Mitternacht geh in dieser Gestalt des Vishnu in das Gemach des Mädchens, erwirb dir durch gleisnerische Worte die Liebe der Königstochter, welche allein am Ende des mit sieben Stockwerken versehenen Palastes wohnt, unerfahrenen Sinnes dich für Vishnu halten wird, und genieße sie.“
Der Weber aber, nachdem er dies gehört, ging in dieser Gestalt dahin und sagte zu ihr:
„Prinzessin! Schläfst du oder wachst du? Um deinetwillen komme ich in eigener Person vom Milchmeer voll Liebe zu dir, verlassend die Lakshmi (Vishnus Gattin, die Göttin des Wohlstandes). Drum komm in meine Arme!“
Sie aber, da sie ihn auf dem Vogel Garuda reiten, vierarmig mit Waffen und Vishnus Brustjuwel sah, erhob sich voll Erstaunen von ihrem Lager, legte andächtig die Hände zusammen und sprach:
„Oh Erhabener! Ich bin eine unreine, wurmgleiche Sterbliche, und du der Gegenstand der Verehrung und Schöpfer der drei Welten. Wie kann also so etwas geschehen?“
Der Weber antwortete:
„Beglückte! Was du sagst, ist wahr.
War aber nicht meine Gattin namens Radha einst im Geschlecht des Nanda geboren? Diese hat sich in dir verkörpert. Darum bin ich hierhergekommen.“
Aber jene sprach:
„Wenn es sich so verhält, so wende dich mit deinem Verlangen an meinen Vater, damit auch er unbedenklich mich dir übergibt.“
Doch der Weber sagte:
„Glückliche! Ich lasse mich nicht von Menschen sehen, geschweige, daß ich mich mit ihnen unterhielte! Drum übergib dich mir nach der Sitte der Gandharva-Ehe (ohne formelle Rituale und Wissen der Eltern)!
Wo nicht, so spreche ich einen Fluch, der deinen Vater samt seinem Geschlecht in Asche verwandelt.“
Nachdem er dies gesagt, stieg er vom Garuda herab, faßte ihre linke Hand, führte die Erschreckte, Verschämte und Zitternde zum Lager, und nachdem er darauf den Rest der Nacht gemäß den von Vatsyayana (im Kamasutra) gegebenen Lehren mit ihr gekost, kehrte er in der Morgendämmerung, ohne gesehen zu werden, nach seinem Hause zurück.
So verging ihm die Zeit, indem er stets mit jener der Liebe pflegte.
Einstmals aber bemerkten die Diener des Harems, daß ihre korallengleiche Unterlippe Spuren von Bissen zeigte, und sagten zueinander:
„He da! seht einmal! Die Glieder des Körpers der Prinzessin sehen aus, als ob sie von einem Mann geliebt wäre.
Wie ist nun ein solcher Verkehr in dem so wohlbewachten Hause möglich? Wir müssen das dem König mitteilen!“
Nachdem sie dies beschlossen hatten, gingen sie alle zum König und sagten:
„Oh Herr! wir wissen nicht wie, aber trotzdem, daß dieses Haus wohlbewacht ist, gelangt ein Mann in das Gemach der Prinzessin. Der Herr hat nun zu befehlen!“
Der König, nachdem er dies gehört, überlegte mit verstörtem Sinn:
„Ein Mädchen ist geboren!“ Schon das bedeutet große Sorge: „Wer soll sie freien?“
Das erfordert große Überlegung, und dann dies Bedenken: „Ob sie Glück hat in der Ehe oder Unglück?“
- unglücklich fürwahr! ist eines Mädchens Vater! Bei Mädchen und Flüssen ist ähnliches Treiben: Durch das Wasser der einen fallen die Ufer, durch das Laster der anderen die Häuser. Und so: Zur Welt gebracht, raubt sie der Mutter Herz.
Sie wächst heran unter der Freunde Sorge, doch selbst verehelicht, bringet sie noch Schimpf auf sich.
Ach! Töchter sind unüberwindliches Mißgeschick! Nachdem er in dieser Weise mehrfach überlegt hatte, sagte er, als sie allein waren, zu seiner Gemahlin:
„Königin! Was diese Haremsdiener sagen, muß untersucht werden. Gegen den, durch welchen dieses Verbrechen begangen ist, ist der Gott des Todes sehr erzürnt.“
Die Königin aber, als sie dies gehört, wurde ganz verstört, ging eilig in des Mädchens Gemach und sah, wie der Tochter Lippen zerbissen und die Glieder ihres Körpers von Nägeln zerkratzt waren.
Darauf sagte sie:
„Ach! du Schlechte, die du deiner Familie Schimpf und Schande bereitest, warum hast du deine Tugend so zugrunde gerichtet?
Wer ist der vom Todesgott Ausersehene, der sich dir naht? Sage mir die reine Wahrheit!“
Als die Mutter so vor Zorn und Stolz gewaltig redete, senkte die Prinzessin aus Furcht und Scham ihr Gesicht zu Boden und sprach:
„Oh! Mutter! Der erhabene Vishnu kommt jede Nacht auf dem Garuda reitend leibhaftig zu mir. Wenn meine Rede nicht wahr erscheint, so kann sich irgendeine Frau an einen unsichtbaren Ort verstecken und um Mitternacht den erhabenen Gemahl der Lakshmi erblicken.“
Diese aber, nachdem sie dies gehört, ging mit freudestrahlendem Gesicht, indem ihr vor Lust die Härchen an allen Gliedern in die Höhe starrten, eilends zum König und sagte:
„Oh König! Glück und Segen wird dir zuteil! Beständig naht sich in der Nacht der erhabene Vishnu deiner Tochter. Er hat sie nach der Regel der Gandharva-Ehe zur Gattin genommen.
Du und ich wollen heute nacht ans Fenster treten, um ihn um Mitternacht zu sehen; denn in eine Unterhaltung mit Menschen läßt er sich nicht ein.“
Nachdem er dies gehört, war der König so erfreut, daß ihm der Tag hundert Jahre lang zu sein schien.
Als nun der König mitsamt seiner Frau in der Nacht am Fenster versteckt stand, den Blick an den Himmel geheftet, so sah er zu der angegebenen Zeit den Vishnu aus der Luft herabsteigend, auf dem Garuda reitend, Muschel, Diskus und Keule in den Händen und mit den ihm zukommenden Zeichen versehen.
Da kam es ihm vor, als schwämme er in einem Teich von Nektar, und er sagte zu seiner Lieben:
„Liebe! Kein Mensch in der Welt ist glücklicher als ich und du. Denn unserm Sproß hat sich der erhabene Vishnu genaht und liebt sie.
So sind denn alle unsere Wünsche, die wir im Herzen tragen, vollendet! Jetzt werde ich mir durch die Macht meines Schwiegersohns die gesamte Erde untertänig machen.“
Nachdem er sich so entschlossen hatte, nahm er sich gegen alle benachbarten Könige Ungerechtigkeiten heraus.
Diese aber, da sie sahen, daß er sich Ungerechtigkeit erlaubte, vereinigten sich allesamt und überzogen ihn mit Krieg. Daraufhin sprach der König durch den Mund der Königin zu seiner Tochter:
„Tochter! Da der erhabene Vishnu durch dich, die du meine Tochter bist, mein Schwiegersohn geworden ist, wie ziemt es sich da, daß alle Könige zusammen Krieg gegen mich erheben?
Drum mußt du heute deinem Gemahl zu Gemüte führen, daß er meine Feinde vernichte.“
Darauf wurde der Weber, als er in der Nacht zu ihr gekommen war, demutsvoll von ihr angeredet:
„Oh Erhabener! Es geziemt sich nicht, daß mein Vater, da du sein Schwiegersohn bist, von seinen Feinden überwältigt wird.
Drum zeige deine Huld und vernichte alle diese Feinde!“
Der Weber antwortete:
„Oh Beglückte! Wie unbedeutend sind deines Vaters Feinde! Drum sei unbesorgt! In einem Augenblick werde ich sie mit meinem Diskus Sudarsana zu Staub zermalmen.“
Aber im Fortgang der Zeit wurde der König von seinen Feinden im ganzen Lande verdrängt und besaß nichts mehr als seine Festung.
Trotzdem sandte der König dem Weber in Vishnus Gestalt, da er ihn nicht erkannte, unaufhörlich den ausgesuchtesten Kampfer, Aloe, Moschus und andere Arten von Düften, sowie mancherlei Arten von Kleidern, Blumen, Eßwaren und Getränken, und ließ ihm durch seine Tochter sagen:
„Oh Erhabener! Morgen wird sicherlich die Stadt fallen. Denn Lebensmittel und Holz sind zu Ende.
Auch ist allen meinen Leuten der Körper von Wunden erschöpft, so daß sie zum Kampf unfähig sind, und eine große Anzahl ist getötet. Dieses beherzige und tue, was der Zeit angemessen ist.“
Der Weber, nachdem er dies gehört, überlegte:
„Fällt die Stadt, so werde auch ich sicherlich umkommen und von dieser getrennt werden.
Deswegen will ich den Garuda besteigen und mich mit den Waffen in der Luft zeigen! Vielleicht werden sie mich für Vishnu halten und dann, von Furcht überwältigt und durch des Königs Krieger geschlagen, umkommen!
Man sagt auch:
``Selbst eine Schlange, die kein Gift hat, erhebe dennoch hoch die Haube; denn auch ohne Gift erregt der Haube Prunk große Furcht.´´
Auch ist es wahrlich viel besser, wenn ich, mich für die Stadt erhebend, umkomme.
Man sagt auch:
``Wer für eine Kuh, für Brahmanen, seinen Herrn, sein Weib oder seine Stadt den Tod findet, der gewinnet die ewige Seligkeit.´´
Man sagt ferner: Nur bei Neumond (wenn der Mond verschwunden ist), fällt auch die Sonne in Rahus Rachen (zur Sonnenfinsternis); für seinen Schützling selbst sterben, ist bei Helden des Preises wert.“
Nachdem er sich so entschlossen, knirschte er mit den Zähnen und sprach zu ihr:
„Oh Beglückte! Ich werde nicht eher Speise oder Trank kosten, als bis alle Feinde erschlagen sind. Wozu viele Worte? Selbst mit dir werde ich nicht eher wieder zusammenkommen. Du mußt aber deinem Vater sagen, daß er morgen in der Frühe mit einem großen Heer aus der Stadt ziehe und kämpfe, und ich werde in der Luft erscheinen und jene allesamt kraftlos machen.
Nachher wird er sie mit Leichtigkeit erschlagen. Wenn ich sie dagegen selbst tötete, dann würden die Bösewichter in das Paradies gelangen. Aus diesem Grunde muß es so eingerichtet werden, daß sie fliehend umkommen und also nicht in den Himmel eingehen.“
Sie aber, nachdem sie dies gehört, ging selbst und tat alles dem Vater kund.
Der König glaubte nun ihrer Rede, erhob sich in der Morgendämmerung und zog mit einem wohlgerüsteten Heer zum Kampf heraus.
Der Weber aber, zum Tode entschlossen, stieg mit dem Bogen in der Hand zum Himmel empor, um zu kämpfen.
Währenddessen sagte der erhabene Vishnu, welchem Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart bekannt ist, lächelnd zu dem Vogel Garuda, welcher auf die bloße Erinnerung an ihn herangekommen war:
„Oh du Geflügelter! Weißt du, daß ein gewisser Weber in meiner Gestalt auf einem hölzernen Garuda sitzend die Königstochter liebt?“
Dieser antwortete:
„Oh Gott! Ich kenne dieses ganze Treiben. Was sollen wir aber jetzt tun?“
Der Erhabene sagte:
„Der Weber ist jetzt zum Tod entschlossen, hat Buße getan und ist zum Kampf ausgezogen.
Von den Pfeilen der tapfersten Krieger getroffen, wird er nun sicher seinen Tod finden.
Nach seinem Tod aber wird alle Welt sagen, daß Vishnu und sein Garuda von mächtigen Kriegern, die sich zusammengeschart hatten, besiegt wurden. Alsdann wird die Welt uns beiden keine Ehre mehr erweisen.
Deswegen gehe du eilig und fahre in diesen hölzernen Garuda! Ich werde mich in den Körper des Webers versehen, damit er die Feinde vernichtet.
Durch die Vernichtung der Feinde wird unsere Herrlichkeit vermehrt werden.“
Nachdem darauf der Garuda mit dem Worte „So sei es!“ seine Zustimmung gegeben hatte, vereinigte sich der erhabene Vishnu mit dem Körper des Webers.
Als dieser darauf mit den Zeichen von Muschel, Diskus, Keule und Bogen in der Luft stand, lähmte er vermittelst der Herrlichkeit des Erhabenen in einem Augenblick wie im Spiel die Kraft der tapfersten Krieger.
Darauf wurden sie vom König, welcher von seinem Heer umgeben war, im Kampf besiegt und getötet.
Und unter allen Leuten verbreitete sich das Gerücht, daß seine Feinde durch die Macht der Verschwägerung mit Vishnu vernichtet seien.
Der Weber aber, nachdem er sie getötet sah, stieg sehr vergnügten Sinnes vom Himmel herab.
Als nun der König, die Minister und die Einwohner der Stadt den Weber, ihren Mitbürger, erblickten, fragten sie ihn:
„Was ist das?“ Und er berichtete ihnen von Anfang an die ganze vorhergegangene Geschichte.
Der König, welcher durch die Vernichtung der Feinde an Macht gewonnen hatte, wurde dem Weber plötzlich sehr gewogen, übergab ihm vor aller Welt Augen die Prinzessin feierlich zur Ehe und fügte einen Landbesitz hinzu.
So brachte der Weber sein Leben mit ihr im Genuß der fünf Arten sinnlicher Freuden zu, welche die Quintessenz der Welt des Lebendigen bilden.
Daher sagt man:
``Eines wohlverborgenen Truges Ende findet selbst Brahman nicht: Ein Weber in Gestalt Vishnus gewinnt des Königs Töchterlein.´´“
Da fragte Karataka
„Wie war das?“, und jener erzählte:
„Auch ein Ohnmächtiger ist mächtig. Denn man erzählt auch:
„Lieber! das ist in der Tat wahr! Aber trotzdem habe ich große Furcht. Denn Sanjivaka ist klug und der Löwe schrecklich.
``Durch Hinterlist ist ausführbar, was Gewalt nicht zustande bringt: Vermittelst einer Goldkette schuf die Krähe der Schlange Tod.´´“
Nachdem er dieses gehört, sagte Karataka:
Doch jener antwortete:
Darum bist du nicht mächtig genug, ihn von jenem zu trennen.“
Die Geschichte von den mutigen Kräheneltern und der bösen Schlange.
In einer gewissen Gegend wuchs ein großer Feigenbaum.
Darauf hatte sich ein Krähenpaar ein Nest gebaut und wohnte darin.
Da kam nun jedesmal zur Brutzeit aus einer Höhlung dieses Baumes eine schwarze Schlange und fraß die Jungen dieser beiden.
Darauf gingen sie voll Verzweiflung zu einem Schakal, welcher an der Wurzel eines andern Baumes hauste und ihr geliebter Freund war, und sprachen zu ihm:
„Lieber! Was können wir beide tun? Diese böse schwarze Schlange kommt aus einer Höhlung des Baumes und frißt unsere Jungen.
Sag uns ein Mittel, dies abzuwenden. Wessen Feld an einem Flußufer, wessen Weib mit einem andern buhlt, und der, in dessen Haus Schlangen leben, wie wäre dessen Herz von Sorgen frei?
Und ein anderes: In einem Hause voll Schlangen zu wohnen, ist der sichere Tod. Wohnt die Schlange am Dorfende, ist schon das Leben in Gefahr. So sind auch wir, indem wir da wohnen, Tag für Tag in Lebensgefahr.“
Der Schakal antwortete:
„Macht euch euretwegen nicht die geringste Sorge! Natürlich kann der Vielfraß nicht ohne List getötet werden.
Man sagt ja:
``Ein Sieg, wie ihn die List gewährt, wird uns nie durch Waffen zuteil: Wer schlau ist, wenn von Gestalt auch klein, der unterliegt selbst Helden nicht.´´
Und so: ``Nachdem er viele Fische verzehrt hatte, große, kleine und mittlere, da starb aus zu großer Freßgier doch der Kranich durch des Krebses Griff.´´“
Da fragten jene
„Wie war das?“, und er antwortete:
In einem Wald befand sich ein großer Teich mit mancherlei Fischen darin.:::Und ein Kranich, welcher da seinen Sitz hatte, war alt geworden und unfähig, Fische zu fangen.:::Die Kehle von Hunger abgezehrt, setzte er sich darauf an das Ufer des Teichs und weinte, den Erdboden mit Tränen, so dick wie Perlen, benetzend.:::Den Hals gekrümmt und auf einem Fuß, wie auf einem Stengel, stehend, wußte es der schurkische Kranich so einzurichten, daß ihn die dummen Fische für eine Lotusblume halten konnten.:::Da kam ein kleiner Krebs herbei, zusammen mit mancherlei Wassertieren, und von des Kranichs Schmerz gerührt, sprach er ehrfurchtsvoll Folgendes: ::: „Lieber! Warum beschäftigst du dich heute nicht mit der Erwerbung deines Unterhalts? Du tust ja nichts als mit tränenerfüllten Augen zu seufzen!“ :::Jener antwortete: „Kind! Deine Bemerkung ist richtig. Ich bin in der Tat ein Fischfresser, aber ich habe allem Irdischen entsagt und bin jetzt daran, mich zu Tode zu fasten. Darum esse ich keine Fische, selbst wenn sie mir nahe kommen.“:::Der Krebs, nachdem er dies gehört, fragte: „Lieber! Was ist der Grund, daß du allem Irdischen entsagt hast?“:::Jener antwortete: „Mein Kind! Ich bin an diesem Teich geboren und alt geworden. Nun habe ich gehört, daß eine zwölfjährige Dürre nahe bevorsteht.“ Der Krebs sagte: „Von wem hast du das gehört?“ Der Kranich antwortete: „Aus dem Munde eines Sterndeuters. Denn Saturn, Mars und Venus werden mitten im Wagen der Rohini aufgehen. Und Varahamihira (ein großer indischer Astronom) hat gesagt: Wenn der Sprößling der Sonne der Rohini Wagen hier in der Welt zerspaltet, dann entsendet Gott Vishnu zwölf Jahre hindurch kein Tröpfchen Regen zur Erde. Und so: Wenn Rohinis Wagen geteilt, vollzieht die Erde, als hätte sie gesündigt, von Asche und Knochen bestreut, gleichsam das Gelübde des Tragens einer Schädelkette. Wenn also Mars oder der Sonne Sohn oder der niedersteigende Knoten den Wagen der Rohini spaltet, warum sollte ich es nicht verkünden, daß dann in feindlichem Meer die gesamte Welt zerstört wird? Und auch: Dringt mitten in Rohinis Wagen der Mond, dann irrt der Mensch hilflos umher, ißt das Fleisch gekochter Kinder und schlürft das Wasser aus Töpfen, die von der Sonne glühen. Dann wird dieser Teich kaum noch Wasser enthalten; rasch wird er austrocknen, und sobald er trocken ist, werden die, mit welchen ich aufgewachsen bin und gespielt habe, allesamt aus Mangel an Wasser umkommen. Nun bin ich nicht fähig, die Trennung von diesen mit anzusehen. Darum habe ich dieses Zutodefasten über mich genommen. Jetzt werden bereits alle Wassertiere, welche sich in Teichen von wenig Wasser befinden, von ihren Leuten in Teiche mit vielem Wasser gebracht, und einige, wie der Makara, der Alligator, der Delphin, der Wasserelefant und andere gehen selbst dahin. Aber die Wassertiere in diesem Teich sind ganz gedankenlos. Darum insbesondere weine ich, weil sie hier auch nicht einmal nur einen Samen von sich retten werden.“ Der Krebs nun, nachdem er diese Rede gehört, tat sie auch den übrigen Wassertieren kund. Diese aber, Fische, Schildkröten und die übrigen, das Herz von Furcht erschreckt, gingen darauf zu dem Kranich und sagten: „Lieber! Gibt es ein Mittel, wodurch wir uns retten können?“ Der Kranich antwortete: „Nicht sehr weit von dieser Wasserstelle ist ein großer Teich, mit viel Wasser und einem Wald von Lotusblumen geschmückt. Der trocknet nicht aus, wenn auch der Regengott vierundzwanzig Jahre lang keinen Regen schickt. Wenn nun einer auf meinen Rücken steigen will, so führe ich ihn dahin.“ Darauf faßten die Wassertiere Vertrauen zu ihm, umringten ihn von allen Seiten und riefen: „Vater! Onkel! Bruder! Ich zuerst! Ich zuerst!“ Der Bösewicht aber ließ sie, einen nach dem andern, auf seinen Rücken steigen, ging nach einem vom Teich nicht weit entfernten großen Fels, warf sie darauf und schmauste sie dann nach Belieben. Dann kehrte er zum Teich zurück, erfreute die Herzen der Wassertiere durch falsche Berichte über ihr Wohlbefinden und verschaffte sich auf diese Weise seine Nahrung. Eines Tages sagte der Krebs zu ihm: „Lieber! Mit mir hast du zuerst liebevolle Rede gepflogen. Warum übergehst du mich nun und trägst die andern weg? Darum besorge jetzt die Rettung meines Lebens!“ Als er dieses hörte, dachte der Bösewicht: „Ich bin des Fischfleisches überdrüssig; drum soll mir dieser Krebs heute als Würze dienen.“ Dann sagte er „Ja“, ließ ihn auf seinen Rücken steigen und machte sich auf den Weg nach dem Richtstein. Der Krebs aber, da er schon aus der Ferne auf dem Stein einen Knochenberg erblickte und die Fischgräten erkannte, fragte ihn: „Lieber! Ist der Teich noch weit? Bist du durch meine Last sehr ermüdet? Sag doch!“ Er aber, indem er dachte „Das ist ein dummes Wassertier! Auf dem Trocknen ist es ohnmächtig.“, antwortete lächelnd: „Krebs! Wo ist an einen andern Teich zu denken? Dies ist die Art, wie ich mir meine Nahrung erwerbe. Darum empfiehl dich jetzt deiner Schutzgottheit! Denn auch dich werde ich auf diesen Stein werfen und fressen!“ Kaum hatte er das gesagt, als sein zarter, wie Lotusstengel lieblicher Hals durch die Schere des Krebses gepackt und zugeschnürt wurde und er bald tot war. Dieser nahm darauf diesen Hals des Kranichs und ging Schrittchen vor Schrittchen zum Teich zurück. Da wurde er nun von allen Wassertieren gefragt: „He! Krebs! Warum bist du zurückgekommen? Ist dem Vogel etwas zugestoßen? Auch ist ja dein Onkel nicht mit zurückgekehrt. Warum zögert er? Wir stehen hier alle voll Begierde und Erwartung.“ Nachdem sie so gesprochen, sagte der Krebs spottend: „Ihr Toren! Dieser hat alle Fische betrogen, sie nicht weit von hier auf einen Stein geworfen und aufgefressen. Ich habe noch bei lebendigem Leibe die Absicht dieses Treulosen erkannt und hier seinen Hals mitgebracht. Weg nun mit der Angst! Von jetzt an dürfen alle Wassertiere vergnügt sein!“ Daher sage ich: Nachdem er viele Fische verzehrt hatte, große, kleine und mittlere, da starb aus zu großer Freßgier doch der Kranich durch des Krebses Griff.“
In einem Wald befand sich ein großer Teich mit mancherlei Fischen darin.:::Und ein Kranich
welcher da seinen Sitz hatte
war alt geworden und unfähig
Fische zu fangen.:::Die Kehle von Hunger abgezehrt
setzte er sich darauf an das Ufer des Teichs und weinte
den Erdboden mit Tränen
so dick wie Perlen
benetzend.:::Den Hals gekrümmt und auf einem Fuß
wie auf einem Stengel
stehend
wußte es der schurkische Kranich so einzurichten
daß ihn die dummen Fische für eine Lotusblume halten konnten.:::Da kam ein kleiner Krebs herbei
zusammen mit mancherlei Wassertieren
und von des Kranichs Schmerz gerührt
sprach er ehrfurchtsvoll Folgendes: ::: „Lieber! Warum beschäftigst du dich heute nicht mit der Erwerbung deines Unterhalts? Du tust ja nichts als mit tränenerfüllten Augen zu seufzen!“ :::Jener antwortete: „Kind! Deine Bemerkung ist richtig. Ich bin in der Tat ein Fischfresser
aber ich habe allem Irdischen entsagt und bin jetzt daran
mich zu Tode zu fasten. Darum esse ich keine Fische
selbst wenn sie mir nahe kommen.“:::Der Krebs
nachdem er dies gehört
fragte: „Lieber! Was ist der Grund
daß du allem Irdischen entsagt hast?“:::Jener antwortete: „Mein Kind! Ich bin an diesem Teich geboren und alt geworden. Nun habe ich gehört
daß eine zwölfjährige Dürre nahe bevorsteht.“ Der Krebs sagte: „Von wem hast du das gehört?“ Der Kranich antwortete: „Aus dem Munde eines Sterndeuters. Denn Saturn
Mars und Venus werden mitten im Wagen der Rohini aufgehen. Und Varahamihira (ein großer indischer Astronom) hat gesagt: Wenn der Sprößling der Sonne der Rohini Wagen hier in der Welt zerspaltet
dann entsendet Gott Vishnu zwölf Jahre hindurch kein Tröpfchen Regen zur Erde. Und so: Wenn Rohinis Wagen geteilt
vollzieht die Erde
als hätte sie gesündigt
von Asche und Knochen bestreut
gleichsam das Gelübde des Tragens einer Schädelkette. Wenn also Mars oder der Sonne Sohn oder der niedersteigende Knoten den Wagen der Rohini spaltet
warum sollte ich es nicht verkünden
daß dann in feindlichem Meer die gesamte Welt zerstört wird? Und auch: Dringt mitten in Rohinis Wagen der Mond
dann irrt der Mensch hilflos umher
ißt das Fleisch gekochter Kinder und schlürft das Wasser aus Töpfen
die von der Sonne glühen. Dann wird dieser Teich kaum noch Wasser enthalten; rasch wird er austrocknen
und sobald er trocken ist
werden die
mit welchen ich aufgewachsen bin und gespielt habe
allesamt aus Mangel an Wasser umkommen. Nun bin ich nicht fähig
die Trennung von diesen mit anzusehen. Darum habe ich dieses Zutodefasten über mich genommen. Jetzt werden bereits alle Wassertiere
welche sich in Teichen von wenig Wasser befinden
von ihren Leuten in Teiche mit vielem Wasser gebracht
und einige
wie der Makara
der Alligator
der Delphin
der Wasserelefant und andere gehen selbst dahin. Aber die Wassertiere in diesem Teich sind ganz gedankenlos. Darum insbesondere weine ich
weil sie hier auch nicht einmal nur einen Samen von sich retten werden.“ Der Krebs nun
nachdem er diese Rede gehört
tat sie auch den übrigen Wassertieren kund. Diese aber
Fische
Schildkröten und die übrigen
das Herz von Furcht erschreckt
gingen darauf zu dem Kranich und sagten: „Lieber! Gibt es ein Mittel
wodurch wir uns retten können?“ Der Kranich antwortete: „Nicht sehr weit von dieser Wasserstelle ist ein großer Teich
mit viel Wasser und einem Wald von Lotusblumen geschmückt. Der trocknet nicht aus
wenn auch der Regengott vierundzwanzig Jahre lang keinen Regen schickt. Wenn nun einer auf meinen Rücken steigen will
so führe ich ihn dahin.“ Darauf faßten die Wassertiere Vertrauen zu ihm
umringten ihn von allen Seiten und riefen: „Vater! Onkel! Bruder! Ich zuerst! Ich zuerst!“ Der Bösewicht aber ließ sie
einen nach dem andern
auf seinen Rücken steigen
ging nach einem vom Teich nicht weit entfernten großen Fels
warf sie darauf und schmauste sie dann nach Belieben. Dann kehrte er zum Teich zurück
erfreute die Herzen der Wassertiere durch falsche Berichte über ihr Wohlbefinden und verschaffte sich auf diese Weise seine Nahrung. Eines Tages sagte der Krebs zu ihm: „Lieber! Mit mir hast du zuerst liebevolle Rede gepflogen. Warum übergehst du mich nun und trägst die andern weg? Darum besorge jetzt die Rettung meines Lebens!“ Als er dieses hörte
dachte der Bösewicht: „Ich bin des Fischfleisches überdrüssig; drum soll mir dieser Krebs heute als Würze dienen.“ Dann sagte er „Ja“
ließ ihn auf seinen Rücken steigen und machte sich auf den Weg nach dem Richtstein. Der Krebs aber
da er schon aus der Ferne auf dem Stein einen Knochenberg erblickte und die Fischgräten erkannte
fragte ihn: „Lieber! Ist der Teich noch weit? Bist du durch meine Last sehr ermüdet? Sag doch!“ Er aber
indem er dachte „Das ist ein dummes Wassertier! Auf dem Trocknen ist es ohnmächtig.“
antwortete lächelnd: „Krebs! Wo ist an einen andern Teich zu denken? Dies ist die Art
wie ich mir meine Nahrung erwerbe. Darum empfiehl dich jetzt deiner Schutzgottheit! Denn auch dich werde ich auf diesen Stein werfen und fressen!“ Kaum hatte er das gesagt
als sein zarter
wie Lotusstengel lieblicher Hals durch die Schere des Krebses gepackt und zugeschnürt wurde und er bald tot war. Dieser nahm darauf diesen Hals des Kranichs und ging Schrittchen vor Schrittchen zum Teich zurück. Da wurde er nun von allen Wassertieren gefragt: „He! Krebs! Warum bist du zurückgekommen? Ist dem Vogel etwas zugestoßen? Auch ist ja dein Onkel nicht mit zurückgekehrt. Warum zögert er? Wir stehen hier alle voll Begierde und Erwartung.“ Nachdem sie so gesprochen
sagte der Krebs spottend: „Ihr Toren! Dieser hat alle Fische betrogen
sie nicht weit von hier auf einen Stein geworfen und aufgefressen. Ich habe noch bei lebendigem Leibe die Absicht dieses Treulosen erkannt und hier seinen Hals mitgebracht. Weg nun mit der Angst! Von jetzt an dürfen alle Wassertiere vergnügt sein!“ Daher sage ich: Nachdem er viele Fische verzehrt hatte
große
kleine und mittlere
da starb aus zu großer Freßgier doch der Kranich durch des Krebses Griff.“
Daher sage ich: Durch Hinterlist ist ausführbar, was Gewalt nicht zustande bringt: Vermittelst einer Goldkette schuf die Krähe der Schlange Tod. Und so: Ein schwacher Feind, dessen vor Übermut blind und sorglosen Sinns die Helden zuerst nicht achten, wo er noch leicht zu bemeistern war, wird dann, einer Krankheit gleich, unüberwindlich mächtig. So gibt es nichts in dieser Welt, was Weise nicht zu bemeistern vermöchten. Man sagt auch: Wer Verstand hat, der hat Stärke. Woher hätte der Dumme Kraft? Sieh nur! Ein Löwe, vor lauter Stolz ganz ohne Vernunft, wurde von einem Häschen zu Tod gebracht.“

Da fragte Karataka sagte „Wie war das?“, und jener erzählte:
Die Geschichte von dem großen fiesen Löwen und dem kleinen schlauen Hasen
In der Mitte eines Waldes lebte ein Löwe namens Bhasuraka (der „Heldenhafte“). Dieser nun brachte infolge seiner übermäßigen Stärke ohne Unterbrechung viele Gazellen, Hasen und andere Tiere um.
Da versammelten sich eines Tages alle Geschöpfe des Waldes: Gazellen, Eber, Büffel, Hasen und so weiter, gingen zu ihm und sagten:
„Oh Herr! Wozu diese unnütze Ermordung alles Wildes, da ja schon ein Tier genügt, um dich zu sättigen? Schließe deswegen mit uns eine Übereinkunft:
Von heute an magst du hier ruhig sitzen bleiben und jeden Tag soll nach der Reihenfolge der Geschöpfe ein Tier zu dir kommen, um sich von dir fressen zu lassen.
Auf diese Weise wird dir doch dein Lebensunterhalt ohne Anstrengung zuteil, und wir andrerseits werden nicht ausgerottet.
Das ist Königsrecht und demgemäß möge gehandelt werden.
Man sagt auch:
``Wer seine Herrschaft allmählich genießt, wenn sie Früchte bringt, wie der Weise den Allheiltrank, dem wird höchstes Gedeihen zuteil.´´
Selbst rauher Boden und Holzscheite, wenn nach Vorschrift mit Segensspruch bewegt, geben den Opferspeisenden die Früchte.
Wer gut des Untertans waltet, vermehrt seines Himmels Schatz. Doch Tyrannei zerstört Tugend und führt Sünde und Schimpf herbei.
Gleichwie der Kuhhirte durch Weide mäßig Milch von den Kühen zieht, so ziemt es sich, mäßig durch Hüten Geld vom Untertan zu ziehen.
Der Fürst, der seine Schützlinge aus Torheit ermordet, Ziegen gleich, der wird nur einmal sich freuen, doch nimmermehr zum zweiten Mal.
Ein König, der nach Frucht strebt, pflege die Welten eifrig mit Spende und Ehre, wie der Gärtner seine Schößlinge mit Wasser.
Der Fürst gleicht einer Lampe: Wie diese das Öl, so zieht er den Reichtum von seinen Untertanen an sich, ohne daß es dort wegen der leuchtenden, in der Lampe befindlichen Fäden des Dochtes, hier wegen der glänzenden inneren Eigenschaften des Königs von irgend jemand bemerkt wird. Wie man Kühe zur rechten Zeit melkt, so warte man des Untertans.
Der Strauch, der Blüten und Frucht trägt, wird begossen und wohlgehegt. Gleichwie ein zarter Baumschößling, wenn er mit Sorgfalt gepflegt wird, Früchte zu seiner Zeit spendet, so auch die Welt, wenn sie gut regiert wird.
Gold, Getreide und Juwelen, Roß und Wagen mancher Art und so auch, was sie sonst haben, kommt den Fürsten vom Untertan.
Fürsten, welche der Welt wohltun, nehmen immer an Segen zu: Wenn sie die Welt zugrunde richten, so gehen sie sicher selbst zugrunde.“
Als der Löwenkönig diese ihre Rede gehört hatte, sagte er:
„Ach! Was ihr sagt, ist wahr. Aber wenn, während ich hier sitze, nicht immer ein Tier zu mir kommt, dann werde ich euch alle zusammen auffressen.“
Darauf gaben sie mit den Worten „So sei es!“ ihr Versprechen und schweiften nun, frei von Gefahr, furchtlos in diesem Walde umher.
Jeden Tag kam aber, der Reihenfolge gemäß, ein Tier zu ihm. Ein altes oder eines, welches allem Irdischen entsagt hatte, oder ein von Kummer verzehrtes, oder eines, welches den Verlust von Frau und Kindern fürchtete, stellte sich aus ihrer Mitte um die Mittagszeit bei ihm ein, um ihm zur Speise zu dienen.
So kam denn einst, gemäß der Ordnung der Geschöpfe, die Reihe an den Hasen, und so wenig es ihm gefiel, wurde er doch von allem Wild fortgeschickt.
Indem er nun so langsam als möglich ging, überschritt er die bestimmte Zeit und mit angstvollem Herzen nach einem Mittel suchend, um dem Tod zu entgehen, kam er erst gegen Ende des Tages an.
Der Löwe aber, dessen Kehle infolge der Überschreitung der bestimmten Zeit von Hunger gereizt war, war voll Zorn, beleckte ringsum die Winkel seines Rachens und dachte:
„Aha! Morgen muß ich alle Geschöpfe im Wald ausrotten!“
Indem er so dachte, kam das Häschen Schrittchen vor Schrittchen anmarschiert, verbeugte sich und stellte sich ihm gegenüber.
Als nun der Löwe sah, daß dieses sonst so leichtfüßige Geschöpf so spät erst herangekommen war, wurde er ganz von Zorn entflammt und sprach drohend:
„Ha! Du lumpiges Häschen! Gerade du, der sonst der Leichtfüßigste ist, kommst lange nach der festgesetzten Zeit! Wegen dieses Verbrechens werde ich, nachdem ich dich getötet, morgen alle Tiere zusammen ausrotten.“
Darauf sprach das Häschen demütig, nachdem es sich verneigte:
„Oh Herr! Es ist hier weder von meiner Seite noch von seiten der übrigen Tiere etwas versehen. Mögest du die Veranlassung hören wollen!“
Der Löwe sagte:
„So tue sie rasch kund, bevor du zwischen meine Zähne gerätst!“
Das Häschen sprach:
„Oh Herr! Nachdem ich von sämtlichem Wild erfahren habe, daß heute nach der Ordnung der Geschöpfe die Reihe an mir sei, dem sehr Leichtfüßigen, wurde ich mit vier Hasen fortgeschickt.
Nachdem ich darauf unterwegs war, wurde ich von einem großen anderen Löwen, der aus einer Höhle kam, angeredet: «He da! Wohin geht ihr? Empfehlt euch eurer Schutzgottheit!»
Darauf antwortete ich: «Wir gehen, kraft des Vertrages, zu unserm Herrn Bhasuraka, um ihm als Futter zu dienen.»
Darauf sagte er: «Wenn dem so ist, so müssen sämtliche Tiere auch mit mir einen Vertrag schließen, denn mir gehört dieser Wald. Dieser Bhasuraka ist ein elender Räuber. Doch wenn er hier König ist, so laß mir die vier Hasen als Geiseln hier, fordere ihn hierher und komm so eilig wie möglich zurück, damit derjenige von uns beiden, welcher durch seine Stärke König sein wird, sämtliches Wild hier fresse.»
Darauf bin ich auf sein Geheiß zu dem Herrn gegangen. Dieses ist der Grund, weswegen ich die Zeit versäumt habe. Jetzt hat der Herr zu befehlen!“
Nachdem Bhasuraka dies gehört hatte, sagte er:
„Lieber! Wenn es sich so verhält, dann zeige mir rasch diesen Spitzbuben von einem Löwen, damit ich meinen Zorn gegen die Tiere auf ihn ausschütte und wieder zu mir selbst komme.
Man sagt auch:
``Land, Freunde und Gold - diese drei Dinge sind es, um die man Kriege führt. Doch wer keines von denen besitzt, der läßt sich nicht in Krieg ein. Wo kein großer Gewinn winkt oder kein Sieg in Aussicht steht, da wird nimmer Krieg anfangen und führen, wer Verstand besitzt.´´“
Der Hase sprach:
„Oh Herr! Das ist wahr! Des eignen Landes wegen und um Unbill abzuwenden, kämpfen die Krieger.
Dieser aber haust in einer Burg; macht er einen Ausfall aus der Burg, so sind wir bedrängt; bleibt er in der Burg, so ist er ein schwer zu besiegender Feind.
Man sagt auch:
``Was ein König nicht durch tausend Elefanten und zehntausend Rosse kann zustande bringen, das wird durch eine Burg erreicht.´´
Ein einziger Schütze wehrt hundert ab, wenn er auf einer Mauer steht. Deswegen haben Staatsmänner auch Festungen angeraten.
Auf seines Lehrers Rat baute sich sogar Indra eine Burg durch Visvakarmas Kunst, weil er Hiranyakashipu fürchtete.
Und welchem König er als Gnade eine feste Burg gewährt, dem folgt der Sieg, und Burgen werden ihm auf Erden zu Tausenden.
Wie eine Schlange, die zahnlos ist, wie ein brunstloser Elefant, so wird ein Fürst, der ohne Burg ist, leicht besiegbar für alle Welt.“
Nachdem er dies gehört, sagte Bhasuraka:
„Lieber! Zeige mir nur diesen Spitzbuben, wenn er sich auch in einer Burg befindet, damit ich ihn umbringe.
Denn man sagt auch:
``Wer nicht im ersten Ansatz Feind und Krankheit zu Boden schlägt, wird trotz aller Stärke doch ihr Opfer, sobald sie herangewachsen sind. Doch wer auf seine Kraft vertrauend, von Ehrbegier sich treiben läßt, kann seine Feinde allein töten, wie Bhrigus Sproß die Kshatriyas.´´“
Das Häschen sagte:
„Das ist wahr! Dennoch aber habe ich gesehen, daß er sehr stark ist. Darum geziemt es sich nicht, daß der Herr gehe, ohne dessen Kraft zu kennen.
Denn man sagt auch:
``Wer nicht die eigne Kraft kennt noch die des Feindes, und hitzigen Sinns zum Kampfe eilt, der geht unter, gleichwie die Motte im Licht. Der Schwache, welcher ausziehet, um einen mächtigen Feind zu schlagen, der wird demütig heimkehren, wie ein zahnloser Elefant.´´“
Da rief Bhasuraka:
„Ha! Was geht das dich an? Zeige mir ihn nur, wenn er auch in einer Burg haust!“ Und das Häschen antwortete: „Wenn du denn willst, so komm, oh Herr!“
Nachdem es dies gesagt, machte es sich vor ihm her auf den Weg, ging alsdann zu einem Brunnen und sagte zu Bhasuraka:
„Oh Herr! Wer ist fähig, deine Majestät zu ertragen? Hat sich doch auch dieser Spitzbube, nachdem er dich nur von weitem gesehen, in seine Burg zurückgezogen. Komm heran, damit ich ihn dir zeige!“
Nachdem er dies gehört, sagte Bhasuraka:
„Lieber! Zeige mir rasch die Burg!“
Darauf zeigte ihm der Hase jenen Brunnen. Der törichte Löwe aber, da er mitten im Brunnen auf dem Wasser sein Spiegelbild hervorleuchten sah, erhob ein Schlachtgebrüll, und darauf stieg durch dessen Echo aus dem Brunnen ein doppelt so starkes Gebrüll hervor.
Wie er aber dieses hörte, so dachte er „Der ist gewaltig stark!“, warf sich auf ihn und verlor das Leben.
Das Häschen aber, nachdem es freudigen Herzens allem Wild Glück gewünscht hatte und von diesem sehr gepriesen war, lebte vergnügt in diesem Walde.
Daher sage ich:
``Wer Verstand hat, der hat Stärke.´´
Woher hätte der Dumme Kraft? Sieh nur! Ein Löwe, vor Stolz ohne Vernunft, wurde von einem Häschen zu Tod gebracht.
Drum, wenn du es gutheißt, will ich hingehen und durch die Macht meiner Klugheit ihre Freundschaft trennen.“
Drum, wenn du es gutheißt, will ich hingehen und durch die Macht meiner Klugheit ihre Freundschaft trennen.“
Karataka sagte:
„Lieber! Wenn es so ist, so mögen deine Wege glücklich sein! Möge geschehen, was du beabsichtigst!“
Als darauf Damanaka den Pingalaka ohne Sanjivaka erblickte, benutzte er diese Gelegenheit, verbeugte sich und setzte sich vor ihm nieder. Pingalaka aber sagte zu ihm:
„Lieber! Warum hast du dich so lange nicht sehen lassen?“
Damanaka antwortete:
„Königliche Majestät bedürfen meiner ganz und gar nicht; darum nahe ich mich nicht.
Trotzdem wird mein Herz heftig gepeinigt, weil ich sehe, wie des Königs Angelegenheiten zugrunde gehen, und aus Bekümmernis komme ich nun doch von selbst, um zu reden.
Denn man sagt auch:
``Liebes oder selbst Unliebes, Glückliches und Unglückliches sollst du selbst ungefragt sagen dem, dessen Wohlergehen du wünschst.´´“
Als aber Pingalaka diese seine absichtsvolle Rede hörte, sagte er:
„Was willst du eigentlich sagen? Sprich es rein heraus!“
Dieser sagte darauf:
„Majestät! Dieser Sanjivaka hat gegen Euer Gnaden Verräterei im Sinn. Mir, der ich sein Vertrauen gewonnen, hat er heimlich Folgendes gesagt: «He! Damanaka! Ich habe nun Pingalakas starke und schwache Seiten kennengelernt. Ich werde ihn nun töten, mir die Oberherrschaft über alles Wild aneignen und dich zu meinem Minister machen.»"
„ Als Pingalaka diese furchtbare Rede hörte, die ihn wie der schwerste Donnerschlag traf, verlor die Besinnung und antwortete nicht eine Silbe.
Damanaka, da er ihn in diesem Zustand erblickte, dachte:
„Er ist doch durch Liebe an diesen Sanjivaka gefesselt.
Deshalb würde der König sicher durch diesen Minister zugrunde gehen.
Man sagt auch:
``Sobald ein Fürst einen Minister zum Herrn in seinem Reich macht, so ergreift diesen Betörung und Übermut, aus Stolz verdrießt ihn des Dieners Stand und so verdrossen pflanzt sich Begierde nach Unabhängigkeit in sein Herz; aus Unabhängigkeitsgier stellt er dann des Fürsten Leben nach.´´
Was ist also hier ratsam?“
Pingalaka aber, nachdem er wieder zum Bewußtsein gekommen war, sagte zu ihm:
„Damanaka! Sanjivaka ist doch ein Diener, der mir so lieb wie mein Leben ist. Wie sollte der Verrat gegen mich im Sinne führen?“
Damanaka antwortete:
„Diener oder Nichtdiener! Das sind Worte, die auf sehr verschiedene Weisen verstanden werden können. Man sagt auch:
``Keinen einzigen Mann gibt es, der nicht der Könige Macht begehrt. Nur die, die keine Kraft haben, dienen den Königen allerwärts.´´“
Pingalaka sagte:
„Lieber! Trotzdem verändert sich meine Gesinnung gegen ihn nicht.
Sagt man doch auch mit Recht: Wer wird nicht seinen Leib lieben, wenn er auch voll Gebrechen ist: Wer einmal Freund, wenn auch fehlend, der bleibt doch immer unser Freund.“
Damanaka sagte:
„Daher grade dieses Unglück!
Man sagt auch:
``Auf wen der Fürst allzu gnädig sein Auge einmal geworfen hat, ob hochgeboren, ob niedrig, der ist der Glücksgöttin Gefäß.´´
Aber um welcher ausgezeichneten Eigenschaft willen hält der Herr den Sanjivaka in seiner Nähe, welcher doch gar nichts Hervorragendes besitzt? Wenn aber Majestät etwa so denkt «Er hat einen großen Körper, und vermittelst desselben werde ich meine Feinde vernichten!», so ist dieser Schluß bei ihm nicht richtig: Denn er ist ein Grasfresser.
Eurer Majestät Feinde dagegen sind Fleischfresser, daher ist die Verbindung mit ihm zur Bewältigung Eurer Feinde von keinem Nutzen.
Drum möge er getötet werden, nachdem ihm seine Schuld vorgehalten ist. Hast du nicht gehört?
Weil ich nicht tat, was mir Tiger, Schlange und auch Affe rieten, darum wurde ich vom Bösewicht in dieses Unglück geschleudert.“
Da fragte Pingalaka
„Wie war das?“, und Damanaka erzählte:
Die dankbaren Tiere und der undankbare Mensch
In einem gewissen Orte lebte ein Brahmane namens Yajnadatta („vom Opfer gegeben“). Dessen Brahmanin (seine Ehefrau) sprach von Armut überwältigt von Tag zu Tag folgendermaßen:
„Ach! Du mutloser und hartherziger Brahmane! Wie du so sorglos dastehst, siehst du nicht, wie deine Kinder von Hunger gequält werden? Begib dich auf irgendeine Reise, suche dort mit all deinen Kräften ein Mittel, um Nahrung anzuschaffen und komme so schnell wie möglich wieder zurück.“
Weil der Brahmane ihrer Reden überdrüssig ward, fing er an, eine große Reise zu unternehmen.
Nach einigen Tagen geriet er in einen großen Wald. Indem er so im Walde ging, war er durstig und suchte nach Wasser. Da sah er an einem Ort eine von Laub bedeckte große Grube.
Wie er hineinsieht, so erblickt er darin einen Tiger, einen Affen, eine Schlange und einen Menschen. Als sie ihn erblickten, sprach der Tiger, nachdem er erkannt hatte, daß er ein Mensch war:
„Oh! Oh! Du Tugendreicher! Bedenke, daß es ein großes Verdienst ist, lebendige Geschöpfe zu retten, und ziehe mich heraus, damit ich wieder in den Kreis meiner lieben Freunde, meiner Frau und Familie gelange!“
Der Brahmane aber sprach:
„Durch die bloße Erwähnung deines Namens gerät alles Lebende in Furcht. Sollte ich mich nicht also auch vor dir fürchten müssen?“
Der Tiger aber entgegnete:
„Für den Mörder eines Brahmanen, für Säufer, Schurken, Diebe und Gelübdebrecher gibt es Bußen, aber für Undankbare nicht.“
Weiter sprach er noch:
„Mit einem dreifachen Schwur schwöre ich: Du hast keine Gefahr von mir zu befürchten. Drum habe Mitleid und zieh mich heraus!“
Darauf überlegte der Brahmane in seinem Herzen 'Selbst der Tod, wenn man ihn erleidet, indem man das Leben eines lebendigen Wesens rettet, bereitet Seligkeit.' und half ihm deshalb aus der Grube.
Nun sprach auch der Affe zu ihm:
„Oh Guter! Hilf auch mir heraus!“
Nachdem er dies gehört, half der Brahmane auch diesem heraus. Dann sprach die Schlange:
„Oh Zweifachgeborener! Hilf auch mir heraus!“
Nachdem er dies gehört, sagte der Brahmane:
„Man zittert schon auch nur euren Namen zu nennen, geschweige euch zu berühren!“
Die Schlange sprach:
„Es ist nicht unser freier Wille! Wir beißen nicht, wo wir nicht dazu aufgeregt werden. Mit einem dreifachen Schwur schwöre ich: Vor mir brauchst du dich nicht zu fürchten.“
Nachdem er dieses gehört hatte, half er ihr heraus. Darauf sprachen die Tiere zu ihm:
„Aller Schlechtigkeiten Sitz ist ein Mensch: Das bedenke und hilf diesem weder heraus noch schenke ihm Vertrauen!“
Und der Tiger sprach von neuem:
„Auf der nördlichen Seite des vielgipfligen Berges, welchen du hier siehst, ist in einem Felsspalt meine Höhle. Dahin mußt du die Gewogenheit haben einmal zu mir zu kommen, damit ich dir meinen Dank vergelte, um nicht noch in einem zukünftigen Leben dein Schuldner zu sein!“
Nachdem er so gesprochen, machte er sich auf den Weg nach seinem Hause. Darauf sagte der Affe:
„Ebendaselbst in der Nähe der Höhle ist meine Wohnung dicht bei einem Wasserfall. Dahin mußt du zu mir kommen!“
Nachdem er so gesprochen ging er weg. Und die Schlange sprach:
„Wenn du in eine Lebensgefahr gerätst, dann erinnere dich meiner!“
Nachdem sie so gesprochen ging sie, woher sie gekommen war. Darauf schrie der Mann in der Grube wiederholt:
„Oh! Oh Brahmane! Hilf auch mir heraus!“
Schließlich wurde der Brahmane doch von Mitleid bewegt, bedachte 'Das ist ein Mensch wie ich!' und zog ihn heraus.
Und der Mann sprach:
„Ich bin ein Goldschmied. Wenn du, oh Brahmane! etwas Gold bearbeiten lassen willst, dann bring es nur zu mir!“
Nachdem er so gesprochen hatte, ging er, woher er gekommen war.
Der Brahmane aber irrte umher, ohne das Geringste zu finden. Indem er sich von Hunger gequält wieder nach Hause wenden wollte, erinnerte er sich der Rede des Affen.
Er ging zu ihm, sah ihn, erhielt von ihm Früchte so süß wie Ambrosia und wurde damit gespeist. Der Affe sprach alsdann wieder:
„Wenn dir mit Früchten gedient ist, so komm nur immer zu mir!“
Der Zweifachgeborene sagte:
„Du hast alles getan! Zeige mir aber nun den Tiger!“
Er führte ihn hin und zeigte ihm den Tiger. Der Tiger, sobald er ihn erkannt hatte, schenkte ihm, um ihm seine Wohltat zu vergelten, ein goldenes Halsband samt übrigem Schmuck und sprach:
„Irgendein Königssohn, welcher durch sein Pferd fortgerissen wurde und ganz allein war, fiel in meine Klauen und ward von mir umgebracht. Von ihm rührt dies alles her und wurde von mir für dich bestimmt und deinetwegen aufgehoben. Dieses nimm und gehe wohin du beabsichtigst!“
Der Brahmane nahm es, erinnerte sich des Goldschmieds, und indem er dachte 'Aus Erkenntlichkeit gegen mich wird er den Verkauf besorgen.' ging er zu ihm.
Der Goldschmied erwies ihm mit großer Aufmerksamkeit die Pflichten eines Gastempfängers: Die Ehrengabe zum Fußwaschen, Einladung zum Niedersitzen, Begrüßung, Speisung und so weiter. Dann sprach er:
„Möge der Herr befehlen, was ich tun soll!“
Der Zweifachgeborene sagte:
„Ich habe Gold mitgebracht, das sollst du verkaufen!“
Der Goldarbeiter sprach:
„Zeige mir das Gold!“
Jener zeigte es. Als es der Goldarbeiter gesehen, dachte er: 'Von mir selbst ist dieses für den Sohn des Königs gearbeitet.' Nachdem er so im Herzen erwogen, sprach er:
„Der Herr möge hierbleiben, während ich es irgend jemandem zeige."
Nachdem er so gesprochen, ging er an den Hof des Königs und zeigte es dem König. Und der König, nachdem er es gesehen, sagte:
„ Woher hast du dieses bekommen?“
Er antwortete:
„In meinem Hause befindet sich ein Brahmane, der hat es gebracht.“
Darauf dachte der König:
„Sicherlich hat eben dieser Bösewicht meinen Sohn getötet, das soll er mir büßen!“
Darauf erhielten die Wachtmänner den Befehl:
„Man binde diesen Auswurf von einem Brahmanen und spieße ihn auf, sobald der Tag anbricht!“
Als der Brahmane von ihnen gebunden ward, erinnerte er sich der Schlange. In demselben Augenblicke, wo er ihrer gedachte, stand sie vor ihm und sprach:
„Was soll ich dir für einen Gegendienst leisten?“
Der Zweifachgeborene sagte:
„Befreie mich aus dieser Gefangenschaft!“
Sie antwortete:
„Ich werde des Königs Lieblingsgemahlin beißen. Alsdann soll sie weder durch die Beschwörung des allergrößten Zaubersprechers, noch durch die Bestreichung mit giftvertreibenden Arzneimitteln anderer Ärzte das Gift los werden. Es soll nur verschwinden, sobald du sie nur mit der Hand berührst. Dann wirst du freigelassen.“
Nachdem sie dies Versprechen gegeben hatte, wurde die Königin von der Schlange gebissen.
Da erhob sich ein Klagegeschrei am Hofe des Königs, und die ganze Stadt geriet in Schrecken. Darauf wurden die Schlangengiftärzte, Beschwörer, Zauberer und Heilkünstler zusammengerufen, welche in anderen Ländern wohnten.
Von allen zusammen wurden nach dem Maß ihrer Kräfte Heilmittel versucht, aber keine einzige Behandlung befreite sie vom Gift.
Als darauf der Zweifachgeborene den Trommelschlag des herumwandernden (Trommlers) hörte, so sagte er:
„Ich will sie vom Gift befreien.“
Infolge dieser Rede wurde der Brahmane aus dem Gefängnis erlöst, zu dem König geführt und diesem angemeldet.
Darauf sagte der König:
„Befreie sie vom Gift!“
Er aber ging zu der Königin und befreite sie durch bloße Berührung mit der Hand vom Gift.
Als der König sie nun wieder lebendig sah, erwies er ihm Ehre und Achtung und fragte ihn mit großer Ehrfurcht:
„Auf welche Weise hast du das Gold erhalten?“
Der Zweifachgeborene erzählte alles von Anfang an, was ihm begegnet war, der Wahrheit gemäß. Als der König den Sachverhalt erkannt hatte, ließ er den Goldschmied ins Gefängnis werfen, und jenem schenkte er tausend Dörfer und stellte ihn als seinen Minister an.
Dieser holte nun seine Familie und lebte vergnügt in der Gemeinschaft mit seinen Freunden, indem er sich an den Werken des Genusses (Verdienst und Gerechtigkeit) erfreute, sich ein an frommen Werken reiches Nachleben durch vielfache Opferdarbringungen erwarb und durch die Sorge für das ganze Königreich die Oberherrschaft mit genoß.
Daher sage ich:
"Weil ich nicht tat, was mir Tiger, Schlange und auch Affe rieten, darum wurde ich vom Bösewicht in dieses Unglück geschleudert.“
``Der Dämon, der durch mich mächtig wurde, darf nicht durch mich zugrunde gehen: Sogar den selbstgepflegten Giftbaum selber auszurotten, ziemt sich nicht.´´
„Das ist nicht die Pflicht eines Königs, daß er selbst dem Verräter verzeihe.
Da fragte Pingalaka:
Man erzählt auch:
``Wessen Charakter du nicht kennst, dem gib auch keine Zufluchtsstatt. Durch einer Wanze Schuld büßt die langsam Kriechende ihr Leben ein.´´“
``Auf heißem Eisen ist vom Tropfen keine Spur mehr zu sehen. Aber wenn derselbe auf dem Lotusblatt ruht, strahlt er in Perlgestalt; wird zur Perle selbst, wenn er in glücklicher Stunde in des Meeres Auster fällt. So folgt gewöhnlich aus der Umgebung hoher, mittlerer und niederer Stand.´´
Und so:
Man sagt auch:
Man sagt auch:
Damanaka sagte:
Damit mußt du durch diesen Grasfresser auf deinen Umgang treffen, denn du wirst niemals wieder Erfolg auf der Jagd haben.
Und so:
``Wie die Diener, die man braucht, und wie die sind, die einer liebt, so grade wird der Herr werden, das ist unzweifelhaft gewiß.´´
Wie kann ich ihn nun selbst umbringen?
Außerdem hast du infolge deiner Freundschaft mit ihm sämtliche Königspflichten vernachlässigt. Infolge dieser Vernachlässigung deiner Königspflichten ist dir auch dein gesamtes Gefolge entfremdet worden.
``Wer gütig gegen Wohltäter, was ist an dessen Güte groß? Wer gütig gegen Schuldvolle, der wird von Guten gut genannt. Deshalb darf ich nichts Feindliches gegen ihn begehen, selbst wenn er Verrat im Sinne hätte.´´“
Man sagt auch:
``Durch die Verbindung mit Schlechten verändern sich sogar die Guten: Als Duryodhanas Bundes-Bruder zog Bhishma zum Rinderraub aus. Daher vermeiden auch die Edlen jede Verbindung mit Gemeinen.´´
Wenn du aber hierbei beharrst, so scheint sogar deine innere Natur gegen Verletzung von lebendigen Wesen eingenommen.
Dann ist Sanjivaka in jeder Weise mein Freund. Ich habe gar keinen Zorn gegen ihn.
Denn Sanjivaka ist ein Grasfresser, du aber und deine Untertanen sind Fleischfresser.
Deswegen möge der Herr unseren guten Rat auf keine Weise vernachlässigen. Außerdem habe ich dem Stier auf dein Wort hin vollständige Sicherheit gewährt.
Und so:
„Wen du vorher als Rechtschaffenen in dem Rate bezeichnet hast, den sollst du nimmer anklagen, wenn du dein Wort in Ehren hältst.
Aber wie können nun jene Fleisch fressen, wenn du dich nicht mehr darum bemühst? So werden bald alle fleischfressenden Diener dich, der du dessen ermangelst, verlassen und in einen andern Wald gehen.
``Entweder schenke Unwürdigen von Anfang an keine Liebe, oder wenn du sie schenkst, so laß sie sich von Tag zu Tag vermehren! Erst zu erheben, und dann niederzuwerfen, das bereitet nur Schande. Denn daß falle, was auf dem Boden steht, wird nicht einmal gefürchtet.´´
``Wer einen Diener nicht umbringt, der gleich reich und gleich mächtig wurde, der unsere Schwächen kennt, beharrlich ist und halb herrscht, der kommt selber um.´´
Und so:
„Wie war das?“, und jener erzählte:
Doch Pingalaka sagte:
Die Wanze und die Laus
Ein König hatte an einem gewissen Ort ein sehr schönes Bett. In diesem wohnte, in der Mitte zwischen einem Paar reinweißer Tücher, eine weiße Laus, mit Namen Mandavisarpini („die langsam Kriechende“).
Diese brachte da ihre Zeit vergnügt zu, indem sie sich von des Königs Blut nährte.
Da kam eines Tages, herumirrend, eine Wanze namens Agnimukha („Feuermund“) in dieses Bett.
Als jene diese erblickte, sprach sie mit betrübtem Gesicht:
„Oh Agnimukha! Woher kommst du zu diesem dir nicht gebührenden Ort? Geh rasch weg, ehe dich noch jemand bemerkt!“
Diese antwortete:
„Oh Glückliche! Selbst zu einem Schlechten spricht man nicht so, wenn er ins Haus kommt.
Man sagt ja:
``Komm! Willkommen! Setz dich hier nieder! Warum habe ich dich so lange nicht gesehen? Wie geht es? Bist du etwa krank? Auf dein Wohlsein! Ich bin erfreut, dich zu sehen!´´
So ziemt es sich immer für die Guten, selbst wenn ein Niederer zum Haus kommt. Dies ist, der heiligen Schrift gemäß, des Hausherrn Pflicht, die leicht ist und zum Himmel führt.
Außerdem habe ich vieler Menschen verschiedenartiges Blut gekostet, welches wegen ihrer Nahrung von salzigem, beißendem, bitterem, zusammenziehendem und saurem Geschmack war.
Aber noch niemals habe ich honigsüßes Blut geschmeckt.
Wenn du mir nun eine Gnade erweisen willst, so laß mich das Glück genießen, mit der Zunge das süße Blut dieses Königs zu kosten, welches sich infolge des Genusses von mit mancherlei Gewürzen gekochten Speisen, Getränken, Leckereien und Naschereien in seinem Körper gebildet hat.
Man sagt auch:
``Dem König wie dem Armen gewährt die Zunge gleiche Lust: Sie gilt allein als das Beste, und ihretwegen quält sich der Mensch.´´
Und so:
``Wenn in der Welt keine Nahrung wäre, die der Zunge Vergnügen macht, dann würde keiner Dienst tun oder andern gehorsam sein. Deshalb macht ein Sterblicher für seinen Bauch alles: Er lügt, ehrt, was nicht der Ehre wert ist, und verläßt sogar seine Heimat.´´
So muß auch ich, der ich von Hunger gequält in dein Haus komme, dich um Nahrung bitten: Es ziemt sich nicht, daß du allein dieses Königs Blut genießt.“
Nachdem sie dies gehört, sagte die Laus:
„Höre Wanze! Ich will zuerst dieses Königs Blut kosten, nachher, sobald er im Schlaf liegt, darfst auch du, schnellfüßiger Agnimukha! Wenn du auf diese Weise mit mir das Blut trinken willst, so bleibe und koste das so sehr gewünschte Blut!“
Die Wanze antwortete:
„Glückliche! Ich werde es so machen. Mich treffe der Götter und meiner weltlichen und geistlichen Eltern Fluch, wenn du nicht zuerst des Königs Blut kostest!“
Während sie so miteinander sprachen, legte sich der König ins Bett und fing an einzuschlafen.
Die Wanze aber, deren Leidenschaft durch die Begehrlichkeit der Zunge aufgeregt war, biß den König, während er noch wachte.
Sagt man ja doch mit Recht:
``Die eigene Grundnatur läßt sich durch keine Bitte verändern. Sogar sehr heiß gemachtes Wasser wird wieder kalt in kurzer Zeit. Wenn Feuer einmal kalt sein wird und der Kaltstrahlende (Mond) brennend heiß, alsdann wird man auch der sterblichen Grundnatur umwandeln können.´´
Der König aber, welcher wie von einer Nadelspitze gestochen war, verließ das Lager, stand augenblicklich auf und rief:
„He! Seht einmal nach! In dieser Decke versteckt sich sicherlich eine Wanze oder eine Laus, denn ich bin gebissen worden!“
Die Haremsdiener aber, welche gegenwärtig waren, schlugen eiligst das Deckbett zurück und stellten mit scharfen Blicken eine Untersuchung an.
Mittlerweite war die Wanze durch ihre große Schnelligkeit ans Ende der Bettstelle gehuscht.
Die Laus aber, die sich in die Falten des Bettzeugs verkrochen hatte, wurde von ihnen erblickt und umgebracht. -
Daher sage ich:
``Wessen Charakter du nicht kennest, dem gib auch keine Zufluchtsstatt: Durch einer Wanze Schuld büßt die langsam Kriechende ihr Leben ein. Indem du dieses beherzigst, mußt du ihn umbringen. Falls nicht, wird er dich töten.´´
Der blaue Schakal
In einer gewissen Waldgegend wohnte ein Schakal mit Namen Chandarava („schrecklich schreiend“).
Dieser drang einst, von Hunger überwältigt und von der Begierde seiner Zunge getrieben, in das Innere einer Stadt ein.
Als ihn aber die in der Stadt hausenden Hunde allenthalben herumlaufen sahen, fingen sie an, ihn mit den Spitzen ihrer scharfen Zähne zu beißen.
Schwer gequält stürzte er aus Furcht um sein Leben in das in der Nähe befindliche Haus eines Färbers. Da war nun ein großes Gefäß voll Indigo zubereitet, und von den Hunden verfolgt fiel er grade dahinein.
Als er aber herauskam, war er vom Indigo ganz blau gefärbt. Darauf liefen alle Hunde weg, da sie eine solche Art Schakal in ihrer Umgebung nicht kannten.
Chandarava aber benutzte diese Gelegenheit und machte sich auf den Weg nach dem Wald, denn die Indigofarbe blieb an ihm haften.
Man sagt ja:
``Sesamschminke, Toren, Weiber und Krebse, sowie auch Fische, Indigo und Trunkenbolde lassen nimmer, was sie gefaßt.´´
Wie sie nun dieses völlig neue Tier erblickten, welches einen Glanz hatte, wir das Gift am Hals von Shiva, verloren sämtliche wilden Tiere, die Löwen, Tiger, Panther, Wölfe und so weiter vor Furcht die Besinnung, flüchteten nach allen Seiten und riefen:
„Weh! Woher in aller Welt mag dieses nie vorher gesehene Tier hierhergekommen sein? Niemand weiß, was sein Treiben und wie seine Stärke ist.
Drum laßt uns weggehen, soweit wie möglich! Man sagt ja: Wessen Treiben, Abstammung und Körperkraft man nicht kennt, dem vertraut niemals der Kluge, wenn ihm sein Wohl am Herzen liegt.“
Chandarava aber, als er sie von Furcht verwirrt sah, sagte Folgendes:
„He! He! Ihr Tiere! Warum flieht ihr so erschrocken vor meinem Anblick? Fürchtet euch nicht! Brahman selbst hat mich heute vor sich gerufen und so angeredet:
«Weil unter den Tieren kein König ist, so wirst du heute von mir unter dem Namen Kakudruma zum Herrn über alle Tiere gesalbt. Geh nun zur Erde und herrsche über sie alle!»
Darauf bin ich hierhergekommen. Nun sollen alle Tiere beständig unter dem Schatten meines Schirmes wohnen! Ich, König Kakudruma, bin der König der Tiere in den drei Welten geworden!“
Nachdem sie dies gehört, umringten ihn die Tiere mit dem Löwen an der Spitze und sprachen:
„Herr! Gebieter! Erteile deine Befehle!“
Darauf gab er dem Löwen die Stelle eines Ministers, dem Tiger die Bewachung seines Lagers, dem Panther die Oberaufsicht über den Betel, dem Elefanten das Amt des Torhüters und dem Affen das Tragen des Sonnenschirmes.
Mit denjenigen aber, die zu seinem Geschlecht gehörten, sprach er nicht einmal ein Wort mehr: Alte Schakale wurden an den Hals gepackt und herausgeworfen.
Indem er nun so das Königsamt verwaltete, töteten der Löwe und die übrigen Raubtiere das Wild und legten es ihm zu Füßen.
Er aber verteilte es nach der Pflicht des Gebieters und gab einem jeden davon.
Indem so die Zeit verging, hörte er einst, während er sich im Staatsrat befand, aus der Ferne das Geschrei einer heulenden Schakal-Herde.
Wie er diesen Ton vernahm, starrten ihm die Haare am Körper vor Freude in die Höhe, vor Ergötzen füllten sich seine Augen mit Tränen, er erhob sich und fing an, in schrillem Ton zu heulen.
Als aber der Löwe und die übrigen Tiere diesen schrillen Ton hörten, erkannten sie „Das ist ein Schakal!“, standen einen Augenblick mit vor Scham zu Boden gesenktem Gesicht und sagten dann zueinander:
„Ha! Wir haben uns von diesem lumpigen Schakal anführen lassen! Schlagt ihn tot! Schlagt ihn tot!“
Der Schakal aber, als er dies hörte, versuchte zu fliehen, wurde aber von dem Löwen und den übrigen Tieren sogar am ungeziemenden Orte (d.h. im Staatsrat, der gewissermaßen heilig ist) in Stücke gerissen und so getötet.
- Daher sage ich:
``Wer seine nächsten Freunde aufgibt und Fremde sich zu Freunden macht, der wird dem Tod anheimfallen, gleichwie König Kakudruma.´´“
Nachdem er dies gehört, sagte Pingalaka:
„He! Damanaka! Welchen Beweis hast du dafür, daß er gegen mich schlechtgesinnt ist?“
Dieser antwortete:
„Majestät! Heute hat er in meiner Gegenwart den Entschluß gefaßt und gesagt:
«Morgen will ich Pingalaka töten!»
Und Folgendes diene dir in Bezug darauf als Beweis: Morgen wird er zu dem von ihm erwählten Zeitpunkt, Gesicht und Augen von Zorn gerötet, mit aufgeworfener Unterlippe in die Luft blickend, sich auf einen ungewohnten Platz niederlassen und dich mit wildem Blick betrachten.
Dies beherzigend, tue, was angemessen ist!“
Nachdem er so gesprochen, verneigte er sich vor ihm und machte sich auf den Weg zu Sanjivaka.
Sanjivaka aber, da er ihn nach Art eines Ängstlichen Schritt vor Schritt herankommen sah, sprach ehrfurchtsvoll zu ihm:
„Oh Freund! Sei willkommen! Du hast dich lange nicht sehen lassen. Befindest du dich wohl? So sprich denn, damit ich dir, der du in mein Haus gekommen bist, das gebe, was man eigentlich nicht zu geben braucht.
Denn man sagt auch:
``Die sind glücklich, die hochweise und auf Erden des Preises wert, zu deren Haus die Herzfreunde kommen, wenn es gilt, etwas zu tun.´´“
Damanaka sagte:
„Wie kann sich ein Hofmann wohl befinden?
Man sagt ja:
``Die sich dem Fürstendienst weihen, deren Glück hängt von andern ab. Ihr Herz ist nimmermehr ruhig und selbst ihr Leben stets in Gefahr.´´
Und so:
``Siehe, was Diener tun, welche Reichtum durch Fürstendienst suchen: Selbst des eigenen Leibes Freiheit wird von den Toren eingebüßt.´´
Und ein anderes:
``Ewige Armut, die in jedem Leben zu schwerem Leid zurückkehrt, ist gegen Fürstendienstnahrung eine unendlich kleinere Qual. ´´
Fünf sind es, die Vyasa, trotz ihres Lebens, dennoch unter die Toten zählt: der Arme, der Kranke und der Tor, der Verbannte und der Fürstenknecht.
Sie essen nicht vor Diensteifer, stehen ungeschlafen wieder auf und mögen furchtlos kein Wort reden: Lebt da ein Fürstendiener noch?
Wer den Fürstendienst ein Hundeleben nennt, der lügt, denn der Hund bewegt sich immer noch freiwillig, der Fürstendiener auf Befehl.
Am Boden liegen, keusch leben, Abmagerung und schmale Kost: Darin sind die Diener den Büßern gleich.
Doch Sünde und Tugend machen den Unterschied. Selbst Kälte, Hitze und sonstige Leiden, welche der Fürstendiener trägt, helfen ihm wenig zum Reichtum, wenn er nicht von der Tugend läßt.
Ein noch so feiner, ganz reiner, dick und fetter und lieblicher Leckerbissen, was ist er wert, wenn er durch Fürstendienst erlangt wurde?“
Sanjivaka sprach:
„Was willst du denn aber eigentlich sagen?“
Und jener antwortete:
„Freund! Es geziemt sich nicht, daß Minister einen gefaßten Entschluß verraten.
Denn man sagt auch:
``Wer, im Ministeramt stehend, seines Herren Beschluß verrät, der wird zur Hölle einfahren, weil er des Königs Werk zerstört.´´
Wenn ein Minister seines Königs Geheimnisse ausplaudert, so ist er dessen «Schwertmörder», wie Narada verkündet hat.
Trotzdem will ich wegen der Bande der Freundschaft, die mich an dich knüpfen, das Amtsgeheimnis brechen, weil du im Vertrauen auf mein Wort an diesen Königshof gekommen bist.
Man sagt ja:
``Wenn einer, weil er jemandem vertraute, irgendwie den Tod erleidet, so ist sein Tod das Werk dessen, dem er vertraute: Das ist das Wort, das Manu sprach (der die indischen Gesetzbücher aufgestellt hat).´´
Pingalaka ist nämlich gegen dich übelgesinnt, und heute hat er zu mir unter vier Augen gesagt:
«Morgen bringe ich den Sanjivaka um und werde so meinem gesamten Gefolge auf lange Zeit Sättigung bereiten.»
Darauf sagte ich zu ihm:
«Oh Herr! Es ziemt sich nicht, durch Verrat am Freund seinen Lebensunterhalt zu erwerben.»
Denn man sagt auch:
``Selbst eines Brahmanen Mord wird mittels Buße ausgesühnt, doch eines Freundes Mord niemals, und wenn man sich drum zerrisse.´´
Darauf sagte er zu mir voll Unwillen:
«Ha! Du Bösewicht! Sanjivaka ist ja ein Grasfresser, und wir sind Fleischfresser. Daher besteht zwischen uns eine auf unserm Grundwesen beruhende Feindschaft.
Wie kann also ein Feind vor meinen Augen geduldet werden? Darum soll er durch eines der Mittel, deren erstes das Schmeicheln ist, getötet werden.
Auch trifft uns durch seine Ermordung keine Schuld. Man sagt ja:
``Den Feind - und wäre es der eigene Schwiegersohn selbst - schafft der Verständige aus dem Weg. Ist es nicht auf andere Art möglich, so ist auch Mord nicht unerlaubt. Ob Recht oder Unrecht bedenke niemals der Krieger, der zum Kampf geht; wie auch Dhrishtadyumna vor Zeiten im Schlaf von Dronas Sohn ermordet wurde.´´
So bin ich denn, nachdem ich seinen Entschluß erfahren habe, zu dir hierhergekommen. Jetzt fällt keine Schuld der Treulosigkeit auf mich. Ich habe dir den wohlverheimlichten Beschluß kundgetan. Tue nun, was dir dagegen dienlich scheint!»
Sanjivaka aber, nachdem er diese Rede, furchtbar wie ein Donnerschlag gehört hatte, verlor einen Augenblick die Besinnung.
Alsdann, nachdem er wieder zu sich selbst gekommen war, sagte er voll Kummer Folgendes:
„Ach, mit Recht sagt man:
``Meist werden gute Frauen den Schlechten zuteil, lieblos ist der Könige Herz, Reichtum läuft dem Geizhals nach und die Wolke regnet auf dem Berg und Meer.´´
Wer törichterweise bei sich denkt «Ich stehe in des Königs Gunst!», in dem erkenne einen Ochsen, der die Hörner verloren hat.
Lieber im Wald hausen, lieber betteln, vom Lastentragen leben oder sogar krank sein, als Glücksgüter durch Beamtentum gewinnen.
Darum habe ich unangemessen gehandelt, indem ich Freundschaft mit ihm schloß.
Denn man sagt auch:
``Nur wo beide gleich an Reichtum und gleich an Art sind, da geziemt sich Ehe oder Freundschaft, doch zwischen Starken und Schwachen nicht.´´
Und so:
``Der Hirsch begehrt sich mit dem Hirsch zu einen, Stier mit dem Stier, Rosse mit den Rossen, der Tor mit Toren und der Weise mit dem Weisen: Des Strebens und Charakters Gleichheit bildet Freundschaft.´´
Drum wenn ich auch hingehe und ihn mir geneigt zu machen versuche, so wird er mir doch nicht gnädig werden.
Denn man sagt auch:
``Wer aus irgendeinem Grund in heftigen Zorn geraten ist, wird sicherlich versöhnt, sobald der Grund entfallen ist. Wer aber ohne allen Grund die größte Feindschaft gefaßt hat, auf welche Weise könnte man diesen jemals zufriedenstellen?´´
Ach! Was habe ich denn meinem Gebieter Pingalaka getan?“
Damanaka sprach:
„Freund! Die Könige kennen keine Dankbarkeit und suchen andere zugrunde zu richten.“
Jener sagte:
„So ist es! Mit Recht sagt man Folgendes:
``Treuergebenen, Verdienstvollen, des Freundes Bestem sich Widmenden, des Dienstes Regeln und Wesen Kennenden, selbst wenn sie frei sind von Verrat, liegt doch im schwankenden Herzen die Qual: Wird es gut gehen oder nicht?´´
Drum ist der Dienst bei einem König wie der am Meer stets furchtgepaart.
Und so:
``Eine Wohltat sogar von Liebe-Ergebenen wird verhaßt, und von anderen dient augenfällig eine Untat zur Liebe selbst: Weil der Könige mannigfach wechselvoller Sinn schwer zu ergründen ist, ist auch unergründlichst des Dieners Amt, von Heiligen selbst nicht zu bemustern.´´
Das aber sehe ich ein: Pingalaka ist von anderen in seiner Nähe Befindlichen, welche es nicht ertragen können, daß er mir gnädig ist, gegen mich aufgehetzt. Deswegen spricht er so von mir, obgleich ich schuldlos bin.
Man sagt auch:
``Es gibt Diener, die ertragen es nicht, wenn der Herrscher anderen gnädig ist. Selbst bei Wohltaten sind sie feindlich und voll Zorn, wie die Frauen eines Mannes.´´
Und dies ist auch darum der Fall, weil, wo sich Begabte in der Nähe befinden, Unbegabten keine Gunst zuteil wird.
Doch nein! Es ist meine Schuld, weil ich mich in den Dienst eines schlechten Freunds begeben habe!
Es heißt ja:
``Zur Unzeit handeln, unpassend reden und schlechtem Freund dienen: Das soll man nimmer! Sieh, wie der im Lotuswald schlafende Vogel vom Pfeil getötet wird, der vom Bogen schnellt.´´“
Da fragte Damanaka:
„Wie ist das?“, und Sanjivaka erzählte:
Der Schwan und die Eule:::

In einer gewissen Waldgegend ist ein sehr großer See, und da wohnte ein Schwan mit Namen Madarakta („der Freude geneigt“), und dieser brachte seine Zeit mit vielen und mannigfachen Spielen zu. ::: Einstmals aber kam der sein Ende bringende Tod in Gestalt einer Eule zu ihm. Als er sie erblickte, sagte der Schwan: ::: „He, Eule! Aus welchem Grunde kommst du hierher?“ :::Diese sprach: ::: „Ich komme, weil ich von deinen Tugenden gehört habe. Denn auch: Die ganze Erde durchwandernd, einzig suchend der Tugend Schatz, fand ich als höchste nur deine. Darum habe ich mich dir genaht. ::: Mit dir muß ich nun notwendigerweise mit Sorgfalt Freundschaft schließen. :::``Denn sogar das Unreine wird sündenrein, wenn es in die Ganga kommt.´´::: Und auch: ::: ``Die Muschel in Vishnus Hand ist rein, obgleich sie aus Knochen ist.´´::: Die Verbindung mit Hochwürdigem, wem gibt sie nicht Erhabenheit?“::: Nachdem sie so geredet, bewilligte es der Schwan mit den Worten: ::: „Ganz gern, oh lieber Freund! Lebe nach Lüsten mit mir zusammen in diesem großen See namens Sukhasevja („mit Vergnügen zu bewohnen“).“::: Und so ging ihnen beiden die Zeit hin, indem sie sich unter Liebesbezeigungen miteinander vergnügten. ::: Da sagte aber eines Tages die Eule: ::: „Ich will zu meinem Wohnort Padmavana („Lotuswald“) zurückkehren! Wenn dir an dem Liebesbündnis mit mir etwas gelegen ist, so mußt du mich unbedingt als mein Gast besuchen.“ ::: Nachdem sie so gesprochen hatte, ging sie nach ihrem Wohnort. Im Verlauf der Zeit bedachte aber der Schwan: ::: „Ich lebe an diesem Orte ohne einen Gefährten und kenne auch sonst weiter niemand, drum will ich jetzt zu dieser meiner lieben Freundin, der Eule, gehen, da werde ich einen ganz neuen Vergnügungsplatz und ganz neue Speisen kennenlernen.“ ::: Nachdem er so überlegt hatte, ging er zur Eule. Im Lotuswalde aber sieht er sie nicht. ::: Und wie er sie mit großer Sorgfalt sucht, so erblickt er die Eule in einer abscheulichen Höhle und spricht zu ihr: ::: „Liebe, komm herbei! Komm herbei! Ich, dein lieber Freund der Schwan bin da!“ ::: Nachdem die Eule dies gehört hatte, sagte sie: ::: „Ich gehe bei Tage nicht aus! Unsere Zusammenkunft kann erst stattfinden, wenn die Sonne untergegangen ist.“ ::: Als er dies gehört und sehr lange Zeit gewartet hatte, kam er in der Nacht mit der Eule zusammen. Nachdem er sich nach ihrem Befinden und anderem erkundigt, legte er sich, vom Wege ermüdet nieder und schlief am selben Orte ein. ::: An diesem See aber hatte eine große Karawane von Kaufleuten ihr Nachtlager aufgeschlagen. Als nun der Herr der Karawane zur Zeit der Morgendämmerung aufgestanden war, ließ er mit der Muschel das Zeichen zum Aufbruch geben. ::: Da stieß die Eule einen mißtönenden Schrei aus und flog dann wieder in einen Höhlenspalt, der Schwan aber blieb wo er war. ::: Darauf wurde das Herz des Gebieters der Karawane durch das böse Vorzeichen in Schrecken gesetzt. Er gab einem Bogenschützen, welcher die Kunst verstand, bloß nach der Richtung eines Tones zu treffen, seinen Befehl, und dieser spannte seinen Bogen straff an, zog den Pfeil bis zu seinem Ohrschmuck und tötete den in der Nähe des Eulennestes übernachtenden Schwan. ::: - Daher sage ich: ::: ``Zur Unzeit handeln, unpassend reden und schlechtem Freund dienen: Das soll man nimmer. Sieh, wie der im Lotuswald schlafende Vogel vom Pfeil getötet wird, der vom Bogen schnellt.´´::: Man sagt auch: ::: ``Vor den Gaben des Hochedlen schwinden selbst die Gaben der Begabten; bei Nacht erstrahlt das Licht der Flamme, aber nicht mehr, wenn die Sonne scheint.´´“::: Damanaka sagte: ::: „Ach Freund! Wenn es so ist, so hast du nichts zu fürchten. Wenn er auch durch diese Bösewichter aufgereizt ist, so wird er doch durch deine Beredsamkeit zur Gnade zurückkehren.“ ::: Jener antwortete: ::: „Ach! Was du sagst, ist nicht richtig. ::: Man kann sich selbst in der Mitte unbedeutender Bösewichter nicht aufrechterhalten. ::: Sie wenden eine andere Hinterlist an und verderben sicherlich. ::: Denn es heißt auch: :::``Viele niedere Schlauköpfe, die sich alle durch Pfiffigkeit ernähren, können Recht zu Unrecht machen, wie Krähe und Sippschaft beim Kamel.´´“::: Da fragte Damanaka: ::: „Wie war das?“, und jener erzählte:
Der Schwan und die Eule
In einer gewissen Waldgegend ist ein sehr großer See, und da wohnte ein Schwan mit Namen Madarakta („der Freude geneigt“), und dieser brachte seine Zeit mit vielen und mannigfachen Spielen zu.
Einstmals aber kam der sein Ende bringende Tod in Gestalt einer Eule zu ihm. Als er sie erblickte, sagte der Schwan:
„He, Eule! Aus welchem Grunde kommst du hierher?“
Diese sprach:
„Ich komme, weil ich von deinen Tugenden gehört habe. Denn auch: Die ganze Erde durchwandernd, einzig suchend der Tugend Schatz, fand ich als höchste nur deine. Darum habe ich mich dir genaht.
Mit dir muß ich nun notwendigerweise mit Sorgfalt Freundschaft schließen.
``Denn sogar das Unreine wird sündenrein, wenn es in die Ganga kommt.´´
Und auch:
``Die Muschel in Vishnus Hand ist rein, obgleich sie aus Knochen ist.´´
Die Verbindung mit Hochwürdigem, wem gibt sie nicht Erhabenheit?“
Nachdem sie so geredet, bewilligte es der Schwan mit den Worten:
„Ganz gern, oh lieber Freund! Lebe nach Lüsten mit mir zusammen in diesem großen See namens Sukhasevja („mit Vergnügen zu bewohnen“).“
Und so ging ihnen beiden die Zeit hin, indem sie sich unter Liebesbezeigungen miteinander vergnügten.
Da sagte aber eines Tages die Eule:
„Ich will zu meinem Wohnort Padmavana („Lotuswald“) zurückkehren! Wenn dir an dem Liebesbündnis mit mir etwas gelegen ist, so mußt du mich unbedingt als mein Gast besuchen.“
Nachdem sie so gesprochen hatte, ging sie nach ihrem Wohnort. Im Verlauf der Zeit bedachte aber der Schwan:
„Ich lebe an diesem Orte ohne einen Gefährten und kenne auch sonst weiter niemand, drum will ich jetzt zu dieser meiner lieben Freundin, der Eule, gehen, da werde ich einen ganz neuen Vergnügungsplatz und ganz neue Speisen kennenlernen.“
Nachdem er so überlegt hatte, ging er zur Eule. Im Lotuswalde aber sieht er sie nicht.
Und wie er sie mit großer Sorgfalt sucht, so erblickt er die Eule in einer abscheulichen Höhle und spricht zu ihr:
„Liebe, komm herbei! Komm herbei! Ich, dein lieber Freund der Schwan bin da!“
Nachdem die Eule dies gehört hatte, sagte sie:
„Ich gehe bei Tage nicht aus! Unsere Zusammenkunft kann erst stattfinden, wenn die Sonne untergegangen ist.“
Als er dies gehört und sehr lange Zeit gewartet hatte, kam er in der Nacht mit der Eule zusammen. Nachdem er sich nach ihrem Befinden und anderem erkundigt, legte er sich, vom Wege ermüdet nieder und schlief am selben Orte ein.
An diesem See aber hatte eine große Karawane von Kaufleuten ihr Nachtlager aufgeschlagen. Als nun der Herr der Karawane zur Zeit der Morgendämmerung aufgestanden war, ließ er mit der Muschel das Zeichen zum Aufbruch geben.
Da stieß die Eule einen mißtönenden Schrei aus und flog dann wieder in einen Höhlenspalt, der Schwan aber blieb wo er war.
Darauf wurde das Herz des Gebieters der Karawane durch das böse Vorzeichen in Schrecken gesetzt. Er gab einem Bogenschützen, welcher die Kunst verstand, bloß nach der Richtung eines Tones zu treffen, seinen Befehl, und dieser spannte seinen Bogen straff an, zog den Pfeil bis zu seinem Ohrschmuck und tötete den in der Nähe des Eulennestes übernachtenden Schwan.
- Daher sage ich:
``Zur Unzeit handeln, unpassend reden und schlechtem Freund dienen: Das soll man nimmer. Sieh, wie der im Lotuswald schlafende Vogel vom Pfeil getötet wird, der vom Bogen schnellt.´´
Man sagt auch:
``Vor den Gaben des Hochedlen schwinden selbst die Gaben der Begabten; bei Nacht erstrahlt das Licht der Flamme, aber nicht mehr, wenn die Sonne scheint.´´“
Damanaka sagte:
„Ach Freund! Wenn es so ist, so hast du nichts zu fürchten. Wenn er auch durch diese Bösewichter aufgereizt ist, so wird er doch durch deine Beredsamkeit zur Gnade zurückkehren.“
Jener antwortete:
„Ach! Was du sagst, ist nicht richtig.
Man kann sich selbst in der Mitte unbedeutender Bösewichter nicht aufrechterhalten.
Sie wenden eine andere Hinterlist an und verderben sicherlich.
Denn es heißt auch:
``Viele niedere Schlauköpfe, die sich alle durch Pfiffigkeit ernähren, können Recht zu Unrecht machen, wie Krähe und Sippschaft beim Kamel.´´“
Da fragte Damanaka:
„Wie war das?“, und jener erzählte:
Der Löwe, seine Minister und das Kamel:::

In einer Waldgegend lebte einst ein Löwe namens Madotkata („der vor Stolz Wütende“), und dessen Diener waren ein Panther, eine Krähe und ein Schakal. ::: Indem diese aber einst hier und da herumschweiften, sahen sie ein von einer Karawane abgekommenes Kamel namens Krathanaka. ::: Der Löwe sagte darauf: ::: „Erkundigt euch doch, ob es ein Waldtier ist oder ein Haustier!“ ::: Nachdem sie dies gehört, sagte die Krähe: ::: „Oh Herr! Dies ist ein Haustier, Kamel genannt, eine Art Geschöpf, welches du fressen kannst. Deshalb laß es umbringen!“ ::: Der Löwe sagte: ::: „Ich töte keinen Gast, der in mein Haus gekommen ist. ::: Man sagt auch: ::: ``Sogar wer seinen Feind ermordet, wenn er furchtlos vertrauensvoll ins Haus ihm trat, dessen Schuld gleicht dem Mord von hundert Brahmanen.´´::: Darum versprecht ihm vollständige Sicherheit und führt es zu mir, damit ich es nach dem Grund seiner Hierherkunft frage.“::: Darauf forderten alle zusammen das Kamel auf, Vertrauen zu fassen, versprachen ihm Sicherheit und führten es vor den Löwen. ::: Nachdem es sich ehrfurchtsvoll verbeugt hatte, setzte es sich nieder. ::: Alsdann erzählte es auf dessen Befragen seine ganze Geschichte von der Zeit an, wo es von der Karawane abgekommen war. ::: Darauf sagte der Löwe: ::: „Oh Krathanaka! Gehe nicht zum Dorf zurück, um dich wieder der Qual des Lasttragens zu unterziehen. ::: Bleib furchtlos bei mir hier im Wald und genieße die smaragdgleichen vortrefflichen Gräser!“ ::: Das Kamel sagte: ::: „So sei es!“ und hauste nun vergnügt in der Mitte von ihnen, indem es bei sich dachte: „Ich brauche mich vor nichts in aller Welt zu fürchten.“ ::: Eines Tages nun hatte der Löwe mit einem großen im Walde lebenden Elefanten einen Kampf. ::: Da erhielt er durch dessen mörserkeulengleichen Stoßzahn eine Wunde, und wenig fehlte, daß er infolge davon das Leben eingebüßt hätte. ::: Sein Körper wurde aber so schwach, daß er nicht einmal den Fuß irgendwohin bewegen konnte. ::: Da gerieten die Krähe und die übrigen durch seine Ohnmacht alle in Hungersnot und schweres Leid. ::: Der Löwe aber sagte zu ihnen: ::: „He da! Sucht irgendwo irgendein Tier, damit ich, obgleich ich in diesem Zustand bin, es töte und euch Nahrung verschaffe.“ ::: Darauf fingen sie alle vier an herumzuschweifen. Da sie aber gar nichts erblickten, so hielten die Krähe und der Schakal miteinander Rat. ::: Der Schakal sprach: ::: „He, Krähe! Wozu das viele Herumschweifen? Da steht ja das Kamel voll Vertrauen auf unsern Herrn. Laß es uns töten! Das gibt Lebensunterhalt für das ganze Gefolge.“ ::: Die Krähe antwortete: ::: „Ach! Du sprichst ganz angemessen. Aber der Herr hat ihm Sicherheit versprochen. Darum darf es nicht getötet werden.“ ::: Der Schakal sagte: ::: „Oh Krähe! Ich werde durch meine Vorstellungen den Herrn umstimmen, daß er es umbringt. Drum bleibe du hier, bis ich nach Hause gegangen bin, des Herrn Befehl empfangen habe und wieder zurückkehre.“ ::: Nachdem er so gesprochen hatte, machte er sich eilig auf den Weg zum Löwen. Dort angekommen sprach er folgendes: ::: „Oh Herr! Herumschweifend haben wir den ganzen Wald durchsucht, aber kein einziges Tier angetroffen. Was sollen wir nun tun, da wir vor Hunger nicht einmal einen Fuß mehr vorwärts bewegen können? ::: Auch Majestät scheint etwas Nahrhaftes essen zu müssen. Wenn sie daher befiehlt, so ließe sich jetzt aus dem Fleisch des Kamels ein nahrhaftes Mahl bereiten.“ ::: Als aber der Löwe diese seine abscheuliche Rede hörte, sagte er von Zorn erfüllt: ::: „Pfui, pfui! du gemeinster Bösewicht! Wenn du das noch einmal sagst, so werde ich dich augenblicklich umbringen. Da ich ihm Sicherheit versprochen habe, wie kann ich ihn nun selbst töten! ::: Man sagt ja: ::: ``Weder die Kuhspende, noch die Land- oder Speisespende ist das Höchste, sondern nach der Weisen Urteil steht an aller Spenden Spitze die Spende der Furchtlosigkeit. Sämtliche Opfer, mit den vortrefflichsten Spenden vollzogen, wiegt eines einzigen angstvollen Geschöpfes Lebensversicherung auf.´´“::: Nachdem er dies gehört, sagte der Schakal: ::: „Oh Herr! Wenn das Kamel im Vertrauen auf die ihm gewährte Sicherheit umgebracht wird, dann begehst du eine Sünde. ::: Aber, wenn es aus Ergebenheit gegen deine Majestät sein Leben von selbst anbietet, dann begehst du keine Sünde. Wenn es sich daher selbst zum Tode anträgt, dann darf es getötet werden, oder einer von uns muß umgebracht werden. ::: Denn Majestät bedarf einer nahrhaften Speise und geht, wenn der Hunger nicht gestillt wird, der Auflösung entgegen. Wozu haben wir aber unser Leben, wenn wir es nicht zum Nutzen unseres Herrn fahren lassen? ::: Wenn Majestät etwas Unangenehmes zustößt, dann ist es unsre Pflicht, selbst rückwärts ins Feuer zu gehen. ::: Man sagt auch: :::``Das Leben eines Oberhauptes ist auf jede Art zu wahren; wenn er dahin ist, ist auch das ganze Haus vernichtet: Denn Räder fahren nimmermehr, wenn ihre Nabe zerbrochen wurde.“ ::: Nachdem er dies gehört, sagte der Löwe: ::: „Wenn dem so ist, so tue was dir gut erscheint.“ ::: Als der Schakal dies vernommen, ging er eilig zurück und sagte zu allen: ::: „Hört, hört! Der Herr befindet sich sehr schlecht. Das Leben sitzt ihm schon in der Nasenspitze. Wozu also das Herumjagen? Wer wird uns in diesem Walde beschützen, wenn er nicht mehr ist? ::: Drum laßt uns gehen und ihm, den die Krankheit namens „Hunger“ in die andere Welt treiben will, unsere eigenen Leiber zum Geschenk machen, damit wir unsere Schuld für des Herrn Gnade abzahlen. ::: Man sagt ja: :::``Der Diener, unter dessen Augen den Herrn ein Mißgeschick betrifft, fährt bei lebendigem Leibe hinunter in den Höllenschlund.´´“ ::: Darauf gingen sie sogleich alle mit Tränen in den Augen zum Löwen, verbeugten sich und setzten sich nieder. Als er sie um sich sah, sagte der Löwe: ::: „Ach! Habt ihr irgendein Tier gefangen oder gesehen?“ Darauf antwortete die Krähe aus ihrer Mitte: ::: „Oh Herr! Wir sind schon allenthalben umhergerannt, haben aber kein Tier weder gefangen noch gesehen. ::: Deshalb möge der Herr jetzt mich verzehren und dadurch sein Leben fristen: So wird Majestät sich erquicken, und ich werde in den Himmel kommen. ::: Denn man sagt auch: :::``Der Diener, welcher treusinnig für seinen Herren das Leben läßt, gewinnt die höchste Rangstufe, von Alter frei und frei von Tod.´´“::: Nachdem der Schakal dies gehört, sagte er: ::: „Ach! Dein Körper ist sehr klein. Wenn er dich auch verzehrt, so wird das dem König das Leben doch nicht fristen. Außerdem ist es auch schädlich. ::: Man sagt auch: :::``Der Hund sogar verschmäht Krähenfleisch; selbst wenig davon ist ungesund. Wozu auch eine Speise essen, an der man sich nicht sättigen kann?´´::: Du hast nun deine Ergebenheit gegen den Herrn bewiesen und deine Verpflichtung für des Herrn Nahrung abgetragen. Auch hast du dir in beiden Welten einen guten Leumund erworben. Darum tritt zurück, damit auch ich den Herrn anreden kann!“ ::: Nachdem so geschehen, verbeugte sich der Schakal ehrfurchtsvoll und sagte: ::: „Oh Herr! Erhalte dein Leben heute durch meinen Leib und laß mich beide Welten erwerben! Denn man sagt auch: Dem Herrn gebührt des Dienstmannes Leben, da er es durch Sold erwarb. Darum begeht er auch keine Sünde, wenn er es ihnen nimmt.“ ::: Als er aber dieses gehört, sagte der Panther: ::: „Ah, du hast schön gesprochen! Aber auch dein Körper ist sehr klein, und da Krallen deine Waffen sind, so gehörst du zu demselben Geschlecht und darfst deshalb nicht von ihm gefressen werden. ::: Man sagt ja: ::: ``Kein Weiser esse Verbotenes, wäre der Tod ihm auch noch so nah, zumal wenn es, obgleich wenig, ihn doch um beide Welten bringt.´´::: Du hast deine Blutsfreundschaft nun bewiesen. Sagt man ja doch mit Recht auch Folgendes: :::``Darum heben die Erdenherrscher ihre Verwandten zu sich empor, denn diese ändern sich nimmer, nicht anfangs, mitten und nicht am Ende.´´::: Deswegen tritt zurück, damit auch ich mir des Herrn Gnade erwerbe.“ ::: Nachdem so geschehen, verbeugte sich der Panther und sprach zum Löwen: ::: „Oh Herr! Nimm jetzt meinen Leib zu deinem Lebensunterhalt. Im Himmel soll mir eine ewige Wohnung zuteil werden, und auf Erden mein Ruhm sich in die weiteste Ferne erstrecken! ::: Drum trage du kein Bedenken hierbei! Man sagt ja: :::``Treuergebenen Dienstleuten, die für ihren Herrn gestorben sind, wird ewige Wohnung im Himmel und auf Erden großer Ruhm zuteil.´´“::: Nachdem er dies gehört, dachte das Kamel: ::: „Sie haben doch schöne Worte ausgesprochen, und der Herr hat keinen einzigen umgebracht. Darum will auch ich Angemessenes vortragen, damit sie alle drei meine Rede loben.“ ::: Nachdem er sich so entschlossen hatte, sprach er: ::: „Ach! Was du sagst ist angemessen. Allein auch du bist ein Krallenkämpfer! Wie kann also der Herr dich fressen? Man sagt auch: Wer sogar nur im Geist Unbilden gegen sein Geschlecht hegt, den treffen ebendieselben in dieser und in jener Welt. Darum tritt du zurück, damit ich den Herrn anrede!“ ::: Nachdem so geschehen, trat das Kamel hervor, verbeugte sich und sprach: ::: „Oh Herr! Diese darfst du ja doch nicht essen. Deswegen laß dir meinen Leib zum Lebensunterhalt dienen, damit ich beide Welten gewinne. Denn man sagt auch: Nicht Opfernde und auch keine Büßer erreichen solchen hohen Rang, als brave Fürstendienstleute, die für den Herrn sich opferten.“ ::: Nachdem es so gesprochen hatte, rissen ihm auf des Löwen Erlaubnis der Panther und der Schakal den Bauch auf, die Krähe hackte ihm die Augen aus, und das Kamel büßte sein Leben ein. ::: Alsdann wurde es von allen diesen gemeinen Schlauköpfen aufgefressen. - Daher sage ich: :::``Viele niedere Schlauköpfe, die sich alle durch Pfiffigkeit ernähren, können Recht zu Unrecht machen, wie Krähe und Sippschaft beim Kamel.´´“::: Nachdem er diese Geschichte erzählt hatte, sagte Sanjivaka weiter zu Damanaka: ::: „Dieser König hat eine gemeine Umgebung, die denen, welche seinen Schutz gesucht haben, kein Heil gewährt. :::``Besser ein geiergleicher König von Schwänen umgeben, als ein schwanengleicher König, dessen Umgebung Geier bilden: Denn von einem Gebieter, welcher Geier als seine Umgebung hat, gehen viele Untaten aus, und durch diese ist er mächtig zum Verderben.´´::: Deshalb soll man den ersteren unter diesen beiden vorziehen. :::``Ein König, der sich durch die Worte von Schlechten leiten läßt, ist unfähig zu gerechter Erwägung.´´::: Man hört auch Folgendes: ::: ``Weil der Schakal dir zur Seite steht wie auch die scharfgeschnäbelte Krähe, drum flüchte ich den Baum aufwärts, denn die Umgebung gefällt mir nicht.´´“::: Da fragte Damanaka: ::: „Wie ist das?“, und Sanjivaka erzählte:
Der Löwe, seine Minister und das Kamel
In einer Waldgegend lebte einst ein Löwe namens Madotkata („der vor Stolz Wütende“), und dessen Diener waren ein Panther, eine Krähe und ein Schakal.
Indem diese aber einst hier und da herumschweiften, sahen sie ein von einer Karawane abgekommenes Kamel namens Krathanaka.
Der Löwe sagte darauf:
„Erkundigt euch doch, ob es ein Waldtier ist oder ein Haustier!“
Nachdem sie dies gehört, sagte die Krähe:
„Oh Herr! Dies ist ein Haustier, Kamel genannt, eine Art Geschöpf, welches du fressen kannst. Deshalb laß es umbringen!“
Der Löwe sagte:
„Ich töte keinen Gast, der in mein Haus gekommen ist.
Man sagt auch:
``Sogar wer seinen Feind ermordet, wenn er furchtlos vertrauensvoll ins Haus ihm trat, dessen Schuld gleicht dem Mord von hundert Brahmanen.´´
Darum versprecht ihm vollständige Sicherheit und führt es zu mir, damit ich es nach dem Grund seiner Hierherkunft frage.“
Darauf forderten alle zusammen das Kamel auf, Vertrauen zu fassen, versprachen ihm Sicherheit und führten es vor den Löwen.
Nachdem es sich ehrfurchtsvoll verbeugt hatte, setzte es sich nieder.
Alsdann erzählte es auf dessen Befragen seine ganze Geschichte von der Zeit an, wo es von der Karawane abgekommen war.
Darauf sagte der Löwe:
„Oh Krathanaka! Gehe nicht zum Dorf zurück, um dich wieder der Qual des Lasttragens zu unterziehen.
Bleib furchtlos bei mir hier im Wald und genieße die smaragdgleichen vortrefflichen Gräser!“
Das Kamel sagte:
„So sei es!“ und hauste nun vergnügt in der Mitte von ihnen, indem es bei sich dachte: „Ich brauche mich vor nichts in aller Welt zu fürchten.“
Eines Tages nun hatte der Löwe mit einem großen im Walde lebenden Elefanten einen Kampf.
Da erhielt er durch dessen mörserkeulengleichen Stoßzahn eine Wunde, und wenig fehlte, daß er infolge davon das Leben eingebüßt hätte.
Sein Körper wurde aber so schwach, daß er nicht einmal den Fuß irgendwohin bewegen konnte.
Da gerieten die Krähe und die übrigen durch seine Ohnmacht alle in Hungersnot und schweres Leid.
Der Löwe aber sagte zu ihnen:
„He da! Sucht irgendwo irgendein Tier, damit ich, obgleich ich in diesem Zustand bin, es töte und euch Nahrung verschaffe.“
Darauf fingen sie alle vier an herumzuschweifen. Da sie aber gar nichts erblickten, so hielten die Krähe und der Schakal miteinander Rat.
Der Schakal sprach:
„He, Krähe! Wozu das viele Herumschweifen? Da steht ja das Kamel voll Vertrauen auf unsern Herrn. Laß es uns töten! Das gibt Lebensunterhalt für das ganze Gefolge.“
Die Krähe antwortete:
„Ach! Du sprichst ganz angemessen. Aber der Herr hat ihm Sicherheit versprochen. Darum darf es nicht getötet werden.“
Der Schakal sagte:
„Oh Krähe! Ich werde durch meine Vorstellungen den Herrn umstimmen, daß er es umbringt. Drum bleibe du hier, bis ich nach Hause gegangen bin, des Herrn Befehl empfangen habe und wieder zurückkehre.“
Nachdem er so gesprochen hatte, machte er sich eilig auf den Weg zum Löwen. Dort angekommen sprach er folgendes:
„Oh Herr! Herumschweifend haben wir den ganzen Wald durchsucht, aber kein einziges Tier angetroffen. Was sollen wir nun tun, da wir vor Hunger nicht einmal einen Fuß mehr vorwärts bewegen können?
Auch Majestät scheint etwas Nahrhaftes essen zu müssen. Wenn sie daher befiehlt, so ließe sich jetzt aus dem Fleisch des Kamels ein nahrhaftes Mahl bereiten.“
Als aber der Löwe diese seine abscheuliche Rede hörte, sagte er von Zorn erfüllt:
„Pfui, pfui! du gemeinster Bösewicht! Wenn du das noch einmal sagst, so werde ich dich augenblicklich umbringen. Da ich ihm Sicherheit versprochen habe, wie kann ich ihn nun selbst töten!
Man sagt ja:
``Weder die Kuhspende, noch die Land- oder Speisespende ist das Höchste, sondern nach der Weisen Urteil steht an aller Spenden Spitze die Spende der Furchtlosigkeit. Sämtliche Opfer, mit den vortrefflichsten Spenden vollzogen, wiegt eines einzigen angstvollen Geschöpfes Lebensversicherung auf.´´“
Nachdem er dies gehört, sagte der Schakal:
„Oh Herr! Wenn das Kamel im Vertrauen auf die ihm gewährte Sicherheit umgebracht wird, dann begehst du eine Sünde.
Aber, wenn es aus Ergebenheit gegen deine Majestät sein Leben von selbst anbietet, dann begehst du keine Sünde. Wenn es sich daher selbst zum Tode anträgt, dann darf es getötet werden, oder einer von uns muß umgebracht werden.
Denn Majestät bedarf einer nahrhaften Speise und geht, wenn der Hunger nicht gestillt wird, der Auflösung entgegen. Wozu haben wir aber unser Leben, wenn wir es nicht zum Nutzen unseres Herrn fahren lassen?
Wenn Majestät etwas Unangenehmes zustößt, dann ist es unsre Pflicht, selbst rückwärts ins Feuer zu gehen.
Man sagt auch:
``Das Leben eines Oberhauptes ist auf jede Art zu wahren; wenn er dahin ist, ist auch das ganze Haus vernichtet: Denn Räder fahren nimmermehr, wenn ihre Nabe zerbrochen wurde.“
Nachdem er dies gehört, sagte der Löwe:
„Wenn dem so ist, so tue was dir gut erscheint.“
Als der Schakal dies vernommen, ging er eilig zurück und sagte zu allen:
„Hört, hört! Der Herr befindet sich sehr schlecht. Das Leben sitzt ihm schon in der Nasenspitze. Wozu also das Herumjagen? Wer wird uns in diesem Walde beschützen, wenn er nicht mehr ist?
Drum laßt uns gehen und ihm, den die Krankheit namens „Hunger“ in die andere Welt treiben will, unsere eigenen Leiber zum Geschenk machen, damit wir unsere Schuld für des Herrn Gnade abzahlen.
Man sagt ja:
``Der Diener, unter dessen Augen den Herrn ein Mißgeschick betrifft, fährt bei lebendigem Leibe hinunter in den Höllenschlund.´´“
Darauf gingen sie sogleich alle mit Tränen in den Augen zum Löwen, verbeugten sich und setzten sich nieder. Als er sie um sich sah, sagte der Löwe:
„Ach! Habt ihr irgendein Tier gefangen oder gesehen?“ Darauf antwortete die Krähe aus ihrer Mitte:
„Oh Herr! Wir sind schon allenthalben umhergerannt, haben aber kein Tier weder gefangen noch gesehen.
Deshalb möge der Herr jetzt mich verzehren und dadurch sein Leben fristen: So wird Majestät sich erquicken, und ich werde in den Himmel kommen.
Denn man sagt auch:
``Der Diener, welcher treusinnig für seinen Herren das Leben läßt, gewinnt die höchste Rangstufe, von Alter frei und frei von Tod.´´“
Nachdem der Schakal dies gehört, sagte er:
„Ach! Dein Körper ist sehr klein. Wenn er dich auch verzehrt, so wird das dem König das Leben doch nicht fristen. Außerdem ist es auch schädlich.
Man sagt auch:
``Der Hund sogar verschmäht Krähenfleisch; selbst wenig davon ist ungesund. Wozu auch eine Speise essen, an der man sich nicht sättigen kann?´´
Du hast nun deine Ergebenheit gegen den Herrn bewiesen und deine Verpflichtung für des Herrn Nahrung abgetragen. Auch hast du dir in beiden Welten einen guten Leumund erworben. Darum tritt zurück, damit auch ich den Herrn anreden kann!“
Nachdem so geschehen, verbeugte sich der Schakal ehrfurchtsvoll und sagte:
„Oh Herr! Erhalte dein Leben heute durch meinen Leib und laß mich beide Welten erwerben! Denn man sagt auch: Dem Herrn gebührt des Dienstmannes Leben, da er es durch Sold erwarb. Darum begeht er auch keine Sünde, wenn er es ihnen nimmt.“
Als er aber dieses gehört, sagte der Panther:
„Ah, du hast schön gesprochen! Aber auch dein Körper ist sehr klein, und da Krallen deine Waffen sind, so gehörst du zu demselben Geschlecht und darfst deshalb nicht von ihm gefressen werden.
Man sagt ja:
``Kein Weiser esse Verbotenes, wäre der Tod ihm auch noch so nah, zumal wenn es, obgleich wenig, ihn doch um beide Welten bringt.´´
Du hast deine Blutsfreundschaft nun bewiesen. Sagt man ja doch mit Recht auch Folgendes:
``Darum heben die Erdenherrscher ihre Verwandten zu sich empor, denn diese ändern sich nimmer, nicht anfangs, mitten und nicht am Ende.´´
Deswegen tritt zurück, damit auch ich mir des Herrn Gnade erwerbe.“
Nachdem so geschehen, verbeugte sich der Panther und sprach zum Löwen:
„Oh Herr! Nimm jetzt meinen Leib zu deinem Lebensunterhalt. Im Himmel soll mir eine ewige Wohnung zuteil werden, und auf Erden mein Ruhm sich in die weiteste Ferne erstrecken!
Drum trage du kein Bedenken hierbei! Man sagt ja:
``Treuergebenen Dienstleuten, die für ihren Herrn gestorben sind, wird ewige Wohnung im Himmel und auf Erden großer Ruhm zuteil.´´“
Nachdem er dies gehört, dachte das Kamel:
„Sie haben doch schöne Worte ausgesprochen, und der Herr hat keinen einzigen umgebracht. Darum will auch ich Angemessenes vortragen, damit sie alle drei meine Rede loben.“
Nachdem er sich so entschlossen hatte, sprach er:
„Ach! Was du sagst ist angemessen. Allein auch du bist ein Krallenkämpfer! Wie kann also der Herr dich fressen? Man sagt auch: Wer sogar nur im Geist Unbilden gegen sein Geschlecht hegt, den treffen ebendieselben in dieser und in jener Welt. Darum tritt du zurück, damit ich den Herrn anrede!“
Nachdem so geschehen, trat das Kamel hervor, verbeugte sich und sprach:
„Oh Herr! Diese darfst du ja doch nicht essen. Deswegen laß dir meinen Leib zum Lebensunterhalt dienen, damit ich beide Welten gewinne. Denn man sagt auch: Nicht Opfernde und auch keine Büßer erreichen solchen hohen Rang, als brave Fürstendienstleute, die für den Herrn sich opferten.“
Nachdem es so gesprochen hatte, rissen ihm auf des Löwen Erlaubnis der Panther und der Schakal den Bauch auf, die Krähe hackte ihm die Augen aus, und das Kamel büßte sein Leben ein.
Alsdann wurde es von allen diesen gemeinen Schlauköpfen aufgefressen. - Daher sage ich:
``Viele niedere Schlauköpfe, die sich alle durch Pfiffigkeit ernähren, können Recht zu Unrecht machen, wie Krähe und Sippschaft beim Kamel.´´“
Nachdem er diese Geschichte erzählt hatte, sagte Sanjivaka weiter zu Damanaka:
„Dieser König hat eine gemeine Umgebung, die denen, welche seinen Schutz gesucht haben, kein Heil gewährt.
``Besser ein geiergleicher König von Schwänen umgeben, als ein schwanengleicher König, dessen Umgebung Geier bilden: Denn von einem Gebieter, welcher Geier als seine Umgebung hat, gehen viele Untaten aus, und durch diese ist er mächtig zum Verderben.´´
Deshalb soll man den ersteren unter diesen beiden vorziehen.
``Ein König, der sich durch die Worte von Schlechten leiten läßt, ist unfähig zu gerechter Erwägung.´´
Man hört auch Folgendes:
``Weil der Schakal dir zur Seite steht wie auch die scharfgeschnäbelte Krähe, drum flüchte ich den Baum aufwärts, denn die Umgebung gefällt mir nicht.´´“
Da fragte Damanaka:
„Wie ist das?“, und Sanjivaka erzählte:
Löwe und Zimmermann

In einer gewissen Stadt lebte ein Zimmermann mit Namen Devagupta („von den Göttern beschützt“). Dieser nahm immer einen guten Reisbrei mit sich und spaltete mit seiner Frau zusammen im Walde große Anjanastämme. ::: In diesem Walde wohnte aber ein Löwe namens Vimala (der „Fleckenlose“), der hatte zwei Diener, die Fleischfresser waren, einen Schakal und eine Krähe. ::: Einstmals nun als der Löwe allein im Walde umherschweifte, erblickte er diesen Zimmermann. Auch der Zimmermann sah den Löwen herankommen, hielt sich schon gleichsam für tot, aber voll Geistesgegenwart dachte er: ::: "Meine (einzige) Zuflucht ist ein mutiges Entgegentreten!"::: So ging er dem Löwen entgegen, verbeugte sich und sprach: ::: „Komm herbei! Komm herbei! Oh Freund! Heute mußt du mein Essen, welches deines Bruders (d.i. meine) Frau gebracht hat, verzehren.“ ::: Jener antwortete: ::: „Lieber! Ich ernähre mich nicht von gekochter Speise, denn ich bin ein Fleischfresser, aber trotzdem will ich dir zu Gefallen etwas kosten, um zu sehen, was das für eine Art Speise ist.“ ::: Nachdem der Löwe so geredet hatte, erfreute ihn der Zimmermann mit mancherlei Arten von Speisen, Schüsseln von herrlichen Laddukakugeln, welche mit Zucker überstreut und mit Trauben und Muskatnuß gewürzt waren und anderen. ::: Und der Löwe gewährte ihm aus Dankbarkeit die Sicherheit gegen alle Gefahren, so daß er ungefährdet im Walde herumgehen könne. ::: Darauf sprach der Zimmermann: ::: „Lieber Freund! Du mußt jeden Tag kommen, aber nur ganz allein! Du darfst keinen andern irgend vor meine Augen bringen!“ ::: So ging beiden die Zeit unter Liebesbezeigungen hin, und der Löwe, welcher auf diese Weise Tag für Tag mit derartigen mannigfachen Speisen gesättigt ward, unterließ es bald ganz und gar, auf die Jagd zu gehen. ::: Da sprachen der Schakal und die Krähe zu dem Löwen, da sie von Hunger gequält wurden, welcher nur durch anderer Mißgeschick gestillt werden konnte: ::: „Oh Herr! Sage uns beiden, wohin du jeden Tag gehst und dann mit vergnügtem Sinn voll Freude zurückkommst?“ ::: Er antwortete: ::: „Ich gehe nirgendwohin.“ ::: Als er aber von beiden mit sehr großer Inständigkeit gebeten wurde, da sagte der Löwe: ::: „In diesen Wald kommt jeden Tag ein Freund von mir. Dessen Frau bereitet ganz ausgezeichnete Speisen, und da esse ich denn unter vorhergehenden Freundschaftsbezeigungen.“ ::: Darauf sagten beide: ::: „Wir wollen dahin gehen, den Zimmermann umbringen und durch dessen Fleisch und Blut uns auf lange Zeit unsere Nahrung verschaffen.“ ::: Als der Löwe dies gehört hatte, sagte er: ::: „Oh! Oh! Ich habe ihm vollständige Sicherheit gewährt. Wie kann ich also an so etwas Schlechtes in Bezug auf ihn auch nur denken? Ich will ihn lieber bewegen, daß er, was von der herrlichen Speise übriggelassen wird, euch beiden gibt.“ ::: Damit waren beide zufrieden und sagten: „Ja!“ ::: Darauf machten sie sich alle auf den Weg zum Zimmermann. Als aber der Zimmermann schon aus weiter Ferne den Löwen mit seiner schlechten Umgebung herankommen sah, dachte er „Da stößt mir ein Mißgeschick zu!“ und stieg, so rasch er konnte, samt seiner Frau auf einen Baum. ::: Der Löwe aber, als er herangekommen war, sagte: ::: „Lieber! Warum steigst du auf einen Baum, da du mich kommen siehst? Ich bin ja dein Freund, der Löwe Vimala! Fürchte dich doch nicht!“ ::: Der Zimmermann aber, ohne seinen Platz zu verlassen, antwortete: „Weil der Schakal dir zur Seite geht und auch die scharfgeschnäbelte Krähe, drum flüchte ich den Baum aufwärts, denn die Umgebung gefällt mir nicht. Daher sage ich: ::: ``Ein König, der eine gemeine Umgebung hat, gewährt denen, die seinen Schutz gesucht haben, kein Heil.´´“::: 

Löwe und Zimmermann In einer gewissen Stadt lebte ein Zimmermann mit Namen Devagupta („von den Göttern beschützt“). Dieser nahm immer einen guten Reisbrei mit sich und spaltete mit seiner Frau zusammen im Walde große Anjanastämme.
In diesem Walde wohnte aber ein Löwe namens Vimala (der „Fleckenlose“), der hatte zwei Diener, die Fleischfresser waren, einen Schakal und eine Krähe.
Einstmals nun als der Löwe allein im Walde umherschweifte, erblickte er diesen Zimmermann. Auch der Zimmermann sah den Löwen herankommen, hielt sich schon gleichsam für tot, aber voll Geistesgegenwart dachte er:
"Meine (einzige) Zuflucht ist ein mutiges Entgegentreten!"
So ging er dem Löwen entgegen, verbeugte sich und sprach:
„Komm herbei! Komm herbei! Oh Freund! Heute mußt du mein Essen, welches deines Bruders (d.i. meine) Frau gebracht hat, verzehren.“
Jener antwortete:
„Lieber! Ich ernähre mich nicht von gekochter Speise, denn ich bin ein Fleischfresser, aber trotzdem will ich dir zu Gefallen etwas kosten, um zu sehen, was das für eine Art Speise ist.“
Nachdem der Löwe so geredet hatte, erfreute ihn der Zimmermann mit mancherlei Arten von Speisen, Schüsseln von herrlichen Laddukakugeln, welche mit Zucker überstreut und mit Trauben und Muskatnuß gewürzt waren und anderen.
Und der Löwe gewährte ihm aus Dankbarkeit die Sicherheit gegen alle Gefahren, so daß er ungefährdet im Walde herumgehen könne.
Darauf sprach der Zimmermann:
„Lieber Freund! Du mußt jeden Tag kommen, aber nur ganz allein! Du darfst keinen andern irgend vor meine Augen bringen!“
So ging beiden die Zeit unter Liebesbezeigungen hin, und der Löwe, welcher auf diese Weise Tag für Tag mit derartigen mannigfachen Speisen gesättigt ward, unterließ es bald ganz und gar, auf die Jagd zu gehen.
Da sprachen der Schakal und die Krähe zu dem Löwen, da sie von Hunger gequält wurden, welcher nur durch anderer Mißgeschick gestillt werden konnte:
„Oh Herr! Sage uns beiden, wohin du jeden Tag gehst und dann mit vergnügtem Sinn voll Freude zurückkommst?“
Er antwortete:
„Ich gehe nirgendwohin.“
Als er aber von beiden mit sehr großer Inständigkeit gebeten wurde, da sagte der Löwe:
„In diesen Wald kommt jeden Tag ein Freund von mir. Dessen Frau bereitet ganz ausgezeichnete Speisen, und da esse ich denn unter vorhergehenden Freundschaftsbezeigungen.“
Darauf sagten beide:
„Wir wollen dahin gehen, den Zimmermann umbringen und durch dessen Fleisch und Blut uns auf lange Zeit unsere Nahrung verschaffen.“
Als der Löwe dies gehört hatte, sagte er:
„Oh! Oh! Ich habe ihm vollständige Sicherheit gewährt. Wie kann ich also an so etwas Schlechtes in Bezug auf ihn auch nur denken? Ich will ihn lieber bewegen, daß er, was von der herrlichen Speise übriggelassen wird, euch beiden gibt.“
Damit waren beide zufrieden und sagten: „Ja!“
Darauf machten sie sich alle auf den Weg zum Zimmermann. Als aber der Zimmermann schon aus weiter Ferne den Löwen mit seiner schlechten Umgebung herankommen sah, dachte er „Da stößt mir ein Mißgeschick zu!“ und stieg, so rasch er konnte, samt seiner Frau auf einen Baum.
Der Löwe aber, als er herangekommen war, sagte:
„Lieber! Warum steigst du auf einen Baum, da du mich kommen siehst? Ich bin ja dein Freund, der Löwe Vimala! Fürchte dich doch nicht!“
Der Zimmermann aber, ohne seinen Platz zu verlassen, antwortete: „Weil der Schakal dir zur Seite geht und auch die scharfgeschnäbelte Krähe, drum flüchte ich den Baum aufwärts, denn die Umgebung gefällt mir nicht. Daher sage ich:
``Ein König, der eine gemeine Umgebung hat, gewährt denen, die seinen Schutz gesucht haben, kein Heil.´´“
Der Strandläufer und der Ozean

In einer Gegend am Ufer des Ozeans wohnte ein Strandläuferpärchen. Da wurde im Verlauf der Zeit, nachdem die Brunstzeit gekommen war, das Weibchen trächtig. ::: Als sich nun die Brutzeit nahte, sagte sie zu dem Männchen: ::: „Höre, Geliebter! Meine Brutzeit naht heran. Laß uns deshalb einen Ort aufsuchen, wo uns kein Unglück droht, damit ich da die Eier legen kann.“ ::: Der Strandläufer sagte: ::: „Dieses Ufer des Meers ist bezaubernd. Darum brüte du nur hier.“ ::: Doch jene sagte: „Hier tritt am Tage des Vollmonds die Meeresflut über. Die reißt selbst wütende Elefantenkönige fort. Drum laß uns in der Ferne irgendeinen andern Ort aufsuchen!“ ::: Nachdem er dies gehört hatte, sagte der Strandläufer lächelnd: „Oh Liebe! Was du sagst, ziemt sich nicht. Wie groß ist denn das Meer, daß es meine Jungen verletzen könnte? Hast du denn nicht gehört: ::: ``Welcher Mensch möchte sich töricht aus freien Stücken in das Feuer stürzen, welches den Weg zu den Wolken eingeschlagen hat, rauchlos ist und immer großen Schrecken verbreitet? Wer ist so gierig, die Welt des Yama (Gott der Toten) zu sehen, und weckt den, dem Gott der Vernichtung gleichenden schlafenden Löwen, wenn er ruht, nachdem er des wütenden Elefanten triefende Schläfen zerfleischt hat? Wer steigt hinab zu Yamas Palast und fordert von selbst den Vernichter furchtlos heraus: >>Nimm hin mein Leben, wenn du irgend stark genug dazu bist!<< Welcher Mensch, wenn er der Eigenschaften Wirkung kennt, wird die Kälte durch Wasser entfernen, wenn sich mit Flöckchen von Reif gemischt der kalte Morgenwind erhebt?´´::: Darum lege nur hier ohne Zagen deine Eier! Man sagt auch: ::: ``Wer aus Furcht zu unterliegen seinen Wohnort im Stich läßt, wenn von diesem sein Weib Frucht trägt, den nennen die Weisen unfruchtbar.´´::: Und so: ::: ``Wer gequält von der Verachtung Pein, schimpflich lebt und doch leben bleibt, der sollte nie geboren werden, denn er bringt derjenigen Leid, die ihn gebar.´´“::: Indem der Strandläufer so sprach, lachte das Weibchen, welches den wahren Gehalt seiner Kraft kannte, und sagte: ::: „Wahrlich, richtig und sehr passend ist dieses: Was soll diese stolze Rede? Du machst dich zum Gespött der Leute, oh Indra unter den Vögeln! Oh Wunder! Das Häschen nimmt das Maul so voll wie ein Elefant.“ ::: Aber der Strandläufer antwortete: ::: „Was kann denn das Meer tun?“ ::: Als das Meer dies hörte, dachte es bei sich: „Sieh mir einer den Übermut dieses Vogelgezüchts! Sagt man doch mit Recht: ::: ``Durch wen wird eine selbstgeschaffene Überhebung zur Ruhe gebracht?´´::: Der Strandläufer schläft mit den Füßen aufwärts aus Furcht, daß sonst der Himmel herabbricht. Ich muß doch einmal aus Neugierde seine Macht kennenlernen! Was er wohl tun wird, wenn ich ihm die Eier wegnehme?“::: Diesen Gedanken hielt es fest. Nachdem nun die Eier gelegt waren und das Weibchen des Futters wegen sich entfernt hatte, nahm das Meer vermittelst der Flut die Eier weg. ::: Als das Weibchen zurückkam und das Nest leer fand, sprach sie jammernd zum Strandläufer: ::: „Oh du Tor! Ich hatte dir vorhergesagt, daß die Eier zur Zeit der Flut verlorengehen würden, und daß wir darum soweit als möglich weggehen sollten. Aber aus Torheit bist du übermütig geworden und tust nicht, was ich sage. ::: Sagt man ja doch mit Recht: :::``Wer nicht befolgt wohlwollender Freunde Rede, der geht zugrunde, wie die törichte Schildkröte, die vom Stock herunterfiel.´´::: Da fragte der Strandläufer: ::: „Wie war das?“, und das Weibchen erzählte:
Der Strandläufer und der Ozean In einer Gegend am Ufer des Ozeans wohnte ein Strandläuferpärchen. Da wurde im Verlauf der Zeit, nachdem die Brunstzeit gekommen war, das Weibchen trächtig.
Als sich nun die Brutzeit nahte, sagte sie zu dem Männchen:
„Höre, Geliebter! Meine Brutzeit naht heran. Laß uns deshalb einen Ort aufsuchen, wo uns kein Unglück droht, damit ich da die Eier legen kann.“
Der Strandläufer sagte:
„Dieses Ufer des Meers ist bezaubernd. Darum brüte du nur hier.“
Doch jene sagte: „Hier tritt am Tage des Vollmonds die Meeresflut über. Die reißt selbst wütende Elefantenkönige fort. Drum laß uns in der Ferne irgendeinen andern Ort aufsuchen!“
Nachdem er dies gehört hatte, sagte der Strandläufer lächelnd: „Oh Liebe! Was du sagst, ziemt sich nicht. Wie groß ist denn das Meer, daß es meine Jungen verletzen könnte? Hast du denn nicht gehört:
``Welcher Mensch möchte sich töricht aus freien Stücken in das Feuer stürzen, welches den Weg zu den Wolken eingeschlagen hat, rauchlos ist und immer großen Schrecken verbreitet? Wer ist so gierig, die Welt des Yama (Gott der Toten) zu sehen, und weckt den, dem Gott der Vernichtung gleichenden schlafenden Löwen, wenn er ruht, nachdem er des wütenden Elefanten triefende Schläfen zerfleischt hat? Wer steigt hinab zu Yamas Palast und fordert von selbst den Vernichter furchtlos heraus: >>Nimm hin mein Leben, wenn du irgend stark genug dazu bist!
Die Geschichte von einer unfolgsamen Schildkröte die nicht schweigen konnte
Es wohnte einmal in einem gewissen Teich eine Schildkröte namens Kambugriva („einen Nacken wie eine Muschel“). Diese hatte zwei Freunde, welche zum Geschlecht der Gänse gehörten und die höchste Liebe zu ihr gefaßt hatten.
Der eine hieß Sankata (klein), der andere Vikata (groß). Stets kamen diese zu dem Ufer des Teiches.
Da erzählten sie sich einander viele Geschichten von den Weisen unter den Göttern, Brahmanen und Königen, und zur Zeit des Sonnenuntergangs gingen jene in ihr Nest zurück.
Im Verlauf der Zeit trocknete aber dieser Teich infolge von Regenmangel nach und nach aus. Aus Schmerz über dieses Unglück sagten jene beiden:
„Ach, Freund! Dieser Teich ist zu bloßem Schlamm geworden. Wie wirst du nun bestehen können? In unsern Herzen ist große Betrübnis.“
Nachdem er dies gehört, sagte die Schildkröte:
„Ich kann ohne Wasser nicht leben. Deshalb laßt uns ein Hilfsmittel aussinnen! Man sagt auch:
``Für Verwandte sowie Freunde eifert der Weise jederzeit mit Anstrengung, wenn sie ein Mißgeschick betrifft.´´
Drum schafft einen starken Strick oder lieber einen leichten Stock herbei, und sucht einen Teich auf, welcher viel Wasser enthält! Dann halt ich mich mit meinen Zähnen an diesem leichten Stock fest, und ihr ergreift von beiden Seiten die Spitzen und tragt mich durch die Luft zu diesem Teich!“
Jene beiden sprachen:
„Oh Freund, das wollen wir tun! Aber du mußt still schweigen wie ein Heiliger, der Schweigen gelobt hat. Wo nicht, so wirst du vom Stock herabfallen und dann in Stücke brechen.“
Die Schildkröte sagte:
„Gewiß! Ich übernehme das Gelübde zu schweigen von jetzt an bis ich vermittelst des Fluges durch die Luft den Teich erreicht habe.“
Nachdem so geschehen, erblickte die Schildkröte auf seinem Flug eine unter ihm befindliche Stadt, deren Bewohner, da sie ihn so fortgeführt sahen, voll Erstaunen riefen:
„Ah! Da wird etwas von zwei Vögeln wie auf einem Wagen gefahren! Seht, seht!“
und als die Schildkröte ihr Geschrei hörte, fing sie an zu sprechen.
Eben wollte sie sagen „Ah, was ist das für ein Lärm?“, aber ehe sie es noch halb ausgesprochen hatte, fiel sie herab und zerbrach vor den Stadtbewohnern in Stücke, die sich über das geschenkte Fleisch freuten. - Daher sage ich:
``Wer nicht befolgt wohlwollender Freunde Rede, der geht zugrunde wie die törichte Schildkröte, die vom Stock herunterfiel.´´
Ferner sagte sie auch:
„Herr ‚Vorgesorgt‘ sowohl auch Herr ‚Wenn's draufankommt‘ nehmen beide an Freuden zu, indes aber Herr ‚Schicksalschick‘ zugrunde geht.“
Die drei Fische

 
In einem Teich wohnten drei große Fische, nämlich Anagatavidhatri („der für die Zukunft Sorge Tragende“), Pratyutpannamati („der in der Not Rat Wissende“) und Yadbhavishya („der sorglos, was kommen wird, Erwartende“). ::: Da kamen nun einst Fischer, sahen dies Wasser und sagten: ::: „Ah, der Teich ist reich an Fischen! Er ist noch nicht ein einziges Mal von uns durchsucht worden. Doch für heute haben wir genug zum Lebensunterhalt und die Dämmerung ist schon da. Drum wollen wir morgen früh zurückkehren.“ ::: Als der besorgte Anagatavidhatri diese einem Donnerschlag gleiche Rede gehört hatte, rief er alle Fische zusammen und sprach folgendes: ::: „Ach! Habt ihr gehört, was die Fischer gesagt haben? Laßt uns noch in dieser Nacht in irgendeinen benachbarten Teich gehen! Man sagt ja: :::``Schwache müssen sich wegflüchten, wenn sie ein starker Feind bedroht, oder in eine Burg einschließen, sonst ist keine Rettung für sie.´´::: Unzweifelhaft kommen diese Fischer zur Morgenzeit zurück und vernichten alle Fische. Dieses ist meine Überzeugung. Darum ist es unrecht, hier auch nur einen Augenblick zu vergeuden. Man sagt auch: ::: ``Weise, die einen Weg kennen, der Freude bringt, und führte er auch in die Fremde, die sehen niemals Vernichtung ihres Lands und Stamms.´´“::: Nachdem er dieses gehört, sprach der kluge Pratyutpannamati: ::: „Ah! Was du sagst ist wahr! Auch ich billige es. So laßt uns denn anderswo hingehen! Man sagt auch: ::: ``Elende nur und mutlose Krähen, Hirsche und Feiglinge leiden den Tod im Heimatland, weil vor der Fremde Furcht sie schreckt.´´::: Und ferner: :::``Wer allerwärts wandern kann, was will der aus Liebe zum eigenen Land verderben? «Dies ist der Born meines Erzeugers!» sprechend, trinkt brackiges Wasser die feige Memme.´´“::: Dies hörend sprach darauf laut lachend der schicksalsgläubige Yadbhavishya: ::: „Ach! Was ihr beide geraten habt, ist nicht gut. Denn wie ziemt es sich, auf ein bloßes Wort hin, diesen auf die Väter von den Großvätern übergegangenen Teich zu verlassen? Ist Vernichtung über uns verhängt, so werden wir auch sterben müssen, wenn wir wo anders hingehen. Man sagt auch: ::: ``Der Schlangen und der Nichtsnutzigen Pläne werden nicht vollendet, denn sie leben von anderer Leute Schaden: Dadurch besteht diese Welt.´´::: Darum werde ich nicht gehen. Ihr mögt tun, was euch gefällt!“ ::: Nachdem sie darauf dessen Entschluß erfahren hatten, zogen Anagatavidhatri und Pratyutpannamati mit ihrem Gefolge ab. Am folgenden Tage aber wurde dieser Teich von jenen Fischern mit Netzen durchfischt und all seiner Fische samt dem schicksalsgläubigen Yadbhavishya beraubt. 
Die drei Fische:::      In einem Teich wohnten drei große Fische, nämlich Anagatavidhatri („der für die Zukunft Sorge Tragende“), Pratyutpannamati („der in der Not Rat Wissende“) und Yadbhavishya („der sorglos, was kommen wird, Erwartende“).
Da kamen nun einst Fischer, sahen dies Wasser und sagten:
„Ah, der Teich ist reich an Fischen! Er ist noch nicht ein einziges Mal von uns durchsucht worden. Doch für heute haben wir genug zum Lebensunterhalt und die Dämmerung ist schon da. Drum wollen wir morgen früh zurückkehren.“
Als der besorgte Anagatavidhatri diese einem Donnerschlag gleiche Rede gehört hatte, rief er alle Fische zusammen und sprach folgendes:
„Ach! Habt ihr gehört, was die Fischer gesagt haben? Laßt uns noch in dieser Nacht in irgendeinen benachbarten Teich gehen! Man sagt ja:
``Schwache müssen sich wegflüchten, wenn sie ein starker Feind bedroht, oder in eine Burg einschließen, sonst ist keine Rettung für sie.´´
Unzweifelhaft kommen diese Fischer zur Morgenzeit zurück und vernichten alle Fische. Dieses ist meine Überzeugung. Darum ist es unrecht, hier auch nur einen Augenblick zu vergeuden. Man sagt auch:
``Weise, die einen Weg kennen, der Freude bringt, und führte er auch in die Fremde, die sehen niemals Vernichtung ihres Lands und Stamms.´´“
Nachdem er dieses gehört, sprach der kluge Pratyutpannamati:
„Ah! Was du sagst ist wahr! Auch ich billige es. So laßt uns denn anderswo hingehen! Man sagt auch:
``Elende nur und mutlose Krähen, Hirsche und Feiglinge leiden den Tod im Heimatland, weil vor der Fremde Furcht sie schreckt.´´
Und ferner:
``Wer allerwärts wandern kann, was will der aus Liebe zum eigenen Land verderben? «Dies ist der Born meines Erzeugers!» sprechend, trinkt brackiges Wasser die feige Memme.´´“
Dies hörend sprach darauf laut lachend der schicksalsgläubige Yadbhavishya:
„Ach! Was ihr beide geraten habt, ist nicht gut. Denn wie ziemt es sich, auf ein bloßes Wort hin, diesen auf die Väter von den Großvätern übergegangenen Teich zu verlassen? Ist Vernichtung über uns verhängt, so werden wir auch sterben müssen, wenn wir wo anders hingehen. Man sagt auch:
``Der Schlangen und der Nichtsnutzigen Pläne werden nicht vollendet, denn sie leben von anderer Leute Schaden: Dadurch besteht diese Welt.´´
Darum werde ich nicht gehen. Ihr mögt tun, was euch gefällt!“
Nachdem sie darauf dessen Entschluß erfahren hatten, zogen Anagatavidhatri und Pratyutpannamati mit ihrem Gefolge ab. Am folgenden Tage aber wurde dieser Teich von jenen Fischern mit Netzen durchfischt und all seiner Fische samt dem schicksalsgläubigen Yadbhavishya beraubt.
Der Bund der Schwachen gegen den Elefanten:::

In einer Waldgegend wohnte ein Sperlingspaar, welches auf einem Tamala-Baum sein Nest gebaut hatte, und im Laufe der Zeit ward ihm Nachkommenschaft zuteil. ::: Eines Tages kam ein brünstiger Waldelefant, von Hitze gequält, zu diesem Baum, um Schatten zu suchen. Da riß er im Übermaß seiner Wut mit der Spitze seines Rüssels an dem Zweig, auf welchem die Sperlinge hausten und zerbrach ihn. ::: Durch dessen Bruch zerschellten auch alle Eier des Sperlingsweibchens und wenig fehlte, daß auch die beiden Sperlinge ihr Leben dabei eingebüßt hätten. Das Weibchen aber, von Schmerz über die Zerstörung seiner Eier überwältigt, brach in Klagen aus und wurde gar nicht wieder vergnügt. ::: Mittlerweile hörte ein Vogel, Baumhacker mit Namen, der ihr aufs höchste befreundet war, ihren Jammer, und aus Mitleid mit ihrem Schmerz besuchte er sie und sagte: ::: „Ehrwürdige! Wozu das vergebliche Klagen? Denn man sagt ja: :::`` Was verloren, versäumt oder tot ist, beklagen die Klugen nimmermehr. Durch dieses gerade sind Kluge verschieden von den Törichten.´´::: Und so: :::``Um Wesen soll man nicht klagen, nur wer ein Tor ist beklagt sie, denn er schafft sich Schmerzen auf Schmerzen und leidet doppelt Mißgeschick.´´::: Und ferner: :::``Der Verwandten Schleim und Tränen genießt ungern der Tote nur: Drum nicht geweint!´´::: Vollzieh aber die Totenbräuche soweit du kannst.“ :::Das Sperlingsweibchen sagte: ::: „Das ist wahr! Aber warum hat jener böse Elefant aus Wut meine Nachkommenschaft vernichtet? Wenn du in Wahrheit mein Freund bist, so sinne auf ein Mittel, diesem Auswurf von Elefanten den Tod zu bereiten, damit nach dessen Vollendung der Schmerz um den Verlust meiner Nachkommenschaft aufhöre. ::: Man sagt ja: Fürwahr! :::``Zum zweiten Mal geboren ist der Mann, der vergolten hat dem, der im Unglück ihm Hilfe oder auch Spott geboten hat.´´“ ::: Der Baumhacker sagte: ::: „Du sagst die Wahrheit. Es heißt auch: ::: ``Ein Freund ist, wer treu im Unglück bleibt; auch wenn er zu fremdem Stamm gehört; denn im Glücke ist jedweder jeglichen Geschöpfes Freund.´´::: Und so: ::: ``Ein Freund ist, wer im Unglück Freund ist; ein Sohn ist, welcher Sühne schafft; ein Diener ist, wer seine Pflicht kennt; und eine Gattin ist, die glücklich macht.´´::: So lerne denn die Macht meines Verstandes kennen! Ich habe aber auch noch einen Freund, eine Fliege mit Namen Vinarava („wie eine Leier tönend“). Zu der gehe ich und rufe sie zu Hilfe, damit dieser übelgesinnte Elefant getötet wird.“ ::: Darauf ging er mit dem Sperlingsweibchen zur Fliege und sagte: ::: „Liebe! Dieses Sperlingsweibchen, meine Freundin, ist von einem bösen Elefanten schwer verletzt worden, weil er all ihre Eier zerbrochen hat. Ich will nun versuchen, ihn zu töten, und dabei sollst du mir Beistand leisten!“::: Die Fliege aber antwortete: ::: „Liebe! Wozu bedarf es bei dieser Sache vieler Worte? Denn man sagt auch: :::``Um der Wiedervergeltung willen erweisen sich Freunde Liebes; was aber von des Freundes Freunde geschieht, tut das der Freund nicht selbst?´´::: Das ist wahr! Aber auch ich habe einen sehr treuen Freund, einen Frosch namens Meghanada („wie eine Wolke tönend“). ::: Auch den wollen wir zu Hilfe rufen und dann tun, was dienlich ist. Es heißt auch: Von Guten, Tugendhaften, Weisen, der heiligen Schriften Kundigen oder Klugen erdachte Ratschläge gelten nimmer für zweifelhaft.“ ::: Darauf gingen sie alle drei zu Meghanada und teilten ihm die ganze Angelegenheit mit. Dieser aber sagte: ::: „Wie groß ist denn ein solch elender Elefant im Vergleich zu einem Edlen, welcher heftig erzürnt ist? Drum laßt uns meinen Rat ausführen. ::: Du, Fliege, geh um Mittag und mach im Ohren dieses vor Wut aufgeblähten Elefanten ein Geräusch, ähnlich den Tönen einer Leier, damit er vor Wollust über den Ohrenschmaus die Augen schließt. ::: Alsdann hackt ihn Baumhacker mit seinem Schnabel die Augen aus. Blind und von Durst gequält, hört er dann mein und meines Gefolges Gequake, während wir uns auf den Rand einer Grube setzen. ::: Er kommt heran, meinend es wäre da ein Teich, nähert sich der Grube, fällt hinein und kommt ums Leben. So müssen wir in Einverständnis wirken, damit unser Haß von Erfolg gekrönt wird.“ ::: Nachdem dies darauf geschah, schloß der Elefant vor Vergnügen am Gesang der Fliege die Augen, verlor das Gesicht durch den Baumhacker, und indem er um die Mittagszeit von Durst gequält umherirrte, folgte er dem Gequake der Frösche, kam zu einer großen Grube, fiel hinein und starb. ::: - Daher sage ich: ::: ``Von dem Sperling und Baumhacker, der Fliege und dem Frosch wird durch die Feindschaft eines Edlen sogar ein Elefant zu Tode gebracht.´´“::: 

Der Strandläufer sagte:  „Liebe, so soll es geschehen! Mit Hilfe aller meiner Freunde werde ich das Meer austrocknen.“ Nachdem er dies beschlossen hatte, rief er alle Vögel, die Kraniche, Störche, Gänse, Pfauen und so weiter zusammen und sprach: „Hört! Ich bin vom Meer schwer verletzt worden, weil es mir meine Eier geraubt hat. Drum laßt uns ein Mittel ersinnen, es auszutrocknen!“ Darauf fingen sie alle an, um seinem Leid abzuhelfen, mit den Flügeln das Meer zu schlagen. Da sprach ein Vogel: „Auf diese Art werden unsere Wünsche nicht erreicht. Sollen wir das Meer mit Erdklumpen und Staub ausfüllen?“ Nachdem dies gesagt war, nahmen alle zusammen Häufchen von Staub und Erde in die Höhlungen ihrer Schnäbel und machten sich daran, das Meer auszufüllen. Da sagte aber ein anderer: „Wir sind ganz und gar unfähig zu einem Kampf mit dem großen Ozean. Deswegen will ich hier raten, was der Zeit angemessen ist. Es gibt einen alten Schwan, welcher auf einem wilden Feigenbaum nistet, der wird uns, wenn wir ihn bitten, einen guten Rat geben. Wir wollen also zu ihm gehen und ihn fragen! Es heißt auch: Man soll der Alten Wort hören, Vielerfahrene sind wahrhaft alt; und des Alten Witz befreite eine im Wald gefangene Schwäneschar.“ Da fragten die Vögel „Wie war das?“, und jener sprach:
Der Bund der Schwachen gegen den Elefanten
In einer Waldgegend wohnte ein Sperlingspaar, welches auf einem Tamala-Baum sein Nest gebaut hatte, und im Laufe der Zeit ward ihm Nachkommenschaft zuteil.
Eines Tages kam ein brünstiger Waldelefant, von Hitze gequält, zu diesem Baum, um Schatten zu suchen. Da riß er im Übermaß seiner Wut mit der Spitze seines Rüssels an dem Zweig, auf welchem die Sperlinge hausten und zerbrach ihn.
Durch dessen Bruch zerschellten auch alle Eier des Sperlingsweibchens und wenig fehlte, daß auch die beiden Sperlinge ihr Leben dabei eingebüßt hätten. Das Weibchen aber, von Schmerz über die Zerstörung seiner Eier überwältigt, brach in Klagen aus und wurde gar nicht wieder vergnügt.
Mittlerweile hörte ein Vogel, Baumhacker mit Namen, der ihr aufs höchste befreundet war, ihren Jammer, und aus Mitleid mit ihrem Schmerz besuchte er sie und sagte:
„Ehrwürdige! Wozu das vergebliche Klagen? Denn man sagt ja:
`` Was verloren, versäumt oder tot ist, beklagen die Klugen nimmermehr. Durch dieses gerade sind Kluge verschieden von den Törichten.´´
Und so:
``Um Wesen soll man nicht klagen, nur wer ein Tor ist beklagt sie, denn er schafft sich Schmerzen auf Schmerzen und leidet doppelt Mißgeschick.´´
Und ferner:
``Der Verwandten Schleim und Tränen genießt ungern der Tote nur: Drum nicht geweint!´´
Vollzieh aber die Totenbräuche soweit du kannst.“
Das Sperlingsweibchen sagte:
„Das ist wahr! Aber warum hat jener böse Elefant aus Wut meine Nachkommenschaft vernichtet? Wenn du in Wahrheit mein Freund bist, so sinne auf ein Mittel, diesem Auswurf von Elefanten den Tod zu bereiten, damit nach dessen Vollendung der Schmerz um den Verlust meiner Nachkommenschaft aufhöre.
Man sagt ja: Fürwahr!
``Zum zweiten Mal geboren ist der Mann, der vergolten hat dem, der im Unglück ihm Hilfe oder auch Spott geboten hat.´´“
Der Baumhacker sagte:
„Du sagst die Wahrheit. Es heißt auch:
``Ein Freund ist, wer treu im Unglück bleibt; auch wenn er zu fremdem Stamm gehört; denn im Glücke ist jedweder jeglichen Geschöpfes Freund.´´
Und so:
``Ein Freund ist, wer im Unglück Freund ist; ein Sohn ist, welcher Sühne schafft; ein Diener ist, wer seine Pflicht kennt; und eine Gattin ist, die glücklich macht.´´
So lerne denn die Macht meines Verstandes kennen! Ich habe aber auch noch einen Freund, eine Fliege mit Namen Vinarava („wie eine Leier tönend“). Zu der gehe ich und rufe sie zu Hilfe, damit dieser übelgesinnte Elefant getötet wird.“
Darauf ging er mit dem Sperlingsweibchen zur Fliege und sagte:
„Liebe! Dieses Sperlingsweibchen, meine Freundin, ist von einem bösen Elefanten schwer verletzt worden, weil er all ihre Eier zerbrochen hat. Ich will nun versuchen, ihn zu töten, und dabei sollst du mir Beistand leisten!“
Die Fliege aber antwortete:
„Liebe! Wozu bedarf es bei dieser Sache vieler Worte? Denn man sagt auch:
``Um der Wiedervergeltung willen erweisen sich Freunde Liebes; was aber von des Freundes Freunde geschieht, tut das der Freund nicht selbst?´´
Das ist wahr! Aber auch ich habe einen sehr treuen Freund, einen Frosch namens Meghanada („wie eine Wolke tönend“). Auch den wollen wir zu Hilfe rufen und dann tun, was dienlich ist. Es heißt auch: Von Guten, Tugendhaften, Weisen, der heiligen Schriften Kundigen oder Klugen erdachte Ratschläge gelten nimmer für zweifelhaft.“ Darauf gingen sie alle drei zu Meghanada und teilten ihm die ganze Angelegenheit mit. Dieser aber sagte: „Wie groß ist denn ein solch elender Elefant im Vergleich zu einem Edlen, welcher heftig erzürnt ist? Drum laßt uns meinen Rat ausführen. Du, Fliege, geh um Mittag und mach im Ohre dieses vor Wut aufgeblähten Elefanten ein Geräusch, ähnlich den Tönen einer Leier, damit er vor Wollust über den Ohrenschmaus die Augen schließt. Alsdann hackt ihn Baumhacker mit seinem Schnabel die Augen aus. Blind und von Durst gequält, hört er dann mein und meines Gefolges Gequake, während wir uns auf den Rand einer Grube setzen. Er kommt heran, meinend es wäre da ein Teich, nähert sich der Grube, fällt hinein und kommt ums Leben. So müssen wir in Einverständnis wirken, damit unser Haß von Erfolg gekrönt wird.“ Nachdem dies darauf geschah, schloß der Elefant vor Vergnügen am Gesang der Fliege die Augen, verlor das Gesicht durch den Baumhacker, und indem er um die Mittagszeit von Durst gequält umherirrte, folgte er dem Gequake der Frösche, kam zu einer großen Grube, fiel hinein und starb. - Daher sage ich: Von dem Sperling und Baumhacker, der Fliege und dem Frosch wird durch die Feindschaft eines Edlen sogar ein Elefant zu Tode gebracht. (Diese Fabel erinnert auch an MHB 1.142.)“ Der Strandläufer sagte: „Liebe, so soll es geschehen! Mit Hilfe aller meiner Freunde werde ich das Meer austrocknen.“ Nachdem er dies beschlossen hatte, rief er alle Vögel, die Kraniche, Störche, Gänse, Pfauen und so weiter zusammen und sprach: „Hört! Ich bin vom Meer schwer verletzt worden, weil es mir meine Eier geraubt hat. Drum laßt uns ein Mittel ersinnen, es auszutrocknen!“ Darauf fingen sie alle an, um seinem Leid abzuhelfen, mit den Flügeln das Meer zu schlagen. Da sprach ein Vogel: „Auf diese Art werden unsere Wünsche nicht erreicht. Sollen wir das Meer mit Erdklumpen und Staub ausfüllen?“ Nachdem dies gesagt war, nahmen alle zusammen Häufchen von Staub und Erde in die Höhlungen ihrer Schnäbel und machten sich daran, das Meer auszufüllen. Da sagte aber ein anderer: „Wir sind ganz und gar unfähig zu einem Kampf mit dem großen Ozean. Deswegen will ich hier raten, was der Zeit angemessen ist. Es gibt einen alten Schwan, welcher auf einem wilden Feigenbaum nistet, der wird uns, wenn wir ihn bitten, einen guten Rat geben. Wir wollen also zu ihm gehen und ihn fragen! Es heißt auch: Man soll der Alten Wort hören, Vielerfahrene sind wahrhaft alt; und des Alten Witz befreite eine im Wald gefangene Schwäneschar.“ Da fragten die Vögel „Wie war das?“, und jener sprach:
Ein alter Schwan rettet eine gefangene Schwäneschar:::

In einer gewissen Waldgegend war ein Feigenbaum namens Mahasakha (“große Zweige“), darauf wohnte eine Schar Schwäne. Unter diesem Feigenbaum aber erschien ein Schlinggewächs mit Namen Kausakhi („schlechte Zweige“). ::: Darauf sagte der alte Schwan: ::: „Das Schlinggewächs, welches an diesem Baum heranwächst, ist für uns sehr gefährlich. Mit Hilfe desselben kann einer einmal heraufsteigen und uns umbringen. Schaffet dies Schlinggewächs weg, so lange es noch mit Leichtigkeit zu zerstören ist!“ ::: Sie aber ließen seine Rede unbeachtet und zerstörten das Schlinggewächs nicht. So wuchs denn das Schlinggewächs im Fortgang der Zeit an dem Baum hinauf. ::: Als die Schwäne nun einst ausgeflogen waren, um sich Futter zu suchen, stieg ein Vogelsteller, das Schlinggewächs als Leiter benutzend, auf den Feigenbaum, legte Fallen in die Nester der Schwäne und kehrte dann nach Hause zurück. ::: Als aber die Schwäne ihren Ausflug nach Futter vollendet hatten und in der Nacht zurückkehrten, da wurden sie alle in den Schlingen gefangen. Da sprach der alte Schwan: ::: „Diese unglückliche Gefangenschaft in den Netzen ist uns zugestoßen, weil ihr gehandelt habt, ohne auf meine Rede zu achten. So sind wir nun alle verloren!“ ::: Darauf sagten die Schwäne zu ihm: ::: „Ehrwürdiger! Was ist unter diesen Umständen zu tun?“  ::: Er aber sprach: ::: „Wenn ihr mir diesmal folgen wollt, so stellt euch, wenn der Vogelsteller kommt, als wäret ihr tot. ::: Wenn aber dann der Vogelsteller, indem er denkt >>Sie sind schon tot!<< euch alle zusammen auf die Erde wirft, so müssen alle zusammen, nachdem sie hingeworfen sind, nachher in einem und demselben Augenblick in die Höhe fliegen.“ ::: Nachdem nun der Morgen angebrochen war, kam der Vogelsteller, und wie er nachsieht, sind sie alle zusammen tot. ::: Darauf löste er sie alle unbesorgten Sinnes der Reihe nach aus dem Netz und warf sie auf die Erde. Wie sie ihn nun mit Herabklettern beschäftigt sahen, flogen sie, dem vom alten Schwan gegebenen Rat gemäß, alle zusammen in einem und demselben Augenblick in die Höhe. ::: - Daher sage ich: :::``Man soll der Alten Wort hören, Vielerfahrene sind wahrhaft alt; und des Alten Witz befreit eine im Wald gefangene Schwäneschar.´´“::: Und nachdem diese Geschichte erzählt war, gingen alle diese Vögel zu dem alten Schwan und taten ihm den Schmerz über den Raub der Jungen kund. Darauf sprach der alte Schwan: :::„Der Schwache, der vor Stolz töricht einen übergewaltigen Feind bekämpft, der kehrt zurück wie ein Elefant mit zerbrochenem Zahn. Unser aller Vögel König ist der große Garuda. Laßt uns ihm nun diese ganze verächtliche Behandlung kundtun, damit er erzürnt über die Verachtung seines Geschlechts in Kummer gerate, oder vielleicht auch seinen Stolz zeige. Aber auch das schadet nichts. Denn man sagt auch: Wer einem unzweideutigen Freund, einem tugendhaften Knecht, einer treuergebenen Gattin oder einem wohlgesinnten Herrn seinen Kummer klagt, wird froh.“::: Nachdem so geschehen, gingen alle diese Vögel mit betrübtem Gesicht, die Augen voll Tränen und mit jämmerlichem Geschrei zum Vogel Garuda und fingen an zu zürnen: ::: „Ach, diese Gottlosigkeit! Diese Gottlosigkeit! Während du unser Gebieter bist, sind vom Meer diesem redlichen Strandläufer seine Eier geraubt worden. So ist es denn jetzt aus mit dem Geschlecht der Vögel! Auch alle anderen werden uns wie das Meer vernichten, sobald sie Lust haben. Man sagt auch: :::``So wie er es von dem einen sieht, so tut auch der andere Böses: Die Welt tut nach, was einer vortut; nie schert sie sich um das was recht ist.´´::: Und so: :::``Gegen Betrüger, Nichtswürdige, Diebe, Mörder und ähnliche muß man die Untergebenen schützen, sowie gegen in Trug sich Hüllende.´´::: Und ferner: ::: ``Wer seine Untertanen schützt, gewinnt ihrer Tugend sechsten Teil. Wenn er sie aber nicht schützt, trägt er ein Sechstel ihrer Schuld. ::: Aus des Untertans Leidflammen erhebt sich der Feuergott und ruht nicht eher, bis er gänzlich des Königs Glück und Haus und Leib verbrannt hat. Der König ist Auge den Augenlosen und Blutsfreund den Freundelosen, der König ist Vater und Mutter allen rechtschaffen Wandelnden. ::: Ein König, der nach Frucht strebt, pflege die Welten eifrig mit Spende und Ehre, wie die Gärtner ihre Schößlinge mit Wasser. ::: Gleichwie ein zarter Baumschößling, wenn er mit Sorgfalt gepflegt wird, Früchte zu seiner Zeit spendet, so auch die Welt, wenn sie gut regiert wird. Gold, Getreide und Juwelen, Roß und Wagen mancher Art und so auch, was sie sonst haben, kommt den Königen vom Untertan.´´“::: Nachdem aber Garuda dieses gehört hatte, fühlte er Mitleid mit dem Schmerz der Strandläufer, wurde von Zorn ergriffen und dachte: ::: „Ha! Was diese Vögel sagen, ist wahr! So laßt uns denn sogleich gehen und das Meer austrocknen!“ ::: Doch während er so dachte, kam der Bote des Vishnu zu ihm und sagte: ::: „He, Garuda! Der erhabene Narayana schickt mich zu dir. Der Erhabene will nach Amaravati gehen, um die Angelegenheiten der Götter zu besorgen. Deshalb komm eilig zu ihm!“ ::: Nachdem er dies gehört, sagte Garuda voll Empfindlichkeit zu ihm: ::: „Ach, Bote! Wie kann ich, ein verächtlicher Knecht, dem Erhabenen dienen? Geh deshalb und sprich zu ihm: «Es möge ein anderer Diener statt meiner zu seinem Träger gemacht werden.» Ich lasse mich dem Erhabenen empfehlen.“ ::: Der Bote sagte: ::: „Oh Sproß der Vinata! Noch niemals hast du etwas Derartiges zu dem Erhabenen gesagt. Sag an! Hat dich der Erhabene etwa geringschätzig behandelt?“ ::: Da antwortete Garuda: :::„Von dem Meer, welches des Erhabenen Ruhestätte bildet, sind meinem Diener, dem Strandläufer, seine Eier geraubt worden. ::: Wenn er dieses nun nicht bestraft, so bin ich nicht länger des Erhabenen Diener. Diesen meinen Entschluß mögest du vermelden. Darum gehe so rasch als möglich hin zu dem Erhabenen!“ ::: Als der Erhabene darauf aus dem Munde seines Boten erfuhr, daß der Sproß der Vinata aus Liebe erzürnt sei, so dachte er: ::: „Der Zorn des Garuda ist gerecht. Deswegen will ich selbst gehen, ihn unter Achtungserweisung ermahnen und ihn holen. Man sagt auch: ::: ``Einen guten und starken Diener von hohem Haus verachte nicht! Wie einen Sohn sollst du ihn lieben, wünschst du dir selber Wohlergehen.´´::: Und ferner: :::``Der Fürst, der mit den Dienern zufrieden ist, gibt ihnen Ehre allein zum Lohn. Sie aber bringen für bloße Ehre selbst ihr Leben zum Danke dar.´´“::: Nachdem er diese Betrachtung angestellt hatte, ging er eilig nach Rukmapura („Goldstadt“) zum Sproß der Vinata. Dieser aber, da er den Erhabenen zu seinem Hause kommen sah, senkte vor Scham das Gesicht zu Boden, verbeugte sich und sagte: ::: "Oh Erhabener! Siehe: Das Meer, welches übermütig ist, weil es deine Ruhestätte bildet, hat meinem Diener seine Eier geraubt und mich damit geringschätzig behandelt. ::: Aus Scheu vor dem Erhabenen habe ich gezögert, sonst würde ich es noch heute austrocknen. Denn man sagt auch: :::``Eine Handlung, die des Gebieters Herz beleidigt oder quält, die tun treue Dienstleute nie und ging es auch ans Leben.“ ::: Nachdem er dies gehört, sagte der Erhabene: ::: „Oh Sohn der Vinata! Was du gesagt hast, ist wahr. Denn man sagt auch: :::``Strafe, die eines Knechts Fehler hervorruft, trifft zugleich den Herrn; denn die Schande, die sie bringet, fällt mehr auf ihn als auf den Knecht. ::: Darum komm, damit wir dem Meer die Eier wieder abnehmen, sie dem Strandläufer bringen und dann nach Amaravati gehen!“ ::: Nachdem so geschehen, sprach er, den feurigen Pfeil auf den Bogen legend, drohend zum Meere: ::: „Ha, du Bösewicht! Gib dem Strandläufer seine Eier heraus! Wo nicht, so trockne ich dich aus.“ ::: Darauf geriet das Meer in Furcht und gab dem Strandläufer seine Eier zurück. Dieser aber händigte sie seinem Weibchen aus. - Daher sage ich: :::``Wer nicht des Feindes Kraft kennt und dennoch den Kampf mit ihm beginnt, der wird gedemütigt, wie der Ozean vom Strandläufer.“ ::: 

Nachdem Sanjivaka dieses gehört hatte, fragte er ihn weiter: „Höre Freund! Woran kann ich erkennen, daß der Löwe böse Gesinnungen gegen mich hegt? So lange Zeit bin ich von ihm stets mit zunehmender Liebe und Gunst behandelt worden und habe niemals eine Änderung an ihm erblickt. Drum sag es, damit ich meiner eigenen Rettung wegen mich erhebe, um ihn zu töten.“ Damanaka antwortete: „Lieber! Was ist da zu erkennen? Folgendes wird dich überzeugen: Wenn, sobald er dich erblickt, seine Augen sich röten, er die Augenbrauen zusammenzieht, so daß sie einen Dreizack bilden, und seine Mundwinkel mit der Zunge beleckt, dann ist er bösgesinnt, sonst ist er gnädig. Jetzt entlaß mich, ich gehe nach meinem Hause zurück. Du trag Sorge, daß der Beschluß nicht verraten wird! Wenn du, sobald es Nacht wird, gehen kannst, so solltest du das Land verlassen. Ansonsten mußt du dich durch Schmeicheln, Verrat, Bestechung, Gewalt oder anderes retten. Denn man sagt auch: Sogar durch Weib und Kind schützt sein Leben der Verständige: Bleibt ihm nur das Leben, so fällt ihm alles andere wieder zu. Und so: Durch jedes mögliche Mittel, sei es recht oder ungerecht, rette der Schwache sein Leben! Der Starke wandle nach dem Recht. Wer betört zwischen Leben- und Geldverlust hin- und herschwankt, dem kommt das Leben abhanden, und mit dem ist auch jenes hin.“ Nachdem er so gesprochen, ging Damanaka zu Karataka. Karataka aber, als er ihn erblickt hatte fragte: „Lieber! Was hast du durch deinen Weg dahin ausgerichtet?“ Damanaka antwortete: „Ich habe fürs erste nur den Samen zur Intrige ausgesät. Das Weitre hängt nun vom Gang des Schicksals ab. Man sagt auch: Selbst wenn das Schicksal ungünstig ist, erfülle der Weise seine Pflicht, damit er frei von Schuld bleibe und seinen Geist kräftig halte.“ Karataka sagte: „So sage denn, was für einen Samen der Intrige du ausgesät hast?“ Jener antwortete: „Ich habe durch lügnerische Reden zwischen beiden solches Mißtrauen gegeneinander erweckt, daß du sie nie mehr an einer Stelle stehend miteinander ratschlagen sehen wirst.“ Karataka sagte: „Ach! Du hast nicht recht getan, daß du diese beiden, deren Herz in wechselseitiger Liebe schwamm, und die in Freude hausten, in das Meer des Zorns geschleudert hast. Man sagt auch: Wer einen glücklichen Harmlosen in die Straße des Unglücks treibt, der wird in allen Wiedergeburten unzweifelhaft unglücklich sein. Ferner ist es auch nicht recht, daß du nur an Zwietracht Vergnügen findest. Denn Böses zu tun, ist jedermann fähig, nicht aber Gutes. Man sagt auch: Der Neider kann eines anderen Werk verderben, aber fördern kann er es nicht: Auch der Sturm kann den Baum fällen, doch ihn aufrichten nimmermehr.“ Doch Damanaka sagte: „Ach! Du kennst die Gebote der Lebensklugheit nicht, darum sprichst du so. Es heißt auch: Wer sein Wohl wünscht, soll nie den Feind übersehen, der sich erheben will. Denn wie die Weisen es gelehrt haben, sind Feind und Krankheit von gleicher Art. Jener ist nun unser Feind, da er uns unsere Ministerstelle geraubt hat. Es heißt auch: Wer eines anderen erbliche Stellung ihm abgewinnen will, ist sein natürlicher Gegner. Man rotte ihn aus, auch wenn man ihn liebt. Seit er von mir aus Unbedachtsamkeit vermittelst des Versprechens der Sicherheit herbeigeführt wurde, bin ich durch ihn aus meiner Ministerstellung verdrängt worden. Sagt man ja doch mit Recht: Wenn der Gute dem Bösewicht Eingang in sein Gebiet erlaubt, dann ist dieser, sobald er will, mächtig zu jenes Untergang. Darum gestatte der Verständige niemals dem Gemeinen Raum: Hier gilt wie es im Sprichwort heißt: «Der Ehebrecher wird Hausherr selbst.» Deswegen habe ich dieses eingefädelt, um ihn zu verderben, damit er das Land verläßt oder umkommt. Und dieses soll niemand außer dir erfahren! So wurde dieses von mir mit Recht zum eignen Vorteil unternommen. Denn es heißt auch: Mache das Herz erbarmungslos, die Stimme aber wie Zucker süß, laß jeglichen Zweifel fahren und töte, wer dir Böses tut. Außerdem wird dieser Sanjivaka, sobald er getötet ist, uns auch zum Essen dienen. Das ist zunächst ein Vorteil der Feindschaft. Alsdann wird uns auch das Ministerium und Wohlsein zuteil. Da uns nun dieses dreifache Gut bevorsteht, wie kannst du mir Dummheit vorwerfen? Denn man sagt auch: Der Weise wäre unsinnig, welcher nicht wie Chaturaka schmauste, wenn er dem Feind Leiden, sich selber aber Vorteil schaffen kann.“ Da fragte Karataka „Wie war das?“, und jener erzählte:
Ein alter Schwan rettet eine gefangene Schwäneschar
In einer gewissen Waldgegend war ein Feigenbaum namens Mahasakha (“große Zweige“), darauf wohnte eine Schar Schwäne. Unter diesem Feigenbaum aber erschien ein Schlinggewächs mit Namen Kausakhi („schlechte Zweige“).
Darauf sagte der alte Schwan:
„Das Schlinggewächs, welches an diesem Baum heranwächst, ist für uns sehr gefährlich. Mit Hilfe desselben kann einer einmal heraufsteigen und uns umbringen. Schaffet dies Schlinggewächs weg, so lange es noch mit Leichtigkeit zu zerstören ist!“
Sie aber ließen seine Rede unbeachtet und zerstörten das Schlinggewächs nicht. So wuchs denn das Schlinggewächs im Fortgang der Zeit an dem Baum hinauf.
Als die Schwäne nun einst ausgeflogen waren, um sich Futter zu suchen, stieg ein Vogelsteller, das Schlinggewächs als Leiter benutzend, auf den Feigenbaum, legte Fallen in die Nester der Schwäne und kehrte dann nach Hause zurück.
Als aber die Schwäne ihren Ausflug nach Futter vollendet hatten und in der Nacht zurückkehrten, da wurden sie alle in den Schlingen gefangen. Da sprach der alte Schwan:
„Diese unglückliche Gefangenschaft in den Netzen ist uns zugestoßen, weil ihr gehandelt habt, ohne auf meine Rede zu achten. So sind wir nun alle verloren!“
Darauf sagten die Schwäne zu ihm:
„Ehrwürdiger! Was ist unter diesen Umständen zu tun?“
Er aber sprach:
„Wenn ihr mir diesmal folgen wollt, so stellt euch, wenn der Vogelsteller kommt, als wäret ihr tot.
Wenn aber dann der Vogelsteller, indem er denkt >>Sie sind schon tot!
Der listige Schakal:::

In einer gewissen Waldgegend wohnte einmal ein Löwe namens Vajradanshtra („Zähne wie Diamant“). Dieser hatte zwei Diener, welche ihn stets begleiteten und mit ihm in diesem Walde wohnten, einen Schakal Chaturaka („verschlagen“) und einen Wolf, Kravyamukha („Fleischmaul“) mit Namen. ::: Eines Tages aber begegnete der Löwe einmal einem weiblichen Kamel, welches dem Gebären nah durch seine Geburtswehen von der Herde abgekommen war und sich im Walde niedergesetzt hatte. ::: Nachdem er es nun getötet und ihm den Bauch aufgerissen hatte, kam ein lebendiges kleines Kameljunges heraus. ::: Der Löwe sättigte sich vollständig an dem Fleisch des Kamelweibchens. Das junge verlassene Kamelchen aber führte er aus Mitleid nach seinem Hause und sprach zu ihm: ::: „Mein Liebes! Weder von mir noch von einem anderen hast du den Tod zu befürchten, drum schweife nach deinem Belieben in diesem Wald mit Chaturaka und Kravyamukha vergnügt umher! Da deine Ohren wie ein Spieß aussehen, so sollst du den Namen Sankukarna („Ohren wie Spieße“) führen.“ ::: Nachdem so geschehen, brachten alle vier ihre Zeit damit zu, daß sie an einem und demselben Ort spazierengingen und das Vergnügen der mannigfachsten Unterhaltung miteinander genossen.::: Sankukarna aber, nachdem er zum Jünglingsalter herangewachsen war, verließ den Löwen auch nicht einen Augenblick. Da hatte nun der Löwe einst einen Kampf mit einem wütenden Elefanten zu bestehen. ::: Durch diesen wurde er infolge der Kraft seiner Wut durch Stöße mit dem Stoßzahn am Körper so sehr verwundet, daß wenig fehlte, daß er das Unglück gehabt hätte, getötet zu werden. ::: Als er sich darauf mit seinem von Stößen entkräfteten Körper nicht rühren konnte, da sprach er mit von Hunger abgezehrter Kehle: ::: „Ach! Sucht irgendein Tier, damit ich, obgleich ich mich in diesem Zustand befinde, es töte und von mir und euch den Hunger abwende.“ ::: Nachdem sie dies gehört, irrten sie alle drei im Wald bis zur Dämmerung umher, trafen aber gar kein Tier an. Da dachte der Schakal Chaturaka: :::„Wenn dieses Kamel Sankukarna umgebracht wird, dann haben alle auf einige Tage Nahrung. Aber der Herr wird ihn aus Freundschaft und weil er sein Schützling ist, nicht umbringen. Ich werde jedoch durch die Macht meiner Klugheit des Herrn Gedanken lenken, und bewirken, daß er ihn tötet. ::: Denn es heißt auch: Nichts gibt es in der Welt, das nicht vernichtbar, erreichbar und ausführbar für den Verstand Verstandvoller ist; darum strenge man diesen an!“ ::: Nachdem er so überlegt hatte, sagte er zum Kamel Folgendes: ::: „He! Sankukarna! Der Herr wird, wenn er keine nahrhafte Speise erhält, doch gewaltig von Hunger gepeinigt. Wenn der Herr weg ist, so trifft auch uns selbst Verderben. ::: Darum will ich um des Herrn willen ein Wörtchen sprechen. Hör an!“ Und das Kamel sagte: ::: „Oh Lieber! Tu es mir so schnell als möglich kund, damit ich, ohne mich zu besinnen, dein Geheiß ausführe. Wenn ich dem Herrn etwas Gutes erweise, so habe ich ja hundert gute Werke damit verrichtet.“ ::: Da sprach der Schakal: ::: „Strecke dem Herrn deinen Körper vor, unter der Bedingung, ihn doppelt zurückzuerhalten, so daß dir ein doppelter Leib zuteil wird, der Herr aber ein Mittel gewinnt, sein Leben zu erhalten.“ ::: Nachdem es dies gehört, sagte das Kamel: ::: „Lieber! Wenn du so meinst, so ist dies ja gerade mein Vorteil. Man sage also dem Herrn, daß ebendieses getan werden möge. Doch muß ich in dieser Sache Dharma, den Gott der Gerechtigkeit, als Bürgen fordern.“ ::: Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, gingen sie alle zusammen zum Löwen. Darauf sagte der Schakal: ::: „Majestät! Kein einziges Tier ist heute gefangen worden, und die erhabene Sonne ist bereits untergegangen. Wenn du jedoch des Sankukarna Leib verdoppelt zurückzahlen willst und den Gott der Gerechtigkeit zum Bürgen gibst, so überliefert er dir denselben.“ ::: Der Löwe sagte: ::: „Wenn dem so ist, so ist das sehr schön. Der Gott der Gerechtigkeit soll zum Bürgen dieses Handels gemacht werden.“ ::: Darauf wurde unmittelbar nach des Löwen Rede dem Kamel vom Wolf und Schakal der Bauch aufgerissen, so daß er starb. Alsdann sprach der Löwe zum Schakal: ::: „Hör Chaturaka! Halte sorgfältig hier Wacht, bis ich, nachdem ich zum Fluß gegangen bin, gebadet habe und nach Verrichtung meiner Andacht zurückkehre.“ ::: Nachdem er so gesprochen, ging er zum Fluß. Als er nun weg war, dachte Chaturaka: ::: „Wie kann ich es machen, daß ich dieses Kamel allein zu essen bekomme?“ ::: Nachdem er so überlegt, sprach er zum Wolf: ::: „Hör! Du bist hungrig, drum iß, solang der Herr noch nicht zurückkehrt, vom Fleisch dieses Kamels. Ich werde dich vor dem Herrn für unschuldig erklären.“ ::: Als jener aber, nachdem er dies gehört, kaum ein bißchen Fleisch gekostet hatte, rief ihm Chaturaka zu: ::: „He! He! Kravyamukha! Der Herr kommt zurück! Laß also ab davon und stelle dich weit weg, damit er nicht merkt, daß davon gegessen wurde.“ ::: Nachdem so geschehen war, kam der Löwe herbei. Wie er das Kamel sieht, so war das Herz desselben weg. ::: Da zog er die Augenbrauen zusammen und sagte mit großer Heftigkeit: ::: „Ha! Wer hat gemacht, daß das Kamel zu einem Überbleibsel geworden ist? Sag an, damit ich auch den umbringe.“ ::: Nachdem dies gesagt war, blickte Kravyamukha nach Chaturakas Mund, er wollte damit natürlich sagen: ::: „Sprich doch etwas, damit ich gerettet werde!“ ::: Der Schakal aber sagte spottend: ::: „He! Nachdem du vor meinen Augen das Herz des Kamels gefressen hast, siehst du jetzt nach meinem Mund. So koste denn die Frucht des Baums deines schlechten Benehmens!“ ::: Nachdem er dies gehört, ging Kravyamukha aus Furcht um sein Leben nach einem anderen Land, um niemals wieder zurückzukehren; der Löwe aber blieb da. ::: Mittlerweile kam durch des Schicksals Fügung auf ebendiesem Wege eine große mit Lasten beladene Kamelkarawane. Am Hals des an der Spitze gehenden Kameles war eine große Glocke befestigt. Deren Ton hörte der Löwe schon aus der Ferne und sprach zu Chaturaka: ::: „Lieber! Sieh doch nach, warum sich dieser schreckliche, nie vorher gehörte Ton hören läßt!“ ::: Nachdem er dies gehört, ging der Schakal ein wenig in das Innere des Waldes, kam dann eilig zurück und sagte voll Furcht: ::: „Herr! Mach dich fort! Mach dich fort, wenn du gehen kannst!“ ::: Dieser sprach: „Lieber! Warum erschreckst du mich so? Sprich doch, was ist es?“ ::: Chaturaka sagte: „Oh Herr! Es ist der König der Gerechtigkeit, welcher gegen dich erzürnt ist. Er sagt natürlich: «Mein Kamel ist von ihm, nachdem er mich zum Bürgen gegeben hat, vor der ihm bestimmten Zeit umgebracht! Darum will ich mein Kamel tausendfältig von ihm nehmen.» ::: Nachdem er dies beschlossen, hat er einen großen Kamelschmuck genommen und an den Hals des an der Spitze gehenden Kamels befestigt und kommt nun zugleich mit dem Vater und den Ahnen, welche zu dem getöteten Kamel gehören, um Wiedervergeltung zu üben.“ ::: Der Löwe aber, da er dies alles aus der Ferne erblickte, ließ das tote Kamel im Stich und machte sich aus Furcht für sein Leben auf und davon. ::: Chaturaka aber fraß in aller Muße das Fleisch des Kamels auf.  - Darum sage ich: :::``Der Weise wäre unsinnig, welcher nicht, wie Chaturaka schmauste, wenn er dem Feind Leiden, sich selber aber Vorteil verschaffen kann.´´::: Als aber Damanaka (der ehrgeizige Schakal) weggegangen war, überlegte der Stier Sanjivaka: ::: „Was habe ich getan?! Ich, ein grasfressendes Geschöpf, habe Freundschaft mit einem fleischfressenden geschlossen?! Sagt man denn nicht mit Recht: :::``Der naht sich Unnahbarem, der nicht zu Ehrende verehrt! Er zieht sich den Tod selber zu, wie ein Maultier, das schwanger wird.´´::: - Was soll ich nun tun? Wohin soll ich gehen? Wie kann ich mich retten? Oder sollte ich wohl zum Löwenkönig Pingalaka selbst gehen? Vielleicht verschont er mich, wenn ich mich in seinen Schutz begebe, und raubt mir nicht das Leben...? Denn man sagt auch: ::: ``Wenn denen selbst, die redlich streben, des Schicksals Fügung irgendein Unglück schickt, dann sollen Weise, dieses zu beenden, mit ganz besonderer Einsicht handeln.´´::: Denn in der ganzen Welt gilt dieses Sprichwort: ``Dem Feuergebrannten ist ein Tropfen Feuer ein Mittel, das Hilfe bringt.´´::: Und so: ::: ``Trifft doch in der Welt - und daran gibt es keinen Grund zu zweifeln - die das Beste tuenden Geschöpfe - welche stets erlangen, was aus den eigenen Taten reift - Glück und Unglück, wie es sie von selbst treffen muß, weil sie es in einem früheren Leib erworben haben.´´ ::: Wenn ich also auch wo anders hingehe, wird mir doch der Tod durch ein böses fleischfressendes Tier zuteil werden. Darum ist es besser, es geschieht durch den Löwen. Es heißt auch: :::``Wenn einer mit Gewaltigen kämpft, ist selbst sein Unglück ehrenvoll´´.::: Preiswürdig ist des Elefanten Zahnbruch, wenn er den Berg zerriß. Und so: :::``Durch Mächtige Untergang leidend, gelangt selbst der Niedere zu Ruhm, wie die Biene, die gierig nach dem Brunstsaft durch den Schlag des Elefantenohres stirbt.´´“::: Nachdem er sich so entschlossen hatte, machte er sich schwankenden Ganges Schritt vor Schritt auf den Weg, und als er des Löwen Wohnung sah, sprach er: ::: „Ach! Mit Recht sagt man auch Folgendes: :::``Wie in ein Haus, in welchem Schlangen nisten, wie in einen Wald, der von Raubtieren angefüllt ist, wie in einen schönen, lotusschattenreichen, doch untiervollen See, so taucht man in eines Königs Palast, der von vielen Bösen, Lügnerischen, Gemeinen und Unwürdigen strotzt, wie in einen Ozean voll Furcht und Sorgen.´´“::: Indem er so sprach, sah er den Pingalaka in der von Damanaka beschriebenen Gestalt: erschrocken und seinen Körper deckend, setzte er sich so fern als möglich nieder, ohne seine Verehrung zu bezeigen. ::: Pingalaka andrerseits, da er die ihm von Damanaka vorausgesagte Haltung erblickte, stürzte sich voll Zorn auf ihn. Sanjivaka jedoch, dessen Leib von Pingalakas scharfen Klauen zerrissen wurde, riß diesem mit seinem Rücken und seinen Hörnern den Bauch auf und machte sich mit Mühe von ihm los. ::: Dann stellte er sich nochmals zum Kampf und suchte ihn mit seinen Hörnern zu töten. Als nun Karataka diese beiden Blutbefleckten sah, die wie rotblühende Büsche erschienen, einer nach des anderen Mord begierig, da sprach er vorwurfsvoll zu Damanaka: ::: „Ach! Du Törichter! Daß du Feindschaft zwischen beide gesät hast, das war nicht gut getan! Denn durch dich ist nun dieser ganze Wald in Schrecken gesetzt. ::: So kennst du die wahre Lebensweisheit nicht. Die der Lebensweisheit Kundigen haben gesagt: :::``Diejenigen, welche die Taten, die mit der allerhöchsten Strenge gestraft zu werden verdienten und mit Mühe zum Heil gewendet werden können, durch Liebe und Freundlichkeit ausgleichen, die sind wahrhaftige Räte und der Lebensweisheit kundig. Die aber, welche wider die Ordnung, unbedeutende und geringe Strafe verdienende Taten mit den schwersten Strafen verfolgen, durch deren unpolitisches Benehmen wird des Königs Wohl aufs Spiel gesetzt. ´´::: Wenn nun der Herr verletzt wird, wie steht's dann mit der Weisheit deines Rats? Oder Sanjivaka wird nicht getötet...:::  Auch das darf nicht geschehen; da diese Lebensgefahr des Herrn seinen Tod zur Folge haben muß. Drum, du Tor! Wie kannst du die Stelle eines Ministers begehren? ::: Du verstehst nicht die Kunst, etwas friedlich zum Ziel zu führen. Drum ist dieser Wunsch von dir, der du harte Strafen liebst, höchst eitel. Es heißt auch nach Gottes Wort: ::: ``Sanftmut ist der Klugheit Anfang, und Strafe ist ihr Ende; denn Strafe ist das Schlimmste von allen; drum vermeide, sie zu verhängen!´´::: Und so: ``Da, wo Sanftmut zum Ziel führt, da braucht der Weise keine Strafe. Wenn die Gelbsucht durch Zucker geheilt wird, wozu bedarf es Gift?´´::: Und so: ``Ein Werk wird von den Werkkundigen zuerst mit Sanftmut angefaßt; denn sanft vollzogene Anordnung führt nimmer zu Mißgeschick.´´::: Und ferner: ``Weder durch Zaubermittel noch durch Mond, Sonne oder Feuer - nur durch Sanftmut wird die durch Feinde entstandene Finsternis vernichtet.´´::: Wenn du also nach der Stelle des Ministers begehrst, so ist das unangemessen, da du nicht weißt, was ein Minister zu tun hat. ::: Denn fünffacher Art ist die Kunst des Rats, nämlich Mittel und Geschäfte zu beginnen; Erwerbung menschlicher Güter; richtige Einteilung von Ort und Zeit; Vorbeugen gegen Unglücksfälle und Erreichung des Bezweckten. ::: Jetzt tritt hier notwendig ein Unglück des Herrn oder des Ministers, oder auch aller beider ein. Wenn du also irgendetwas vermagst, so denke an ein Mittel, diesem Unglück vorzubeugen. ::: Denn wo Zwieträchtiges zu versöhnen ist, da erprobt sich die Weisheit der Räte. Aber das zu tun, du Unwissender! bist du nicht fähig, weil dein Verstand ein verkehrter ist. ::: Es heißt auch: ``Der Schlechte kann das Werk anderer zerstören, doch fördern kann er es nicht: Wohl kann die Maus den Speisekorb umwerfen, doch aufheben kann sie ihn nicht.´´::: Doch ist dies vielleicht nicht deine Schuld, sondern die des Herrn, welcher dir Schwachsinnigem Glauben schenkt. Es heißt auch: :::``Die Königsschar, welche gemeinen Leuten folgt, und den Pfad nicht geht, welchen der Weise ihnen zeigt, verstrickt sich mit ihren Geschäften in einen Sack, der rings umschränkt, nur schwierigen Weg zur Rückkehr bietet.´´::: Wenn du also sein Minister werden wirst, so wird kein einziger anderer braver Mann in seine Nähe gelangen können. Es heißt auch: :::``Keiner kommt je selbst zum besten der Fürsten, der schlechte Räte hat, gleichwie zum See voll Krokodile, wäre auch sein Wasser süß und schön.´´::: Und so wird ein König, der nicht von Weisen umgeben ist, zugrunde gehen. Es heißt auch: :::``Wenn Fürsten Dienern Gunst schenken, die zwar schöne Reden führen, aber im Handeln leichtsinnig sind, wird ihre Macht der Feinde Spott.´´::: - Durch Valabhadras („durch Stärke glücklich“) Rat wurde der nackte Bettelmönch verbrannt. So gewann er des Königs Gunst zurück und sich selbst noch Ehre.“ ::: Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und Karataka erzählte:
Der listige Schakal
In einer gewissen Waldgegend wohnte einmal ein Löwe namens Vajradanshtra („Zähne wie Diamant“). Dieser hatte zwei Diener, welche ihn stets begleiteten und mit ihm in diesem Walde wohnten, einen Schakal Chaturaka („verschlagen“) und einen Wolf, Kravyamukha („Fleischmaul“) mit Namen.
Eines Tages aber begegnete der Löwe einmal einem weiblichen Kamel, welches dem Gebären nah durch seine Geburtswehen von der Herde abgekommen war und sich im Walde niedergesetzt hatte.
Nachdem er es nun getötet und ihm den Bauch aufgerissen hatte, kam ein lebendiges kleines Kameljunges heraus.
Der Löwe sättigte sich vollständig an dem Fleisch des Kamelweibchens. Das junge verlassene Kamelchen aber führte er aus Mitleid nach seinem Hause und sprach zu ihm:
„Mein Liebes! Weder von mir noch von einem anderen hast du den Tod zu befürchten, drum schweife nach deinem Belieben in diesem Wald mit Chaturaka und Kravyamukha vergnügt umher! Da deine Ohren wie ein Spieß aussehen, so sollst du den Namen Sankukarna („Ohren wie Spieße“) führen.“
Nachdem so geschehen, brachten alle vier ihre Zeit damit zu, daß sie an einem und demselben Ort spazierengingen und das Vergnügen der mannigfachsten Unterhaltung miteinander genossen.
Sankukarna aber, nachdem er zum Jünglingsalter herangewachsen war, verließ den Löwen auch nicht einen Augenblick. Da hatte nun der Löwe einst einen Kampf mit einem wütenden Elefanten zu bestehen.
Durch diesen wurde er infolge der Kraft seiner Wut durch Stöße mit dem Stoßzahn am Körper so sehr verwundet, daß wenig fehlte, daß er das Unglück gehabt hätte, getötet zu werden.
Als er sich darauf mit seinem von Stößen entkräfteten Körper nicht rühren konnte, da sprach er mit von Hunger abgezehrter Kehle:
„Ach! Sucht irgendein Tier, damit ich, obgleich ich mich in diesem Zustand befinde, es töte und von mir und euch den Hunger abwende.“
Nachdem sie dies gehört, irrten sie alle drei im Wald bis zur Dämmerung umher, trafen aber gar kein Tier an. Da dachte der Schakal Chaturaka:
„Wenn dieses Kamel Sankukarna umgebracht wird, dann haben alle auf einige Tage Nahrung. Aber der Herr wird ihn aus Freundschaft und weil er sein Schützling ist, nicht umbringen. Ich werde jedoch durch die Macht meiner Klugheit des Herrn Gedanken lenken, und bewirken, daß er ihn tötet.
Denn es heißt auch: Nichts gibt es in der Welt, das nicht vernichtbar, erreichbar und ausführbar für den Verstand Verstandvoller ist; darum strenge man diesen an!“
Nachdem er so überlegt hatte, sagte er zum Kamel Folgendes:
„He! Sankukarna! Der Herr wird, wenn er keine nahrhafte Speise erhält, doch gewaltig von Hunger gepeinigt. Wenn der Herr weg ist, so trifft auch uns selbst Verderben.
Darum will ich um des Herrn willen ein Wörtchen sprechen. Hör an!“ Und das Kamel sagte:
„Oh Lieber! Tu es mir so schnell als möglich kund, damit ich, ohne mich zu besinnen, dein Geheiß ausführe. Wenn ich dem Herrn etwas Gutes erweise, so habe ich ja hundert gute Werke damit verrichtet.“
Da sprach der Schakal:
„Strecke dem Herrn deinen Körper vor, unter der Bedingung, ihn doppelt zurückzuerhalten, so daß dir ein doppelter Leib zuteil wird, der Herr aber ein Mittel gewinnt, sein Leben zu erhalten.“
Nachdem es dies gehört, sagte das Kamel:
„Lieber! Wenn du so meinst, so ist dies ja gerade mein Vorteil. Man sage also dem Herrn, daß ebendieses getan werden möge. Doch muß ich in dieser Sache Dharma, den Gott der Gerechtigkeit, als Bürgen fordern.“
Nachdem dieser Beschluß gefaßt war, gingen sie alle zusammen zum Löwen. Darauf sagte der Schakal:
„Majestät! Kein einziges Tier ist heute gefangen worden, und die erhabene Sonne ist bereits untergegangen. Wenn du jedoch des Sankukarna Leib verdoppelt zurückzahlen willst und den Gott der Gerechtigkeit zum Bürgen gibst, so überliefert er dir denselben.“
Der Löwe sagte:
„Wenn dem so ist, so ist das sehr schön. Der Gott der Gerechtigkeit soll zum Bürgen dieses Handels gemacht werden.“
Darauf wurde unmittelbar nach des Löwen Rede dem Kamel vom Wolf und Schakal der Bauch aufgerissen, so daß er starb. Alsdann sprach der Löwe zum Schakal:
„Hör Chaturaka! Halte sorgfältig hier Wacht, bis ich, nachdem ich zum Fluß gegangen bin, gebadet habe und nach Verrichtung meiner Andacht zurückkehre.“
Nachdem er so gesprochen, ging er zum Fluß. Als er nun weg war, dachte Chaturaka:
„Wie kann ich es machen, daß ich dieses Kamel allein zu essen bekomme?“
Nachdem er so überlegt, sprach er zum Wolf:
„Hör! Du bist hungrig, drum iß, solang der Herr noch nicht zurückkehrt, vom Fleisch dieses Kamels. Ich werde dich vor dem Herrn für unschuldig erklären.“
Als jener aber, nachdem er dies gehört, kaum ein bißchen Fleisch gekostet hatte, rief ihm Chaturaka zu:
„He! He! Kravyamukha! Der Herr kommt zurück! Laß also ab davon und stelle dich weit weg, damit er nicht merkt, daß davon gegessen wurde.“
Nachdem so geschehen war, kam der Löwe herbei. Wie er das Kamel sieht, so war das Herz desselben weg.
Da zog er die Augenbrauen zusammen und sagte mit großer Heftigkeit:
„Ha! Wer hat gemacht, daß das Kamel zu einem Überbleibsel geworden ist? Sag an, damit ich auch den umbringe.“
Nachdem dies gesagt war, blickte Kravyamukha nach Chaturakas Mund, er wollte damit natürlich sagen:
„Sprich doch etwas, damit ich gerettet werde!“
Der Schakal aber sagte spottend:
„He! Nachdem du vor meinen Augen das Herz des Kamels gefressen hast, siehst du jetzt nach meinem Mund. So koste denn die Frucht des Baums deines schlechten Benehmens!“
Nachdem er dies gehört, ging Kravyamukha aus Furcht um sein Leben nach einem anderen Land, um niemals wieder zurückzukehren; der Löwe aber blieb da.
Mittlerweile kam durch des Schicksals Fügung auf ebendiesem Wege eine große mit Lasten beladene Kamelkarawane. Am Hals des an der Spitze gehenden Kameles war eine große Glocke befestigt. Deren Ton hörte der Löwe schon aus der Ferne und sprach zu Chaturaka:
„Lieber! Sieh doch nach, warum sich dieser schreckliche, nie vorher gehörte Ton hören läßt!“
Nachdem er dies gehört, ging der Schakal ein wenig in das Innere des Waldes, kam dann eilig zurück und sagte voll Furcht:
„Herr! Mach dich fort! Mach dich fort, wenn du gehen kannst!“
Dieser sprach: „Lieber! Warum erschreckst du mich so? Sprich doch, was ist es?“
Chaturaka sagte: „Oh Herr! Es ist der König der Gerechtigkeit, welcher gegen dich erzürnt ist. Er sagt natürlich: «Mein Kamel ist von ihm, nachdem er mich zum Bürgen gegeben hat, vor der ihm bestimmten Zeit umgebracht! Darum will ich mein Kamel tausendfältig von ihm nehmen.»
Nachdem er dies beschlossen, hat er einen großen Kamelschmuck genommen und an den Hals des an der Spitze gehenden Kamels befestigt und kommt nun zugleich mit dem Vater und den Ahnen, welche zu dem getöteten Kamel gehören, um Wiedervergeltung zu üben.“
Der Löwe aber, da er dies alles aus der Ferne erblickte, ließ das tote Kamel im Stich und machte sich aus Furcht für sein Leben auf und davon.
Chaturaka aber fraß in aller Muße das Fleisch des Kamels auf.  - Darum sage ich:
``Der Weise wäre unsinnig, welcher nicht, wie Chaturaka schmauste, wenn er dem Feind Leiden, sich selber aber Vorteil verschaffen kann.´´
Als aber Damanaka (der ehrgeizige Schakal) weggegangen war, überlegte der Stier Sanjivaka:
„Was habe ich getan?! Ich, ein grasfressendes Geschöpf, habe Freundschaft mit einem fleischfressenden geschlossen?! Sagt man denn nicht mit Recht:
``Der naht sich Unnahbarem, der nicht zu Ehrende verehrt! Er zieht sich den Tod selber zu, wie ein Maultier, das schwanger wird.´´
- Was soll ich nun tun? Wohin soll ich gehen? Wie kann ich mich retten? Oder sollte ich wohl zum Löwenkönig Pingalaka selbst gehen? Vielleicht verschont er mich, wenn ich mich in seinen Schutz begebe, und raubt mir nicht das Leben...? Denn man sagt auch:
``Wenn denen selbst, die redlich streben, des Schicksals Fügung irgendein Unglück schickt, dann sollen Weise, dieses zu beenden, mit ganz besonderer Einsicht handeln.´´
Denn in der ganzen Welt gilt dieses Sprichwort: ``Dem Feuergebrannten ist ein Tropfen Feuer ein Mittel, das Hilfe bringt.´´
Und so:
``Trifft doch in der Welt - und daran gibt es keinen Grund zu zweifeln - die das Beste tuenden Geschöpfe - welche stets erlangen, was aus den eigenen Taten reift - Glück und Unglück, wie es sie von selbst treffen muß, weil sie es in einem früheren Leib erworben haben.´´
Wenn ich also auch wo anders hingehe, wird mir doch der Tod durch ein böses fleischfressendes Tier zuteil werden. Darum ist es besser, es geschieht durch den Löwen. Es heißt auch:
``Wenn einer mit Gewaltigen kämpft, ist selbst sein Unglück ehrenvoll´´.
Preiswürdig ist des Elefanten Zahnbruch, wenn er den Berg zerriß. Und so:
``Durch Mächtige Untergang leidend, gelangt selbst der Niedere zu Ruhm, wie die Biene, die gierig nach dem Brunstsaft durch den Schlag des Elefantenohres stirbt.´´“
Nachdem er sich so entschlossen hatte, machte er sich schwankenden Ganges Schritt vor Schritt auf den Weg, und als er des Löwen Wohnung sah, sprach er:
„Ach! Mit Recht sagt man auch Folgendes:
``Wie in ein Haus, in welchem Schlangen nisten, wie in einen Wald, der von Raubtieren angefüllt ist, wie in einen schönen, lotusschattenreichen, doch untiervollen See, so taucht man in eines Königs Palast, der von vielen Bösen, Lügnerischen, Gemeinen und Unwürdigen strotzt, wie in einen Ozean voll Furcht und Sorgen.´´“
Indem er so sprach, sah er den Pingalaka in der von Damanaka beschriebenen Gestalt: erschrocken und seinen Körper deckend, setzte er sich so fern als möglich nieder, ohne seine Verehrung zu bezeigen.
Pingalaka andrerseits, da er die ihm von Damanaka vorausgesagte Haltung erblickte, stürzte sich voll Zorn auf ihn. Sanjivaka jedoch, dessen Leib von Pingalakas scharfen Klauen zerrissen wurde, riß diesem mit seinem Rücken und seinen Hörnern den Bauch auf und machte sich mit Mühe von ihm los.
Dann stellte er sich nochmals zum Kampf und suchte ihn mit seinen Hörnern zu töten. Als nun Karataka diese beiden Blutbefleckten sah, die wie rotblühende Büsche erschienen, einer nach des anderen Mord begierig, da sprach er vorwurfsvoll zu Damanaka:
„Ach! Du Törichter! Daß du Feindschaft zwischen beide gesät hast, das war nicht gut getan! Denn durch dich ist nun dieser ganze Wald in Schrecken gesetzt.
So kennst du die wahre Lebensweisheit nicht. Die der Lebensweisheit Kundigen haben gesagt:
``Diejenigen, welche die Taten, die mit der allerhöchsten Strenge gestraft zu werden verdienten und mit Mühe zum Heil gewendet werden können, durch Liebe und Freundlichkeit ausgleichen, die sind wahrhaftige Räte und der Lebensweisheit kundig. Die aber, welche wider die Ordnung, unbedeutende und geringe Strafe verdienende Taten mit den schwersten Strafen verfolgen, durch deren unpolitisches Benehmen wird des Königs Wohl aufs Spiel gesetzt. ´´
Wenn nun der Herr verletzt wird, wie steht's dann mit der Weisheit deines Rats? Oder Sanjivaka wird nicht getötet...
Auch das darf nicht geschehen; da diese Lebensgefahr des Herrn seinen Tod zur Folge haben muß. Drum, du Tor! Wie kannst du die Stelle eines Ministers begehren?
Du verstehst nicht die Kunst, etwas friedlich zum Ziel zu führen. Drum ist dieser Wunsch von dir, der du harte Strafen liebst, höchst eitel. Es heißt auch nach Gottes Wort:
``Sanftmut ist der Klugheit Anfang, und Strafe ist ihr Ende; denn Strafe ist das Schlimmste von allen; drum vermeide, sie zu verhängen!´´
Und so: ``Da, wo Sanftmut zum Ziel führt, da braucht der Weise keine Strafe. Wenn die Gelbsucht durch Zucker geheilt wird, wozu bedarf es Gift?´´
Und so: ``Ein Werk wird von den Werkkundigen zuerst mit Sanftmut angefaßt; denn sanft vollzogene Anordnung führt nimmer zu Mißgeschick.´´
Und ferner: ``Weder durch Zaubermittel noch durch Mond, Sonne oder Feuer - nur durch Sanftmut wird die durch Feinde entstandene Finsternis vernichtet.´´
Wenn du also nach der Stelle des Ministers begehrst, so ist das unangemessen, da du nicht weißt, was ein Minister zu tun hat.
Denn fünffacher Art ist die Kunst des Rats, nämlich Mittel und Geschäfte zu beginnen; Erwerbung menschlicher Güter; richtige Einteilung von Ort und Zeit; Vorbeugen gegen Unglücksfälle und Erreichung des Bezweckten.
Jetzt tritt hier notwendig ein Unglück des Herrn oder des Ministers, oder auch aller beider ein. Wenn du also irgendetwas vermagst, so denke an ein Mittel, diesem Unglück vorzubeugen.
Denn wo Zwieträchtiges zu versöhnen ist, da erprobt sich die Weisheit der Räte. Aber das zu tun, du Unwissender! bist du nicht fähig, weil dein Verstand ein verkehrter ist.
Es heißt auch: ``Der Schlechte kann das Werk anderer zerstören, doch fördern kann er es nicht: Wohl kann die Maus den Speisekorb umwerfen, doch aufheben kann sie ihn nicht.´´
Doch ist dies vielleicht nicht deine Schuld, sondern die des Herrn, welcher dir Schwachsinnigem Glauben schenkt. Es heißt auch:
``Die Königsschar, welche gemeinen Leuten folgt, und den Pfad nicht geht, welchen der Weise ihnen zeigt, verstrickt sich mit ihren Geschäften in einen Sack, der rings umschränkt, nur schwierigen Weg zur Rückkehr bietet.´´
Wenn du also sein Minister werden wirst, so wird kein einziger anderer braver Mann in seine Nähe gelangen können. Es heißt auch:
``Keiner kommt je selbst zum besten der Fürsten, der schlechte Räte hat, gleichwie zum See voll Krokodile, wäre auch sein Wasser süß und schön.´´
Und so wird ein König, der nicht von Weisen umgeben ist, zugrunde gehen. Es heißt auch:
``Wenn Fürsten Dienern Gunst schenken, die zwar schöne Reden führen, aber im Handeln leichtsinnig sind, wird ihre Macht der Feinde Spott.´´
- Durch Valabhadras („durch Stärke glücklich“) Rat wurde der nackte Bettelmönch verbrannt. So gewann er des Königs Gunst zurück und sich selbst noch Ehre.“
Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und Karataka erzählte:
Der verbrannte Bettelmönch:::

In der Hauptstadt Ayodhya im Lande Kosala regierte ein König von großem Glanz und großer Macht namens Purushottama („bester Mann“). Einstmals kam der Gouverneur der Wälder zu ihm und berichtete, daß die Häuptlinge des Waldgebietes sich sämtlich empört hätten unter Antrieb und Anführung von Vindhyaka, dem König der Vindhya-Berge. Der König entsandte seinen ersten Minister Valabhadra, um die Aufrührer zu unterwerfen. Während Valabhadra entfernt war, kam ein nacktgehender Bettelmönch in die Stadt. Dieser hatte durch die verschieden Teile der Sternkunde - welche gebildet werden durch die Fragstellung, Erklärung, Kenntnis der Horä und der Vogelzeichen, Erwägung und Beobachtung des Aufgangs, der Einteilung in neun, zehn, zwölf und dreißig Grade, des Schattens, des unsichtbaren (Rahu), der Verdunklung, des Haupt-Elements, des Sternbilds Mula, des Jupiter und durch die mit dem Widder beginnenden (Zodiakalzeichen) - sich das ganze Land so zu eigen gemacht, als wenn er es gekauft hätte. Als der König eines Tages durch das allgemeine Gerücht von dieser Eigenschaft des Mönches hörte, ließ er ihn aus Neugierde in seinen Palast führen. Und nachdem er ihn aufs Beste aufgenommen hatte, fragte er ihn: „Ist es wirklich wahr? Kennen die Weisen die Gedanken anderer Menschen? Jener sprach: „Der Erhabene wird es aus den Früchten (bzw. Wirkungen) erkennen.“ So wurde der König durch passende Geschichten aufs höchste neugierig gemacht. Eines Tages ließ der Mönch die Zeit, zu welcher er sich gewöhnlich einstellte vorübergehen, kam erst am Nachmittag in den Palast des Königs und sagte: „Oh König! Ich will dir etwas Angenehmes mitteilen. Ich ließ heute in der Frühe diesen Leib in meinem Studierzimmer und ging in einem für die Götterwelt passenden Körper zum Himmel, indem ich dachte: «Die gesamte Götterschar sehnt sich nach mir.» Jetzt bin ich wieder zurückgekehrt und habe dort von den Göttern den Auftrag erhalten, mich in ihrem Namen nach deinem Wohlergehen zu erkundigen.“ Als er dies hörte, geriet der König in die größte Freude und sprach voll Erstaunen: „Wie Meister! Du gehst in den Himmel?!“ Jener antwortete: „Oh großer König! Ich gehe alle Tage in den Himmel.“ Der leichtgläubige König glaubte ihm und kümmerte sich seitdem weder um Regierungsgeschäfte noch die Freuden seines Harems, sondern war einzig und allein mit ihm beschäftigt. Mittlerweile hatte Valabhadra die Feinde im Waldgebiet geschlagen und war zu des Königs Majestät zurückgekehrt. Da sah er, wie der König den Kreis seiner Minister weit abseits liegenließ, einzig und allein dem nackten Bettelmönch Zugang zu sich gestattete, und mit vor Freude strahlendem lotusgleichen Gesicht ihn wie seinen Lehrer mit den Worten: „Was nun?“ um Rat fragte. Nachdem er erfahren hatte, wie sich die Sache verhielt, verbeugte er sich vor dem König und sagte: „Es siege der König, der Liebling der Götter!“ Darauf fragte der König den Minister nach seinem Wohlergehen und sagte: „Kennst du diesen Weisen?“ Jener sprach: „Wie sollte ich ihn nicht kennen, da er der oberste Gott vieler Meister ist. Auch sagt man, daß der Meister die Welt der Götter zu besuchen pflegt, ist das wahr?“ Der König sprach: „Alles, was du gehört hast, ist die reine Wahrheit.“ Darauf sagte der nackte Mönch: Wenn es dem Herrn Minister ein Vergnügen macht, so mag er es selbst sehen!“ Nachdem er so gesprochen hatte, ging er wieder in sein Studierzimmer, verriegelte die Tür und blieb darin. Darauf sprach der Minister, nachdem etwa eine Stunde verflossen war: „Majestät! Wie lange dauert es, bis er zurückkommt?“ Der König sprach: „Hast du solche übermäßige Eile? Er muß seinen häßlichen Leib in dem Studierzimmer ablegen und in einem anderen himmlischen Körper dahin gehen.“ Dieser sagte: „Wenn dies wirklich wahr ist, so laß eine Menge Holz und Feuer bringen, damit ich das Studierzimmer in Brand setze.“ Der König sprach: „Aus welchem Grund das?“ Der Minister antwortete: „Majestät, damit er, nachdem dieser Leib verbrannt ist, stets in jenem Körper, in welchem er zur Welt der Götter zu gehen fähig ist, sich an deiner Seite befinde. Es wird ja auch folgende Geschichte erzählt:
Der verzauberte Brahmanensohn:::

In der Stadt Rajagriha lebte ein Brahmane namens Devasarman. Dessen Gattin weinte sehr über ihre Kinderlosigkeit, wenn sie die Kinder der Nachbarn sah. Da sprach eines Tages der Brahmane: „Liebe! Höre auf dich zu grämen! Sieh, ich habe ein Opfer dargebracht, um einen Sohn zu erlangen. Da sprach irgendein unsichtbares Wesen mit deutlichen Worten folgendermaßen: Brahmane! Dieser Sohn wird dir zuteil werden, an Schönheit und Tugend alle Menschen übertreffend und reich an Glück!“ Nachdem sie dies gehört hatte, wurde das Herz der Brahmanin von höchster Seligkeit erfüllt und sie sagte: „Solche Orakel sind untrüglich!“ Im Verlauf der Zeit wurde sie schwanger und brachte bei ihrer Niederkunft eine Schlange zur Welt. Als man diese erblickte schrien alle übrigen: „Werft sie weg!“ Sie kümmerte sich aber nicht darum, sondern nahm sie zu sich, ließ sie baden, legte sie - voll Mutterliebe zu ihrem Sohn - in ein großes reines Gefäß, fütterte sie mit Milch, frischer Butter und ähnlichen Dingen, so daß sie in etlichen Tagen zu ihrer vollen Größe heranwuchs. Einstmals, als die Brahmanin das Hochzeitsfest eines Nachbarsohns erblickte, wurden ihre Augen von Tränen getrübt und sie sprach zu ihrem Gatten: „Du behandelst mich doch ganz und gar verächtlich, da du dir gar keine Mühe gibst, das Hochzeitfest meines lieben Kindes herbeizuführen!“ Als er dies gehört, sagte der Brahmane: „Ehrwürdige! Da müßte ich in die tiefste Unterwelt gehen und den Schlangenkönig Vasuki ansprechen! Denn wer anders, oh Törin! würde seine Tochter einer Schlange zur Frau geben?“ Als er nach diesen Worten die Brahmanin mit ganz außerordentlich betrübtem Gesicht erblickte, so nahm er, um sie zufrieden zu stellen, etwas Reisezehrung und ging aus Liebe zu seiner Frau in ein fremdes Land. Nachdem er etliche Monate herumgereist war, kam er zu einem Ort namens Kukutanagara. Dort wurde er in dem Hause eines mit ihm bekannten Kastengenossen, in welches er gegen Abend einkehren mußte, mit Bad, Nahrung und allem Zubehör bedient und brachte daselbst die Nacht zu. Als er sich in der Frühe von dem Brahmanen verabschiedet hatte und im Begriff war, weiter zu wandern, so fragte ihn dieser: „Aus welchem Grunde bist du hierhergekommen und wohin wirst du gehen?“ Auf diese Worte entgegnete jener: „Ich bin gekommen, um ein passendes Mädchen für meinen Sohn zur Frau zu suchen.“ Nachdem er dies gehört, sagte der Brahmane: „Wenn dem so ist, so habe ich hier eine überaus passende Tochter und du bist bei mir sehr angesehen; drum nimm diese für deinen Sohn!“ Auf diese Worte nahm der Brahmane das Mädchen samt ihrer Dienerschaft und kehrte nach seinem Wohnort zurück. Als aber die Bewohner dieses Gebiets ihre unvergleichliche, mit den wunderbaren Eigenschaften des höchsten Reizes geschmückte Körperschönheit erblickten, rissen sie vor Liebe die Augen weit auf und sprachen zu ihrem Gefolge: „Wie konntet ihr ein solches Juwel von einem Mädchen einer Schlange ausliefern?“ Nachdem sie dies gehört, wurde das Herz ihrer sämtlichen Begleiter erschreckt und sie sprachen: „Sie muß diesem von dem alten Brahmanen aufgestellten Mörder entrissen werden!“ Darauf sagte die Jungfrau: „Fern sei solch ein Betrug! Denn seht! Könige entscheiden nur einmal; die Guten sprechen nur einmal und nur einmal verlobt man Mädchen: Diese drei geschehen nur einmal. Und ferner: Was vom Schicksal verhängt dir zugemessen ist, das läßt sich nimmermehr ändern. Selbst die Götter mußten das Schicksal von Pushpaka ertragen.“ Darauf fragten alle: „Wer ist dieser mit dem Namen Pushpaka?“, und das Mädchen erzählte:
Der Götter Ohnmacht gegen den Gott des Todes:::

Indra hatte einen Papageien namens Pushpaka („grüner Edelstein“), mit dessen Weisheit es niemand aufnehmen konnte wegen seiner Kenntnis vieler Wissenschaften, und der mit der höchsten Körperschönheit begabt war. Indem dieser einst auf Indras Handfläche saß und sein Körper durch das Vergnügen, welches ihm die Berührung verursachte, anschwoll, sah er zur Zeit, wo er mancherlei Hymnen rezitierend, seinen Hofdienst verrichtete, den Gott der Unterwelt sich nahen und eilte davon. Darauf fragten ihn sämtliche Götterscharen: „Warum bist du denn weggeeilt, als du den Gott der Unterwelt erblicktest?“ Der Papagei sagte: „Das ist der Vernichter von allem Lebenden. Wie sollte man vor dem nicht fliehen?“ Nachdem sie dies gehört, sagten sie alle, um seine Furcht zu beschwichtigen, zum Gott der Unterwelt: „Wahrlich! Du darfst, uns zu Gefallen, diesen Papagei nicht umbringen!“ Der Gott der Unterwelt antwortete: „Ich weiß nicht, der Gott der Zeit wird hier den Ausschlag geben.“ Nachdem sie diese Antwort erhalten hatten, gingen sie zum Gott der Zeit und wiederholten das oben Mitgeteilte. Darauf sagte aber der Gott der Zeit: „Das weiß der Gott des Todes, sprecht mit dem!“ Als sie nun mit dem Papagei zum Gott des Todes gingen, da starb er bereits durch den bloßen Anblick des Todes, und als sie dieses hörten, sprachen sie alle mit verwirrten Sinnen zum Gott der Unterwelt: „Wie geht das zu?“ Darauf sagte der Gott der Unterwelt: „Ihm war es verhängt, beim bloßen Anblick des Todesgottes zu sterben.“ Nachdem sie das gehört hatten, kehrten die Götter zurück in ihre Wohnung. - Daher sage ich: Was vom Schicksal verhängt dir zugemessen ist, das läßt sich nimmermehr ändern. Selbst die Götter mußten das Schicksal von Pushpaka ertragen.
Die Affen und der Vogel Suchimukha:::

In einer gewissen Berggegend wohnte einmal eine Affenherde. Diese konnte sich einstmals zur Winterzeit gar nicht zufrieden geben. Ihre Körper zitterten, weil ein sehr kalter Wind sie anwehte, ein Schneefall sie traf und ein heftiger Regenguß auf sie niederstürzte. Einige Affen sammelten daher Gundscha-Früchte, welche Feuerfunken ähnlich sind, stellten sich rings um sie und pusteten, um Feuer zu erlangen. Als aber ein Vogel namens Suchimukha („Spitzschnabel!“) ihre vergebliche Anstrengung sah, sprach er: „Ach, ihr seid alle Toren! Dies sind keine Feuerfunken, es sind Gundscha-Früchte. Wozu also die unnütze Anstrengung? Dadurch könnt ihr euch nicht gegen die Kälte schützen. Drum sucht irgendeine gegen den Wind geschützte Waldgegend, eine Höhle oder Berggrotte! Auch jetzt noch zeigen sich mächtige Regenwolken.“ Darauf sprach einer von diesen zu ihm: „Ha! Du Tor! Was geht das dich an? Halt deinen Schnabel. Es heißt auch: Einen in der Arbeit oft Gestörten und einen Spieler, der verliert, soll ein Kluger nicht anreden, wenn er für sich das Beste wünscht. Und so: Wer Jäger, die umsonst jagen, und Narren, die von Not geplagt sind, törichterweise anredet, der zieht sich selbst ein Übel zu.“ Jener aber, ohne sich raten zu lassen, hörte nicht auf, noch weiter zu den Affen zu sprechen: „He! Wozu die unnütze Mühe?“ Da er aber keinen Augenblick mit Schwatzen nachließ, packte ihn ein Affe, der über die vergebliche Arbeit in Zorn geraten war, an den Flügeln und schleuderte ihn an einen Felsen, so daß er umkam. - Daher sage ich: Kein unkrümmbares Holz krümmt sich; mit Messern schneidet man Steine nicht. Suchimukha! Bedenke dieses: Lehre keinen, der nicht lernen will! Denn Belehrung reizt die Narren nur und beruhigt sie nimmermehr: Das Wasser, das die Schlange einschlürft, dient nur zur Vermehrung ihres Giftes. Und ferner: Belehrung soll man nicht jedem ohne Unterschied geben: Sieh! Wie ein törichter Affe die schön Behauste hauslos macht.“ Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und jener erzählte:
Der Affe und das Sperlingsweibchen:::
In einer Waldgegend wohnte einst ein wildes Sperlingspärchen, welches sein Nest auf dem herabhängenden Zweige eines Mimosa-Baums angelegt hatte. Wie sie da nun vergnügt zusammen lebten, fing einst eine winterliche Regenwolke an, langsam in einem fort zu regnen. Mittlerweile kam ein Affe, der vom Wind und Regen getroffen am ganzen Körper erstarrt war und zitternd die Zahn-Zither spielte, zu der Wurzel des Mimosa-Baums und setzte sich nieder. Als ihn das Sperlingsweibchen in dieser Verfassung sah, sagte sie zu ihm: „He! Lieber! Versehen mit Händen und Füßen, siehst du ganz wie ein Mensch aus, doch die Kälte macht dich zitternd, oh Tor! Warum baust du dir nicht ein Haus?“ Nachdem er dies gehört, sprach der Affe voll Zorn zu ihr: „Gemeines Weib! Warum hältst du deinen Schnabel nicht? Ha! Diese Frechheit! Sie sitzt in ihrem Hause und spottet über mich!“ Und dachte: „Das taugenichtsige, spitzmäulige, altklug schwätzende Weib da will unbedenklich stets babbeln. Warum schlage ich sie nicht einfach tot?“ Nachdem er so gedacht hatte, sagte er zu ihr: „Törin! Was hast du dich um mich zu bekümmern? Man sagt auch: Ein Verständiger steht Rede dem, der ihn voll Vertrauen fragt. Wer aber ungefragt redet, der heult gleichsam im wilden Wald.“ Doch wozu viele Worte? Kaum wurde dieser Affe von dem auf ihr eigenes Nest stolzen Weibchen noch einmal angeredet, als er den Mimosa-Baum hinaufkletterte und ihr Nest in hundert Stücke brach. - Daher sage ich: Belehrung soll man nicht jedem ohne Unterschied geben: Sieh! Wie ein törichter Affe die schön Behauste hauslos macht. So hast auch du, Tor! nichts gelernt, obgleich von ehrwürdigen Lehrern unterrichtet. Vielleicht aber ist es nicht deine Schuld. Denn Weisheit fügt sich zu einem guten, nicht aber zu einem schlechten Charakter. Man sagt auch: Was nützt das Wissen aller Welt an falschem Ort angebracht, wie ein Licht in einer Laterne, die von Blenden verdunkelt ist? So erkennst du, da du unnützes Wissen erlangt hast und meiner Rede kein Gehör gibst, nicht einmal dein eignes Verderben. Du bist also sicher eine Mißgeburt. Es heißt ja: Ein Sohn ist, wie die Schriftkundigen sagen, eine Geburt, Gleichgeburt, Übergeburt oder auch eine Mißgeburt. Geburt ist, wer der Mutter gleich ist, Gleichgeburt, wer dem Vater gleicht, Übergeburt, wer mehr als dieser, und Mißgeburt, wer ganz mißraten ist. Es heißt auch: Selbst Rama erkannte nicht die Goldgazelle (als Falle für den Raub seiner Gattin Sita), Nahusha nicht, welche Brahmanen er angeschirrt (MHB 5.17); der tausendarmige Arjuna faßte die Absicht, dem Brahmanen die Kuh samt dem Kalbe zu rauben (MHB 3.116); und im Spiel gibt des Dharmas Sohn vier Brüder samt dem Weibe hin (MHB 2.60): Naht das Verderben, verlieren gewöhnlich selbst brave Männer ihre Vernunft. Ferner: Sogar den eigenen Untergang riskiert der Bösewicht, der sich am Unglück anderer erfreut. So tanzt im Angesicht der Schlacht gewöhnlich noch der Rumpf, wenn schon das Haupt hinsank. Ach! Mit Recht sagt man auch dieses: Dharmabuddhi und Papabuddhi sind mir beide wohlbekannt: Vom Sohne ward durch nutzlose Klugheit der Vater im Rauch erstickt.“ Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und jener erzählte:
Dharmabuddhi und Papabuddhi:::

In einem gewissen Ort wohnten zwei Freunde, Dharmabuddhi („gerechter Sinn“) und Papabuddhi („übler Sinn“). Da dachte einstmals der übelgesinnte Papabuddhi: „Ich bin doch ein Dummkopf und von Armut geschlagen. Drum will ich mit diesem Dharmabuddhi in die Fremde gehen, mit seinem Beistand Geld erwerben, ihn dann betrügen und so mir eine glückliche Lage verschaffen.“ Eines Tages sagte er zu Dharmabuddhi: „Höre Freund! Wenn du alt wirst, an welche von deinen Taten kannst du dich dann erinnern? Was hast du der Jugend zu erzählen, da du die Fremde nicht gesehen hast? Man sagt ja: Wer nicht in fremdem Land herumwanderte und viele Sprachen, Kenntnisse und ähnliches kennengelernt hat, dessen Geburt trug keine Frucht. Und so: Wissen, Reichtum und Kunst faßt der Mensch nicht eher ordentlich, bis er voll Freude von einem Land zum anderen herumwandert.“ Dieser aber, sobald er diese Worte gehört hatte, nahm vergnügten Herzens von seinen Eltern Abschied und machte sich an einem glücksversprechenden Tage mit seinem Freund auf den Weg in die Fremde. Da wurde durch die Tüchtigkeit des Dharmabuddhi auch von Papabuddhi während der Wanderung sehr großer Reichtum gewonnen. Alsdann kehrten sie alle beide, nachdem sie sich einen großen Schatz erworben hatten, vergnügt, aber sehnsuchtsvoll, nach ihrer Heimat zurück. Denn es heißt auch: Für die, die Weisheit, Kunst und Reichtum in der Fremde erworben haben, wird die Entfernung einer Stunde zu einer Länge von hunderten. Als sie nun in die Nähe ihres Ortes kamen, redete Papabuddhi zu Dharmabuddhi: „Lieber! Es ist nicht dienlich, diesen gesamten Schatz ins Haus zu bringen, denn Familie und Verwandte werden ihn begehren. Drum laß ihn uns hier im Dickicht des Waldes irgendwo in der Erde verbergen und nur mit einem geringen Teil davon nach Hause gehen! Wenn das Bedürfnis eintritt, können wir zusammen wieder hingehen und nur so viel als nötig von diesem Ort wegholen. Man sagt auch: Ein Kluger läßt kein Geld blicken, nicht einmal ein Bißchen. Denn durch des Goldes Anblick wird selbst des Guten Herz aufgeregt. Und so: Wie im Wasser das Fleisch von Fischen, zu Land vom Wild und in den Lüften von Vögeln gefressen wird, so allerwärts, wer Geld besitzt.“ Nachdem er dies gehört, sagte Dharmabuddhi: „Lieber! Ja! So wollen wir es tun!“ Nachdem so geschehen war, gingen sie alle beide nach ihrem Hause und lebten vergnügt zusammen. Eines Tages aber ging Papabuddhi um Mitternacht in den Wald, nahm den ganzen Schatz, füllte die Grube wieder zu und ging nach Hause. Darauf ging er eines Tages zu Dharmabuddhi und sagte: „Freund! Wir haben beide eine große Familie und leiden, weil wir kein Geld haben. Drum laß uns nach dem Ort gehen und etwas Geld holen!“ Jener antwortete: „Lieber! Das wollen wir tun!“ Als sie nun alle beide den Ort aufgruben, sahen sie das Gefäß leer. Da schlug Papabuddhi sich an den Kopf und rief: „Ha! Dharmabuddhi! Du allein, kein anderer, hast das Geld genommen! Denn die Grube ist wieder ausgefüllt. Gib mir die Hälfte von dem, was du versteckt hast, oder ich werde es am Hof des Königs zur Anzeige bringen!“ Dieser sagte: „Ha! Du Bösewicht! Sprich nicht so! Ich bin in Wahrheit Dharmabuddhi (der rechtlich Gesinnte)! Ich tue kein solches Diebeswerk. Es heißt ja: Rechtlich Gesinnte sehen eines andern Weib wie ihre Mutter, andrer Gut wie einen Erdklumpen und alle Wesen wie sich selber an.“ So gingen sie alle beide miteinander zankend zum Gerichtshof, trugen ihre Sache vor und verklagten sich gegenseitig. Als sie nun von den an der Spitze der Rechtsverwaltung stehenden Männern auf ein Gottesurteil verwiesen wurden, sagte Papabuddhi: „Ah! Dieses Urteil ist nicht gerecht. Es heißt ja: Bei Klagen sucht man Urkunden, fehlen diese, nach Zeugnissen; fehlt auch ein Zeuge, erst dann schreiben die Weisen das Gottesurteil vor. So habe ich in dieser Sache die Göttin des Baumes als Zeugin auf meiner Seite, und diese wird einen von uns beiden entweder zum Dieb oder zum ehrlichen Mann erklären. Darauf sagten alle: „Hm! Was du sagst, ist billig. Denn es heißt auch: Selbst wenn ein Mann vom niedrigsten Stand als Zeuge in einer Sache dient, ist kein Gottesurteil passend, geschweige, wo ein Gott es ist. So sind auch wir in dieser Sache sehr neugierig. Morgen in der Frühe sollt ihr mit uns nach der Gegend des Waldes gehen!“ Mittlerweile ging Papabuddhi nach Hause und sagte zu seinem Vater: „Vater! Dieses viele Geld habe ich dem Dharmabuddhi gestohlen, und durch ein Wort von dir kann es uns gesichert werden; wo nicht, dann geht es mit samt meinem Leben verloren.“ Dieser sagte: „Kind! So sage es rasch, damit ich es durch mein Wort sicher mache.“ Papabuddhi sagte: „Vater! In jener Gegend ist eine große Mimosa; und die hat eine große Höhlung. Da gehe du gleich hinein! Wenn ich alsdann morgen früh einen Eid schwöre, dann mußt du sagen, daß Dharmabuddhi der Dieb ist.“ Nachdem dies so abgemacht war, badete sich Papabuddhi am folgenden Morgen früh, zog ein reines Obergewand an, ging hinter Dharmabuddhi zusammen mit den Richtern zu dem Mimosa-Baum und sprach mit durchdringender Stimme: „Die Sonne und der Mond sowie Wind, Feuer, Himmel, Erde und Wasser, das Herz und Yama, der Tag und die Nacht, die Morgen- und Abenddämmerung sowie auch Dharma kennen der Menschen Taten. Oh hehre Waldgöttin! Sag an, wer von uns beiden der Dieb ist!“ Darauf sprach Papabuddhis Vater, welcher in der Höhlung der Mimosa stand: „Ha! Hört, hört! Dieses Geld ist von Dharmabuddhi weggenommen worden!“ Während nun des Königs Diener, nachdem sie dies gehört, mit vor Verwunderung aufgerissenen Augen in den juristischen Lehrbüchern nach einer dem Raub des Geldes angemessenen Strafe für Dharmabuddhi suchten, umgab Dharmabuddhi die Höhlung der Mimosa mit feuerfangenden Gegenständen und zündete sie an. Als aber diese in Feuer geraten war, kam Papabuddhis Vater mit halbverbranntem Körper, die Augen ausgestoßen, kläglich jammernd aus der Höhlung der Mimosa heraus. Da fragten sie ihn alle: „He! Was ist das?“ So befragt, gestand er ihnen den ganzen Anschlag des Papabuddhi ein und starb alsdann. Darauf hingen die Diener des Königs den Papabuddhi an einem Ast der Mimosa auf, belobten den Dharmabuddhi und sprachen: „Ja, mit Recht sagt man folgendes: Den Nutzen soll der Weise erwägen, doch erwäge er den Schaden auch! Vor des törichten Kranichs Augen bringt ein Mungo die Kraniche um.“ Da fragte Dharmabuddhi „Wie war das?“, und jene erzählten:
Kranich, Krebs und Mungo:::

In einer gewissen Waldgegend war ein Feigenbaum voll von vielen Kranichen, und in einer Höhlung desselben wohnte eine schwarze Schlange. Diese brachte ihre Zeit damit zu, daß sie die jungen Kraniche auffraß, noch ehe sie flügge geworden waren. Da stand denn einst ein Kranich, dessen Junge von ihr aufgefressen worden waren, aus Kummer über seine Kleinen mit tränengefüllten Augen und zu Boden gesenktem Gesicht am Ufer des Teichs, und ein Krebs, welcher ihn in dieser Verfassung erblickte, sagte zu ihm: „Freund! Warum weinst du da so?“ Jener antwortete: „Lieber! Was kann ich sonst? Ich Unglücklicher! Meine Jungen und Verwandten sind von einer in der Höhlung des Feigenbaums hausenden schwarzen Schlange gefressen worden. Über dieses Unglück bin ich betrübt und weine. Sag mir nun, ob es irgendein Mittel gibt, diese Schlange zu verderben?“ Nachdem er dies gehört, dachte der Krebs: „Dieser ist doch ein angeborener Feind meines Geschlechts. Darum will ich einen solchen aus Wahr und Falsch gemischten Rat geben, daß auch alle übrigen Kraniche zugrunde gehen. Es heißt auch: Die Stimme weich wie frische Butter und mitleidlos das Herz gemacht! So wird ein Feind ausgerottet, daß er mitsamt seinem Stamm verdirbt.“ Dann sagte er: „Mein Lieber! Wenn du das beabsichtigst, so wirf Stückchen von Fischfleisch von der Tür der Mungo-Höhle an bis zur Höhlung der Schlange, damit der Mungo diesen Weg verfolgt und die böse Schlange umbringt.“ Nachdem so geschehen war, ging der Mungo den Fleischstücken nach, brachte die schwarze Schlange um, fraß aber nach und nach auch alle auf diesem Baume nistenden Kraniche auf. - Daher sagen wir: Den Nutzen soll der Weise erwägen, doch erwäge er den Schaden auch! Vor des törichten Kranichs Augen bringt der Mungo die Kraniche um.“ Und Karataka für fort: „So hat auch jener Papabuddhi nur an seinen Nutzen gedacht, nicht an den Schaden. Drum ist ihm dieser Lohn zuteil geworden. Darum sage ich: Dharmabuddhi und Papabuddhi sind mir beide recht wohlbekannt: Vom Sohne ward durch nutzlose Klugheit der Vater im Rauch erstickt. Auf gleiche Weise hast auch du, Törichter! nur an den Nutzen gedacht, nicht an den Schaden. Darum bist du ein Bösewicht! Du zeigst dich hier ganz wie ein Papabuddhi. Dadurch, daß du deines Herrn Leben in Gefahr gebracht hast, habe ich dich umfassend kennengelernt. Du hast deine Bosheit und Falschheit offenbar gemacht. Ja mit Recht sagt man: Wer würde sich mühen, um der Pfauen hintere Öffnung zu sehen, wenn sie nicht töricht froh tanzten, sobald der Wolken Donner erschallt. - Welche Rücksicht wirst du also auf unsereins nehmen, wenn du sogar deinen Herrn in eine solche Lage bringst? Deswegen muß ich mich notwendig aus deiner Nähe entfernen. Es heißt auch: Wo Mäuse tausend Pfund Eisen fressen, da kann selbst ein Elefant dem Falken zum Raub werden, geschweige denn ein Jüngelchen.“ Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und Karataka erzählte:
Wunder über Wunder:::

In einem gewissen Orte wohnte einmal ein Kaufmann namens Nanduka (der „Erfeuende“). Außerdem wohnte an demselben Orte ein Kaufmann namens Lakshmana (der „Glückliche“). Dieser, da er sein Vermögen verloren hatte, dachte daran, in die Fremde zu wandern. Es heißt auch: Wer in einem Ort oder Land nach seinen Mitteln froh gelebt hat, aber nach dem Verlust seines Vermögens immer noch dort bleibt, dann ist er gemeinen Sinns. Und so: Wer vorher erst mit stolzem Sinn lange Zeit vergnügt an einem Ort verbracht hat, und dann elendig an ebendiesem Ort anderen etwas vorklagt, der ist tadelnswert. In seinem Hause befand sich nur noch eine von seinen Vorfahren erworbene, aus einer schweren Menge Eisen verfertigte Waage. Diese gab er zum Aufbewahren in das Haus des Gildeherrn Nanduka und machte sich auf den Weg in die Fremde. Nachdem er darauf lange Zeit, seiner Lust folgend, in der Fremde umhergewandert war, kehrte er nach seiner Heimat zurück und sprach zum Gildeherrn Nanduka: „Oh Gildeherr! Gib mir die anvertraute Waage zurück!“ Jener aber sagte: „Oh, die ist nicht mehr da! Deine Waage haben die Mäuse gefressen.“ Nachdem er dies gehört, sprach Lakshmana: „Oh Nanduka! Wenn sie von den Mäusen gefressen wurde, so bist du außer Schuld. So ist ja einmal der Lauf der Welt: Es ist nichts in ihr ewig. Doch ich will zum Fluß gehen, um mich zu baden. Schicke deshalb dein Kind mit mir, das den Namen Dhanadeva („Gott des Reichtums“) führt, damit er mir das Badezeug trägt.“ Nanduka aber, der sich aus Angst wegen seines Diebstahls vor Lakshmana fürchtete, sagte zu seinem Sohn: „Kind! Dein Onkel Lakshmana will in den Fluß zum Baden gehen. Geh deshalb mit ihm, um das Badezeug zu tragen!“ Ach! Mit Recht sagt man: Kein einziger Mensch erweist einem andern irgend Gefälligkeit, ausgenommen aus Furcht, Habsucht oder aus einem anderen Grund. Und so: Wo ohne einen Grund übermäßige Rücksicht erwiesen wird, da hege man nur gleich Sorge, daß es am Ende schlimm ergeht. Darauf machte sich dieser Sohn des Nanduka vergnügten Sinns mit dem Badezeug und Lakshmana auf den Weg. Nachdem dies so geschehen, badete sich Lakshmana. Dann warf er Dhanadeva, den Sohn des Nanduka, in eine Höhle am Ufer des Flusses, verschloß die Öffnung derselben mit einem großen Stein und ging dann eilig zu Nandukas Haus. Hier wurde er von diesem Kaufmann gefragt: „He Lakshmana! Sprich! Wo ist mein Kind, welches mit dir zum Fluß gegangen ist?“ Jener sagte: „Es ist vom Ufer des Flusses durch einen Falken entführt worden.“ Der Kaufmann rief: „Du Lügner! Wie in aller Welt kann ein Falke einen Knaben rauben? Drum gib mir meinen Sohn zurück, sonst zeige ich es am Hofe des Königs an!“ Jener sagte: „Oh du Wahrheitsredender! Führt ein Falke keinen Knaben weg, so fressen auch Mäuse eine aus schweren Eisen verfertigte Waage nicht. Drum gib mir meine Waage, wenn du nach deinem Sohn verlangst!“ So miteinander zankend, gingen sie alle beide zur Pforte des Königs, und da sprach Nanduka mit lautem Geschrei: „Oh! Eine Ruchlosigkeit, eine Ruchlosigkeit geht da vor! Dieser Dieb hat mir mein Kind geraubt!“ Darauf sagten die Richter zu Lakshmana: „He! Liefere des Gildeherrn Sohn zurück!“ Dieser antwortete: „Was kann ich tun? Vor meinen Augen ist er durch einen Falken vom Ufer des Flusses entführt worden.“ Als sie dieses gehört hatten, sagten sie: „Ach! Du sagst nicht die Wahrheit. Wie wäre ein Falke fähig, einen fünfzehnjährigen Knaben zu rauben?“ Lakshmana antwortete lachend: „He! He! Hört diesen Spruch: Wo Mäuse tausend Pfund Eisen fressen, da kann selbst dem Falken ein Elefant zum Raub werden, geschweige denn ein Jüngelchen.“ Diese fragten: „Wie ist das gemeint?“ Und Lakshmana erzählte die ganze Geschichte mit der Waage. Nachdem sie diese gehört, lachten sie über das, was Nanduka und Lakshmana getan hatten, verständigten beide miteinander und machten, daß sie sich durch gegenseitige Auslieferung der Waage und des Knaben einander zufriedenstellten. Daher sage ich: Wo Mäuse tausend Pfund Eisen fressen, da kann selbst dem Falken ein Elefant zum Raub werden, geschweige denn ein Jüngelchen.“ Karataka sagte ferner: „Diese Lage des Pingalaka hast du, Tor! herbeigeführt, weil du die Gunst des Sanjivaka nicht ertragen konntest. Ach, mit Recht sagt man: Gewöhnlich werden in dieser Welt die Hochgeborenen von Niedriggeborenen, die Lieblinge des Glücks von Unglücklichen, der Freigebige vom Geizigen, der Redliche vom Unredlichen, der im Reichtum Lebende vom Armen, der Schöngestaltete von dem durch Mißgestalt Geschlagenen, der Gerechte von dem Bösewicht und der in vielen Wissenschaften Erfahrene von dem Toren stets getadelt. Und so: Die Weisen werden von Toren gehaßt, die Reichen von dem armen Mann, die Frommen von den Gottlosen und das keusche Weib von den Unkeuschen. Der Mensch erlangt Tugenden durch den Umgang mit den Guten, Sünden durch den Umgang mit Schlechten, gleichwie der Wind, verschiedene Länder durchstreichend, bald liebliche, bald üble Gerüche aufsammelt. Wie zwei Vögel sind wir beide, die bei gleicher Mutter und gleichem Vater unterschiedlich wurden; denn der eine wuchs bei Brahmanen auf, der andere bei Kuhfleischessern. Fortwährend hat der eine der Kuhfleischesser Worte gehört, der andere aber stets die Reden der Weisen. Durch Umgang wird Tugend oder Sünde erzeugt. Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und Karataka erzählte:
Die durch verschiedenen Umgang gearteten Papageiengeschwister:::

In einer gewissen Berggegend brütete ein Papageienweibchen, und es kamen ihm zwei Papageien zur Welt. Als nun das Papageienweibchen einst weggeflogen war, um Futter zu suchen, wurden die beiden Söhnlein von einem Vogelsteller gefangen. Der eine von ihnen rettete sich jedoch mit vieler Mühe und flog durch des Schicksals Gunst davon. Den anderen aber sperrte jener in einen Käfig und fing an, ihn das Sprechen zu lehren. Der geflüchtete Papagei dagegen wurde von einem herumwandernden frommen Weisen erblickt, von ihm gefangen, in seine Einsiedelei gebracht und daselbst aufgefüttert. Indem nun die Zeit so verlief, kam einst ein gewisser König in die Waldgegend, wo jene Vogelsteller wohnen, denn sein Pferd hatte ihn von seinem Gefolge entführt. Als nun der im Käfig befindliche Papagei den König herankommen sah, erhob er ein gewaltiges Geschrei: „He! He! Mein Gebieter! Es kommt ein einzelner Mensch auf einem Pferde! Drum binde, binde und töte ihn!“ Der König, nachdem er des Papageien Rede gehört, lenkte sein Pferd so schnell er konnte anderswohin. Als der König in das Innere eines nicht fernen anderen Wald gelangt, da sieht er die Einsiedelei von Eremiten. Auch da befand sich ein Papagei in einem Käfig und rief: „Komm herbei! Komm herbei, oh König! Ruhe dich aus! Genieße kühles Wasser und süße Früchte! He, he! Ihr Weisen! Ehrt ihn in diesem reichbeschatteten Baumwalde mit dem Fußwasser des Gastopfers!“ Als der König dies gehört, riß er die Augen weit auf und mit verwundertem Herzen dachte er: „Wie mag dies zugehen?“ Dann fragte er den Papagei: „Ich habe hier in einer Gegend des Waldes einen dir ähnlichen Papagei gesehen; aber schreckerregend schrie er: „He, binde! He, töte!“ Als er des Königs Rede gehört, erzählte der Papagei ihm der Wahrheit gemäß seine Geschichte. Daher sage ich: Durch Umgang wird Tugend oder Sünde erzeugt. Deshalb soll man sich nicht in Umgang mit dir einlassen. Denn man erzählt auch: Wahrlich, besser ist ein kluger Feind, als ein unverständiger Freund: Der Räuber stirbt aus Aufopferung, der Fürst kommt durch den Affen um.“ Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und Karataka erzählte:
Der kluge Feind:::

Die Söhne eines Königs, eines Kaufmanns und eines Gelehrten hatten miteinander Freundschaft geschlossen. Diese drei vergnügten sich Tag für Tag nur in Ergötzlichkeiten, Spazierengehen, Zerstreuungen, Leichtfertigkeiten und Spielen. Der Prinzensohn jedoch saß Tag für Tag mit Widerwillen gegen die Kunst des Bogenschießens, Reitens auf Elefanten und Rossen, Fahrens und Jagens. Da wurde er einst vom Vater streng getadelt mit den Worten: „Du beeiferst dich nicht, das zu erlernen, was ein König tun und wissen muß!“ Und als er diesen Tadel schwer gekränkt seinen Freunden erzählte, sprachen sie: „Auch unsere Väter erzählen ständig solchen Unsinn, wenn wir unsere Abneigung gegen die Geschäfte zeigen. Wir haben aber diese Kränkungen des eigenen Stolzes durch die Freude an unserer Freundschaft mit dir schon viele Tage hindurch nicht mehr gefühlt. Jetzt aber, da wir sehen, daß auch du durch dieselbe Kränkung betrübt bist, sind wir beide überaus betrübt geworden.“ Darauf sagte der Königssohn: „Wahrhaftig! Es ist nicht angemessen, daß wir nach dieser Kränkung noch hier bleiben. Drum wollen wir alle, die wir durch denselben Schmerz betrübt sind, uns entfernen und irgendwo anders hin gehen. Denn: Die Prüfung in Kraft, Weisheit, Wert der Tapferkeit und reinen Werke ist bei denen, die darauf stolz sind, an den Früchten zu erkennen, nachdem sie ihr Heimatland verlassen haben.“ Nachdem dies vorgegangen, überlegten sie, wohin es angemessen wäre zu gehen. Darauf sprach der Sohn des Kaufmanns: „Wahrhaftig! Ohne Geld erreicht man nirgends sein Ziel. Drum laßt uns nach dem Berg Rohana („Aufstieg“) gehen! Nachdem wir dort Edelsteine gefunden haben, werden wir alles, was wir nur wünschen, genießen können.“ Nachdem alle die Wahrheit seiner Rede anerkannt hatten, gingen sie nach dem Berg Rohana, und da fand jeder von ihnen durch die Gunst des Schicksals einen unschätzbaren herrlichen Edelstein. Darauf überlegten sie nun: „Wie können wir diese Edelsteine wohl verwahren, da wir von hier auf gefahrreichen Waldwegen wandern müssen?“ Darauf sagte der Sohn des Weisen: „Ich bin der Sohn eines Ministers, und so habe ich denn ein Mittel ersonnen. Wenn diese Edelsteine in unserm Leibe aufbewahrt werden, so sind wir weder von einem Karawanendieb, noch von sonst jemand einer Gefahr ausgesetzt.“ Nachdem er sie davon überzeugt, legten sie die Steine zur Essenszeit in einen Happen Speise und verschluckten sie. Doch während dies geschah, sah sie irgendein Mann, welcher unbeobachtet dicht am Fuße des Berges ausruhte, und dachte bei sich: „Ach! Ich bin hier am Berg Rohana viele Tage nach Edelsteinen umhergeirrt und habe infolge meines unglückseligen Geschicks nicht das Geringste gefunden. Drum will ich mit diesen gehen! Wenn sie alsdann auf irgendeinem Weg vor Müdigkeit eingeschlafen sind, dann werde ich ihnen die Bäuche aufschneiden und alle drei Edelsteine rauben.“ Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, stieg er vom Berge herab, kam hinter ihnen her und sprach, sich ihnen anschließend: „Oh! Ihr Edlen! Ich kann nicht allein durch den furchtbaren großen Wald zu meiner Heimat gelangen. Daher will ich mich eurer Karawane anschließen und mit euch gehen.“ Sie, denen Gesellschaft willkommen war, waren es zufrieden und sagten „Ja“ und begannen, mit ihm zu gehen. In diesem Walde befand sich aber in einer unwegsamen Berggegend in der Nähe der Straße ein Bhil-Dörfchen (der Ureinwohner in Dekkan). Als jene an diesem vorübergingen, stieß unter den vielen mannigfachen Vögeln, welche in dem Hause des Dorfhäuptlings zu seinem Vergnügen gepflegt wurden, ein alter Vogel einen Ton aus. Der Dorfhäuptling verstand aber sämtliche Vogelsprachen. So überdachte er, was dieses Vogelgeschrei bedeuten sollte, und sagte mit hocherfreutem Herzen zu seinen Untergebenen: „Daß dieser Vogel Wort für Wort Folgendes sagt: «Daß nämlich jene auf dem Wege einhergehenden Wandrer höchst kostbare Edelsteine mit sich führen.» Drum greift sie! Greift sie! Haltet sie also fest und bringt sie hierher!“ Nachdem dies geschehen war, so fand man bei ihnen nicht das Geringste, obgleich sie der Dorfhäuptling selbst ausplünderte. Darauf wurden sie von ihm losgelassen und fingen an, weiterzugehen, von nichts weiter bedeckt als von einem Stück Tuch um die Lenden. Da stieß auf einmal jener Vogel denselben Ton erneut aus. Als der Dorfhäuptling dieses hörte, ließ er sie nochmals vor sich führen. Sie wurden nun mit größter Sorgfalt durchsucht. Als sie aber von neuem freigelassen wurden, stößt derselbe Vogel, ganz wie früher, seinen durchdringenden Ton aus. Da ließ sie der Dorfhäuptling nochmals vor sich führen und fragte sie: „Dieser Vogel hat sich zu allen Zeiten als zuverlässig bewährt und spricht nie eine Lüge. Der sagt nun, daß ihr Edelsteine bei euch habt. Wo sind diese?“ Sie aber antworteten: „Wenn wir Edelsteine bei uns hätten, wie wäre es möglich, daß ihr sie nicht gefunden hättet, da ihr uns so sorgfältig durchsucht habt?“ Der Dorfhäuptling sprach: „Da dieser Vogel es mehrfach hintereinander sagte, so müssen die Edelsteine eben in eurem Leib sein. Jetzt ist aber schon die Dämmerung angebrochen. Morgen werde ich eure Bäuche aufschneiden!“ Nachdem er sie so bedroht hatte, wurden sie in ein als Gefängnis dienendes Schlafzimmer gebracht. Darauf überlegte der Dieb bei sich: „Unzweifelhaft: Wenn morgen der Dorfhäuptling in den aufgeschnittenen Leibern von jenen solche Edelsteine findet, wird der Bösewicht, von Geiz getrieben, sicherlich auch meinen Leib öffnen. So steht mir, mag es gehen wie es will, der Tod bevor. Was habe ich also hier zu tun? Man sagt auch: Fürwahr, wenn einer, wo Tod droht, einem Hochedlen den hinfälligen Leib im Dienste aufopfert, dessen Sterben bedeutet Unsterblichkeit. Drum ist es besser, ich liefere ihm zuerst meinen eigenen Leib zum Aufschneiden und rette jene, sei es auch mit meinem eigenen Tode. Denn wenn der Bösewicht, nachdem er meinen Leib zuerst hat aufschneiden lassen, trotz der sorgfältigsten Untersuchung nichts entdeckt, dann wird er die Hoffnung, Edelsteine zu finden, aufgeben, und, wenn er auch noch so grausam wäre, doch aus Mitleid sich enthalten, ihnen den Bauch zu zerschneiden. Und indem ich auf diese Weise ihnen Leben und Vermögen schenke, wird mir in dieser und der zukünftigen Welt der Ruhm der Aufopferung zuteil werden und eine edle Existenz. Drum ist dieses ein angemessenes und gewissermaßen vernünftiges Sterben.“ Als nun, nachdem die Nacht verflossen war, der Dorfhäuptling sich anschickte, ihnen den Bauch aufschneiden zu lassen, faltete der Räuber bittend seine Hände und sprach: „Ich kann nicht mit ansehen, daß jenen meinen Brüdern der Bauch aufgeschnitten wird. Drum erweise mir die Gnade, mir meinen Leib zuerst aufschneiden zu lassen.“ Aus Mitleid bewilligte ihm der Häuptling dies mit dem Wort: „So sei es!“ Und nachdem ihm der Bauch aufgeschnitten war, wurde nicht das Geringste darin gefunden. Darauf brach er in Wehklagen aus: „Oh Jammer! Oh Jammer! Auf die bloße Deutung des Vogelgeschreis hin habe ich aus gewaltiger Begierde einen großen Mord begangen! Wie in dem Bauche von diesem, so werde ich auch in denen der übrigen nichts finden.“ Nachdem er so gesprochen hatte, ließ er alle drei mit unverletzten Leibern frei. Sie aber durchschritten mit größter Eile den Wald und kamen zu irgendeinem Ort. - Daher sage ich: Der Räuber stirbt aus Aufopferung. Drum wahrlich, besser ist ein kluger Feind, als ein unverständiger Freund. An diesem Orte nun verkauften sie alle drei Edelsteine vermittelst des Kaufmannssohnes. Darauf erhielten sie eine ungeheure Menge Geld und legten dieses für den Königssohn zusammen. Dieser, welcher beabsichtigte, dem Oberherrn dieses Gebiets die Regierung zu entreißen, übergab dem Sohn des Weisen das Amt eines Ministers, und den Sohn des Kaufmanns machte er zu seinem Schatzmeister. Darauf versammelte er dadurch, daß er doppelten Sold gab, ein gewaltiges Heer von trefflichen Elefanten, Rossen und Fußsoldaten, fing vermittelst der Verstandeskraft seines Ministers, welcher die sechs Arten kannte (wie sich ein König gegen seine Feinde zu benehmen hat), Krieg an und tötete den König in einer Schlacht. So eroberte dieser Königssohn das Königreich und wurde König. Nachdem er die Last der gesamten Regierung seinen beiden Freunden anvertraut hatte, lebte er sorglos in die Welt hinein und genoß das Vergnügen der Lüste.
Der törichte Freund:::

Einst hatte er, als er in sein Frauenhaus ging, einen Affen, welcher in der Nähe in einem Stall war, immer neben sich, um sich an ihm zu belustigen. Denn Papageien, Rebhühner, Tauben, Widder, Affen und ähnliches sind natürlicherweise der Könige Lieblinge. Es versteht sich von selbst, daß der Affe, gemästet durch die mannigfachen Speisen, welche ihm der König reichte, groß ward und von der gesamten Umgebung des Königs geehrt werden mußte. Der König aber gab aus übermäßigem Vertrauen und aus Liebe diesem Affen sogar ein Schwert zu tragen. In der Nähe seines Palastes gab es einen mit vielen verschiedenartigen Bäumen geschmückten Lustwald. Als nun der König zu Beginn des Frühlings diesen erblickte, wie er so lieblich war, herrlichen Duft vieler Blumen aushauchte und den Ruhm des Liebesgottes von den Scharen der Bienen gesungen verkündete, ging er von Liebe überwältigt mit seiner Lieblingsgemahlin hinein. Die gesamte Dienerschaft erhielt den Befehl, am Tor stehen zu bleiben. Nachdem er voll Freude den Lustwald durchirrt und betrachtet hatte, sagte er ermüdet zu seinem Affen: „Ich will einen Augenblick in dieser Blumenlaube schlafen. Gib sorgfältig Acht, daß sich nichts an mich heranmacht und mich verletzt!“ Nachdem er dies gesagt hatte, schlief der König ein. Da kam eine Biene, dem Blumenduft, Betel samt Zubehör und dem Moschusduft nachjagend, und setzte sich auf seinen Kopf. Als der Affe dies sah, dachte er zornig: „Wie? Soll ich den König vor meinen Augen von dem gemeinen Geschöpf stechen lassen?“ Dabei fing er an, sie abzuwehren. Als sich die Biene aber, trotz der Abwehr, immer von neuem dem König näherte, da wurden des Affen Gedanken von Zorn verblendet, er zog das Schwert und schlug die Biene mit einem Hieb nieder. Aber durch denselben Hieb war zugleich des Königs Haupt gespalten. Die Königin, welche neben ihm schlief, sprang erschrocken in die Höhe, jammerte, als sie dies Verbrechen erblickte, und sprach: „Oh, oh! Du törichter Affe! Was hast du da dem König angetan, der dir Vertrauen schenkte?!“ Der Affe aber erzählte, wie es zugegangen war, und darauf wurde er von aller Welt als ein Bösewicht gemieden. - Daher sagt man: „Man soll keinen Toren zum Freund wählen, denn der König ward vom Affen getötet.“ Und ich sage: Wahrlich, besser ein kluger Feind, als ein unverständiger Freund. Der Räuber stirbt aus Aufopferung, der Fürst kommt durch den Affen um.“ (Im folgenden fehlen bei Benfey einige Abschnitte. Wir fügen diese aus der englischen Übersetzung von Arthur William Ryder (1925) ein.) Und Karataka fuhr fort: „Wo deine Art, die unter Freunden Feindschaft stiften und deren Weisheit aus hinterlistigen Fallen besteht, das letzte Wort hat, dort enden alle Bemühungen in traurigen Mißgeschicken. Und auch: Der Heilige, so sehr er auch gedrängt wird, scheut immer noch die Schuld der bösen Tat. Und es sind immer noch jene Taten, die keine Schande bringen, die zu Ruhm und ehrenwertem Namen führen. Der Weise handelt so, daß seine Ehre strahlend bleibt. Wie die Perle, die ein Pfau aß und ausscheidet, immer noch perlweiß bleibt. Das Sprichwort sagt auch: Falsch ist falsch! Der Weise wird nie das Falsche wie das Richtige behandeln. Wie der Durstigste nie das schmutzige Wasser von der Straße trinken würde. Zusammengefaßt: Handle immer gerecht bis zum letzten Atemzug! Meide das Falsche, selbst wenn es das Leben kosten würde.“ Als Damanaka, dieses hinterlistige Geschöpf, dem eine solche Predigt über Moral wie schieres Gift erschien, diese Worte hörte, schlich er sich vorsichtig ein Stück seitwärts. Und währenddessen stürzte Sanjivaka, nachdem er einige Zeit mit Pingalaka gekämpft hatte, durch die Wunden von dessen scharfen Nägeln des Lebens beraubt zur Erde nieder. Und als Pingalaka den Stier leblos sah, wurde sein Herz durch die Erinnerung an seine guten Eigenschaften gerührt, und er klagte: „Ach! Ich Bösewicht habe unrecht getan, daß ich den Sanjivaka umgebracht habe; denn es gibt kein größeres Verbrechen als Treulosigkeit. Es heißt ja: «Geht das Land verloren oder ein kluger Diener, so ist der König verloren.» So pflegt man zu sagen, doch nicht mit Recht sind beide gleichgesetzt: Denn das Land ist leicht zu erwerben, nicht so ein treue Diener. Außerdem habe ich diesen Grasfresser zum Minister erhoben und danach ihn selbst getötet. Darum war es noch schlechter von mir gehandelt. Es heißt auch: Dieser Dämon, auch wenn er durch mich mächtig wurde, darf nicht durch mich zugrunde gehen: Sogar den selbstgepflegten Gift-Baum selber auszurotten, ziemt sich nicht. - Auch ist er inmitten des Staatsrats stets von mir gelobt worden. Was soll ich nun vor anderen sagen, welche ihre Freunde wie Eltern und geistliche Lehrer verehren? Es heißt auch: Wen du vorher als Rechtschaffenen im Rate bezeichnet hast, den sollst du nimmer anklagen, wenn du dein Wort in Ehren halten willst.“ Als nun Damanaka merkte, daß der Löwe unsicher war, schlich er langsam wieder heran und sprach voller Freude: „Majestät! Wie in aller Welt ist das für dich angemessen, daß du darüber so klagst, einen verräterischen Grasfresser getötet zu haben? Das ziemt sich nicht für Könige! Darum sagt man auch: Den Vater, Bruder, Sohn oder die Gattin, oder auch den Freund umzubringen, wenn sie uns nach dem Leben trachten, ist kein Vergehen. Und so: Ein König, der mitleidig ist, ein Brahmane, der alles ißt, ein schamloses Weib, ein böser Gefährte, ein widerspenstiger Diener, ein nachlässiger Aufseher und den, der nicht erkenntlich ist, die soll man meiden. Und auch: Wahr und falsch, bald hart und bald freundlich redend, grausam und mitleidig, bald habsüchtig und bald freigebig, verschwenderisch und große Schätze erpressend - so vielgestaltig ist eines Königs Weise, der Buhlerinnen Treiben ganz vergleichbar. Und auch: Wer keinen Schaden anrichtet, wäre er auch groß, wird nicht gefürchtet: Wohl fürchtet der Mensch Schlangen, doch deren Feind, den Garuda, nicht. Und außerdem: Nicht zu Beklagende beklagst du und sprichst doch wie ein Verständiger: Tote sowohl als Nichttote beklagen die Weisen nimmermehr.“ Daraufhin näherte sich Karataka, und weil Damanaka kein Einsehen zeigte, setzt er sich neben den Löwen und sprach zu Damanaka: „Oh Herr, du weißt nichts von guter Politik, denn dieser Aufruhr zum Kampf hat nur die gegenseitige Freundschaft zerstört, welche die beiden genossen hatten. Es ist nicht die Art und Weise guter Ratgeber, den Herrn so zu beraten, daß er gegen seinen eigenen Diener kämpft und damit sich selbst in Lebensgefahr bringt, wenn das begehrte Ziel auch durch bessere Mittel erreichbar ist. Wie das Sprichwort sagt: Als die versammelten Götter einst dachten, daß sie einen Kampf gewonnen hatten, mußten sie einsehen, daß der Sieg weder in den Händen der Götter noch der Menschen liegt (siehe Kena-Upanishad). Und außerdem: Im Kampf liegt keine Weisheit, nur Narren verlieren sich im Kämpfen. Die Weisen entdecken den rechten Weg in den heiligen Schriften, und diese lehren Frieden und Gewaltlosigkeit. - Deshalb soll ein Ratgeber seinen Herrn niemals zum unnötigen Kampf verführen. Denn ein anderes weises Sprichwort sagt: Wo der Palast freundliche, bescheidene und reine Diener beherbergt, die für Feinde tot und für Begierde taub sind, mögen zwar Feinde angreifen, aber die königliche Ehre ist sicher. Deshalb: Spricht die Wahrheit, auch wenn sie hart klingt! Schmeichelei ist nichts anderes als Feindschaft. Und weiter: Wo königliche Diener, gefragt oder nicht, ihr Heil in Lügen suchen, geht der königliche Verstand in die Irre und die königliche Herrlichkeit stirbt. Außerdem sollten die Berater einzeln vom Herrn befragt werden, so daß er durch all ihre Ratschläge eine Entscheidung treffen kann. Denn es geschieht oft, daß sogar eine offensichtliche Tatsache aus einer anderen Richtung betrachtet ganz anders erscheint. Wie auch das Sprichwort sagt: Das Glühwürmchen erscheint wie Feuer und der Himmel flach, doch das sind sie beide nicht. Manchmal erscheint das Wahre als falsch und das Falsche als wahr. Oft trügt der Schein, deswegen bedenke es gut! Deshalb sollte sich ein Herr nicht ausschließlich nur auf den Rat eines Dieners verlassen. Vor allem nicht auf jene Übelgesinnten, die für ihren persönlichen Gewinn dem Herrn die Dinge mit verwirrender Rede im falschen Licht darstellen. Folglich sollte der Herr eine Entscheidung nur nach gründlicher Betrachtung treffen. Wie das Sprichwort sagt: Laß dich zuerst gut und weise beraten, und wenn du es mehrfach gehört und den vorgeschlagenen Plan vom ersten bis zum letzten Wort bedacht hast, dann handle und ernte Ruhm und Reichtum. Vermeide stets das Absurde! Schließlich darf es kein Herr zulassen, daß sein eigener Verstand durch den Rat anderer verwirrt wird. Er sollte stets die Unterschiede in den Menschen beachten, das Problem bis zum Grund untersuchen, verschiedene Ansichten hören und auf die richtige Zeit und den rechten Ort achten. So sollte der Herr stets Meister bleiben, ein weiser Meister, der sich der Tragweite seiner Pflichten bewußt ist.“ Damit endet das erste Buch „Verfeindung von Freunden“, dessen erster Vers lautet: Im Wald wird durch den heimtückischen habgierigen Schakal des Löwen und des Stiers Liebe zerstört, die große immer wachsende.